Tino Chrupalla [kruˈpala] (* 14. April 1975 in Weißwasser) ist ein deutscher Politiker (AfD). Er wurde 2017 als Direktkandidat des Wahlkreises Görlitz in den Deutschen Bundestag und am 30. November 2019 neben Jörg Meuthen zu einem der beiden AfD-Bundessprecher (Parteivorsitzenden) gewählt. An der Seite von Alice Weidel wurde er am 25. Mai 2021 zu einem von zwei Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2021 gewählt.
Tino Chrupalla, Sohn eines Malermeisters, wuchs im sächsischen Krauschwitz auf.[1] Nach der Mittleren Reife 1991 absolvierte Chrupalla bis 1994 eine Berufsausbildung zum Maler und Lackierer. Danach leistete er seinen Zivildienst in Weißwasser ab. Von 2000 bis 2003 besuchte er die Meisterschule in Görlitz und Dresden. 2003 legte er vor der Handwerkskammer Dresden die Meisterprüfung zum Maler- und Lackierermeister ab und gründete ein eigenes Unternehmen im Maler- und Lackiererhandwerk.
Chrupalla ist verheiratet und hat drei Kinder.
Er verletzte sich am 1. März 2020 leicht bei dem Versuch, sein Auto zu löschen, nachdem Unbekannte es in Brand gesteckt hatten.[2]
Chrupalla war von 1990 bis 1992 Mitglied der Jungen Union und nach eigenen Angaben noch lange danach CDU-Wähler.[3] Aufgrund seiner Unzufriedenheit mit Euro- und Flüchtlingskrise und der steigenden Bürokratie für Selbstständige[1] trat er 2015 in die AfD ein, zuvor hatte er bereits an Pegida-Demonstrationen teilgenommen.[4] Im März 2016 übernahm Chrupalla die Leitung der AfD-Regionalgruppe im Altkreis Weißwasser. Im April 2016 wurde er in den AfD-Kreisvorstand Görlitz gewählt und zum Mitglied des AfD-Mittelstandsforums Sachsen. Im Februar 2017 übernahm Chrupalla den Vorsitz im Kreisverband Görlitz seiner Partei.[5]
Im November 2016 wurde er zum Direktkandidaten der AfD im Bundestagswahlkreis Görlitz gewählt. Außerdem wurde er von seiner Partei auf Platz 5 der Landesliste nominiert. Bei der Bundestagswahl 2017 gewann Chrupalla mit 32,4 % das Direktmandat seines Wahlkreises und setzte sich damit gegen den späteren sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer durch.[6] Die Sächsische Zeitung kürte ihn daraufhin als „Der Eroberer“ neben Kretschmer zu einem von 15 „Menschen des Jahres 2017“.[7][8]
Im Bundestag ist Chrupalla ordentliches Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Zudem gehört er als stellvertretendes Mitglied dem Auswärtigem Ausschuss, sowie dem Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen an.[9]
Am 5. Oktober 2017 wurde er zu einem von fünf stellvertretenden Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion gewählt.[10]
Das Bundesamt für Verfassungsschutz nannte ihn namentlich in seinem Gutachten, das die Einstufung der AfD als Prüffall begründet. Grund dafür ist ein bei YouTube veröffentlichtes Interview, das er dem Rechtsextremisten und verurteilten Holocaustleugner Nikolai Nerling im Juni 2018 gegeben hatte.[11][12]
Auf dem Bundesparteitag der AfD 2019 in Braunschweig wurde Chrupalla neben Jörg Meuthen zum Parteivorsitzenden gewählt. In einer Abstimmung setzte er sich mit 44,37 % gegen Gottfried Curio (33,1 %) und Dana Guth (22,01 %) durch,[13] in der Stichwahl mit 54,51 % gegen Curio (41,23 %).[14]
Im Sommer 2020 wurde bekannt, dass der sächsische Verfassungsschutz Daten über Chrupalla sammelte.[15]
