Der Vulkanausbruch des Hunga Tonga-Hunga Haʻapai 2022 in Tonga ereignete sich am 14. und 15. Januar 2022 mit massiven Eruptionen, die phreatomagmatischer Natur waren. Am 15. Januar um 04:14 Uhr UTC (17:14 Uhr Ortszeit) wurde eine Beben-Magnitude von 5,8 auf der Oberflächenwellen-Magnituden-Skala registriert.[1] Der Ausbruch ist nach ersten Erkenntnissen der weltweit stärkste seit der Eruption des Pinatubo auf den Philippinen 1991.[2][3][4] Die bei dem Ausbruch freigesetzte Energie entsprach laut NASA zwischen 4 und 18 Megatonnen TNT.[5]
Es leben geschätzt rund 76.000 Menschen in einem Radius von 100 km um den Vulkan. Durch den Vulkanausbruch wurden weite Teile des Inselstaats Tonga von 5 bis 10 cm vulkanischer Asche bedeckt, was Auswirkungen auf die Wasser- und Stromversorgung sowie die Luftqualität hat.[6][7] Der durch den Ausbruch ausgelöste Tsunami führte insbesondere an der Westküste der Hauptinsel Tongatapu mit ihren vielen Hotels zu schweren Schäden.[4] Die tongaische Regierung rief bis zum 13. Februar den Katastrophenfall aus.[8]
Die Druckwelle der Eruption bewegte sich mehrfach um den gesamten Erdball.[9] In Deutschland wurde sie, von Norden kommend, abends mit einem Luftdruck-Impuls von ca. 1,5 hPa gemessen, wenige Stunden später dann schwächer aus Süden.[10] Dazwischen kulminierte die Wellenfront in Algerien, das Tonga auf dem Globus gegenüberliegt. Am 17. Januar, gut zwei Tage nach der Explosion, wurde nochmals ein Durchgang von ca. 0,5 hPa registriert.[11] Weitere Durchgänge der Welle durch Mitteleuropa folgten bis mindestens zum 18. Januar.[12] Die Explosion war sowohl im 2300 Kilometer entfernten Neuseeland als auch im 9700 Kilometer entfernten Alaska zu hören.[13]
Wissenschaftler waren überrascht über die vom Ausbruch ausgelösten Schwerewellen der Atmosphäre, die sich bereits auf der Oberseite der Ausbruchswolke abzeichneten und darüber hinaus in Satellitenaufnahmen zu sehen waren. Mit dem Atmospheric Infrared Sounder (AIRS) des NASA-Satelliten Aqua waren in der 20-jährigen Betriebszeit des Sensors bislang keine vergleichbaren konzentrischen Wellenbilder gesehen worden. Es wird angenommen, dass auch diese Wellen die Erde mehrfach umrundet haben. Als Ursache der Entstehung wird vermutet, dass heißes Gas bis weit in die Stratosphäre aufsteigt und die Luft durcheinanderwirbelt. Die Schwerewellen könnten einen längerfristigen Einfluss auf das Wetter haben, weil sie die zyklische Umkehrung von Windrichtungen in den Tropen beeinflussen; das könnte Wetteränderungen zur Folge haben, die bis nach Europa reichen.[14]
Das Volcanic Ash Advisory Center im neuseeländischen Wellington meldete Asche bis in einer Höhe von 18,6 km, was einen Rekord für 2021/2022 darstellt. Aufzeichnungen der Ozone Mapping and Profiler Suite (OMPS) des Limb-Profilers an Bord des Satelliten Suomi NPP zeigen eine Höhe der Aschewolke von bis zu 30 km, in die obere, warme Stratosphäre.[16] Die Gesamtmenge an Schwefeldioxid, die durch die Eruption in die Atmosphäre gelangte, wird auf 0,4 Teragramm (400.000 Tonnen) geschätzt.[17][18] Ein merkbarer Einfluss auf das Klima wäre erst ab 5 Teragramm (5 Mio. t) zu erwarten.[19] Die Aschewolke bewegte sich langsam in Richtung Nordwesten auf Fidschi zu.[20] Fidschis Umweltministerium bestätigte einen Anstieg der Schwefeldioxidkonzentration in der Atmosphäre in der Nacht auf den 17. Januar und warnte die Bevölkerung vor saurem Regen.[21] Das Schwefeldioxid breitete sich später weiter westwärts nach Australien aus.[22]
Die Eruptionen wurden von einem starken Eruptionsgewitter begleitet, welches am 15. Januar in der Stunde zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr UTC (18:00 bis 19:00 Uhr Ortszeit) mit ca. 200.000 Blitzschlägen seinen Höhepunkt fand.[23][24]
Durch die Eruptionen wurde ein Tsunami ausgelöst,[25] der z. B. Nukuʻalofa, die Hauptstadt Tongas, mit einer Höhe von 1,2 m erreichte.[26] Die in Tonga maximal erreichte Tsunami-Höhe wurde jedoch am 18. Januar 2022 mit 15 m angegeben.[27] Erste Aufklärungsflüge zeigten zerstörte Häuser in der Hauptstadt.[13] Nach ersten Einschätzungen wurden auf der Hauptinsel etwa 50 Häuser zerstört und 50 weitere beschädigt.[28] Am 18. Januar wurden schwere Beschädigungen auf den kleineren und niedrigeren Inseln Fonoifua, Mango und Nomuka bekannt.[29] Von Mango war zuvor ein aktives Notsignal entdeckt worden.[20] Die Überwachungsflüge des OCHA registrierten ein komplett zerstörtes Dorf auf Mango sowie zahlreiche verschwundene Gebäude auf der Insel ʻAtatā.[30]
Das Pacific Tsunami Warning Center gab für das US-Außengebiet Amerikanisch-Samoa eine später aufgehobene Warnung heraus.[31] Die Nationale Katastrophenschutzbehörde Neuseelands warnte nach dem Ausbruch davor, dass in einigen Teilen des Landes mit „starken und ungewöhnlichen Strömungen und unvorhersehbaren Überflutungen“ zu rechnen sei.[32][33][34][35] Tatsächlich kenterten dort in einem Hafen mehrere Boote.
Auch in Kalifornien kam es zu einer Überschwemmung,[36] vor allem in Teilen von Santa Cruz und Port San Luis, und auch in Peru richtete der Tsunami noch Schäden an. In den Regionen La Libertad, Lambayeque, Lima, Ica und Arequipa meldete Perus National Civil Defense Institute (INDECI) hohe Wellen. In Paracas wurden mehrere Gebäude beschädigt. Zweiundzwanzig Häfen an der Nord- und Mittelküste wurden geschlossen und die Fischereitätigkeit eingestellt. An der über 11.000 Kilometer entfernten chilenischen Pazifikküste erreichte der Tsunami nach 12 Stunden zuerst Süd-Chile. An mehreren Orten wurden Wellenhöhen von über einem Meter gemessen, wobei diese in der in Nord-Chile gelegenen Küstenstadt Chañaral mit 1,74 Meter den höchsten Wert erreichten.[37] Dort gab es auch in anderen Küstenstädten wie Iquique Überschwemmungen.[38]
In Japan erreichten die Tsunamiwellen etwa zehn Stunden nach dem Ausbruch zuerst die Südwestküste. In Kushimoto in der Präfektur Wakayama wurde eine Wellenhöhe von etwa einem Meter gemessen.[39][37] Auch von der zu den Ryūkyū-Inseln gehörenden Insel Amami-Ōshima werden Überschwemmungen berichtet.[38]
Auf Tonga sind drei Todesopfer gemeldet worden: je eine Frau auf Mango und Tongatapu sowie ein Mann auf Nomuka. Die Regierung von Tonga berichtete am 21. Januar von insgesamt 15 Verletzten, wovon auf die flachen und deshalb vom Tsunami stark zerstörten Inseln Nomuka (etwa 65 km nordöstlich) acht, Fonoifua (etwa 80 km) vier und Tungua (etwa 85 km) zwei entfielen.[40] Auch Mango (etwa 70 km nordöstlich) und ʻAtatā (etwa 55 km südlich) wurden zumindest teilweise überspült. Die Bewohner der Inseln Mango und Fonoifua wurden evakuiert.[41][42] Auf einer der vom Tsunami betroffenen Fidschi-Inseln starb eine Frau an Erschöpfung während der Rückkehr nach der Evakuierung.[43]
Am Strand der peruanischen Region Lambayeque ertranken zwei Menschen in den Wellen des Tsunamis.
Die Kommunikation des Inselstaates zur Außenwelt wurde schwer beeinträchtigt, da das einzige Glasfaserkabel für die Internetverbindungen beschädigt wurde.[13] Die Reparatur des Unterseekabels werde voraussichtlich mehrere Wochen dauern.[44] Lokal soll es Mobiltelefon-Verbindungen geben. Das wurde zwei Tage nach dem Vulkanausbruch bestätigt. Weitere Kommunikationsverbindungen waren ebenfalls gestört.[45]
Die landwirtschaftlichen Folgen der Katastrophe sind noch nicht absehbar. Die Überschwemmung mit Salzwasser durch den Tsunami hat wahrscheinlich Agrarfelder beeinträchtigt, auch Vulkanasche kann sich negativ auswirken. Zudem ist saurer Regen aufgrund der hohen Mengen Schwefeldioxid in der Atmosphäre zu befürchten. Etwa 86 % der Bevölkerung Tongas arbeiten in der Landwirtschaft und Fischerei. Der Agrarsektor machte in 2015/16 etwa 14 % des Bruttoinlandsprodukts aus und über 65 % der Exporte.[46]
Neuseeland und Australien boten Hilfen an, u. a. in Form von Aufklärungsflügen. Die neuseeländische Außenministerin Nanaia Mahuta kündigte am Morgen des 17. Januar einen ersten Aufklärungsflug der Royal New Zealand Air Force mit einer Lockheed P-3K Orion an, nachdem die Aschekonzentration nachgelassen hatte.[47][48] Beide Länder warfen zunächst Hilfslieferungen aus der Luft ab, da die Rauchwolke Landungen verhinderte.[13] Die australische HMAS Adelaide soll von Brisbane aus Hilfsgüter nach Tonga transportieren. Australien kündigte zudem eine Soforthilfe in Höhe von einer Million Australischer Dollar an und Neuseeland von einer halben Million Neuseeland-Dollar, eine Summe die später auf eine Million und am 22. Januar auf 3 Millionen aufgestockt wurde.[7][49] Die Europäische Union aktivierte am 15. Januar das Notfallbeobachtungssystem von Copernicus (Emergency Mapping Service (EMS)).[50][28] Die Vereinigten Staaten sagten 100.000 US-Dollar an Soforthilfe zu.[7]
Tonga bat dabei um kontaktlose internationale Hilfen, da der Inselstaat derzeit frei von COVID-19-Infektionen ist.[51] Die tongaische Regierung beschloss zudem eine 72-Stunden-Quarantäne für alle Güter, die das Land erreichen. Ausgenommen davon ist Trinkwasser, welches im Inselstaat durch die Kontaminierung von Grund- und Regenwasser besonders knapp ist.[52] Am 20. Januar 2022 konnte je eine Landung aus Neuseeland und eine aus Australien auf dem Flughafen durchgeführt werden, nachdem die Rollbahn gereinigt worden war. Zudem traf die neuseeländische HMNZS Wellington ein, die entladen werden soll, sobald der Hafen als sicher eingestuft ist, und der die HMNZS Aotearoa folgt, die 250.000 Liter Wasser liefern und täglich 70.000 Liter Wasser entsalzen kann. Neuseeland beschloss zudem die Versendung der HMNZS Canterbury, die zwei Helikopter mitnehmen soll, die dann die weiter entfernt liegenden Inseln versorgen können.[53] Japan lieferte am 22. Januar 3 Tonnen Trinkwasser zum Flughafen Fuaʻamotu.[54]
Fidschi, dessen Lau-Inseln nahe an Tonga liegen und die daher ebenfalls vom Tsunami betroffen waren, bildete mehrere Expertenteams, um sowohl den betroffenen Lau-Inseln Ono-i-Lau, Vatoa, Moce, Moala, Vanua Balavu und Lakeba als auch Tonga beim Wiederaufbau und Reparaturen helfen zu können. Die Finanzierung übernahm Australien. Das für Tonga bestimmte und 50 Mann starke Team wurde auf COVID-19 getestet und in Quarantäne geschickt, um dann mit der HMAS Adelaide von Brisbane aus nach Tonga zu gelangen.[43]
Koordinaten: 20° 33′ S, 175° 24′ W
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