Im Mai 2021 verkündete Chrupalla, gemeinsam mit Alice Weidel ein Spitzenteam für die Bundestagswahl 2021 zu bilden. Auf einige Vorwürfe der AfD-Bundestagsabgeordneten Joana Cotar, mit der er ursprünglich Gespräche über eine Zusammenarbeit als Spitzenteam geführt hatte, Chrupalla und Weidel repräsentierten den rechtsextremen Flügel der Partei, hin, äußerte Chrupalla, dass er und Weidel sowohl die Ost- als auch die Westverbände der Partei vertreten würden. Auf die Aussage Cotars, er habe ihre Anfragen auf eine Zusammenarbeit ignoriert, äußerte sich Chrupalla mit den Worten: „‚Keine Antwort‘ und ‚nicht sprechen‘ ist ja etwas anderes. Frau Cotar hat relativ zeitig oder vor mir im Prinzip bekannt gegeben, mit wem sie antritt. Und damit war für mich folgerichtig, dass ich mit Frau Weidel dann antrete.“[16] Ende des gleichen Monats wurde das Team Weidel und Chrupalla schließlich mit 71 % der Stimmen zum Spitzenteam für die Bundestagswahl gewählt, und konnte sich damit gegen das Team Cotar und Wundrak, die nur 27 % erreicht hatten, durchsetzen.[17]
Chrupalla beklagte im Wahlkampf 2017, dass die Einbruchskriminalität in seiner grenznahen Region zum Alltag geworden sei. Laut der Zeit, die ihn als gemäßigten Vertreter seiner Partei einordnete, war eines seiner Hauptthemen im Bundestagswahlkampf die Grenzsicherung.[18] So forderte er die Wiedereinführung von Kontrollen zur „Eindämmung der Grenzkriminalität“. Flüchtlingen warf er im Wahlkampf vor, „uns auszunehmen wie eine Weihnachtsgans“. Willkommenskultur forderte er stattdessen für einheimische Kinder.[8] Außenpolitisch forderte Chrupalla ein Ende der Russland-Sanktionen, weil die Wirtschaft seines Landkreises darunter leide.[19]
Nach Angaben der Lausitzer Rundschau kündigte Chrupalla 2017 an, sich dafür einzusetzen, „die Zeitungsredaktionen in die Schranken [zu weisen]“, wofür er auch Änderungen von Gesetzen und am Grundgesetz nicht ausschließe.[20] Gegenüber der taz erklärte Chrupalla, diese Aussage sei so nicht gefallen, die Redakteurin der Lausitzer Rundschau habe sie erfunden.[8] Allerdings forderte Chrupalla im Januar 2019 Parteikollegen auf, „schwarze Listen“ über Journalisten zu führen und „Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten“ zusammenzutragen.[21][22]
In einer Bundestagsdebatte zum Thema 30 Jahre Mauerfall am 8. November 2019 warf er Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, sie habe anhand „Herrschafts- und Zersetzungsstrategien (…) damals bei der FDJ gelernt, wie man ein Volk mit Propaganda und Agitation in Schach hält“, was Abgeordnete der anderen Fraktionen mit „Pfui“-Rufen quittierten.[23]
Chrupalla versteht sich selbst laut Aussage vom Dezember 2019 nicht als Sachse, sondern als Schlesier.[24]
In einem ZDF-Interview nach seiner Wahl zu einem der beiden Bundesvorsitzenden Ende 2019 wurde Chrupalla wegen seines Aufrufs zu gemäßigter Sprache zu seinen eigenen Aussagen befragt. Chrupalla bestritt daraufhin, den Begriff „Umvolkung“ verwendet zu haben, obwohl Videoaufzeichnungen davon vorliegen. Chrupalla erwiderte dann, er halte den Begriff nicht für rechtsextrem und er habe ihn „nicht bewusst gesetzt“. Auch Ausführungen eines Teilnehmers derselben Veranstaltung, der Migration mit einem Genozid, bei dem die Deutschen durch ein „Mischvolk“ ersetzt würden, verglichen und verurteilte Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs als „Jungs, die am Galgen in Nürnberg geendet sind“, bezeichnet hatte, gab Chrupalla damals laut Videoaufnahmen „zum Teil recht“, was er im Interview dann bestritt; stattdessen behauptete er, dem Mann widersprochen zu haben.[25][26]
Im Vorfeld des 75. Jahrestags der Luftangriffe auf Dresden bezweifelte Chrupalla im Februar 2020 die von 2004 bis 2010 von einer Historikerkommission unter Leitung von Rolf-Dieter Müller ermittelte Größenordnung von rund 25.000 Todesopfern. Mit Verweis auf Berichte von Verwandten, die als Augenzeugen 1945 in Dresden gewesen seien, gehe er von rund 100.000 Todesopfern aus, so Chrupalla gegenüber dem SPIEGEL. Rolf-Dieter Müller und der Historiker Sven Felix Kellerhoff kritisierten diese Äußerungen, die den wissenschaftlich fundierten Ergebnissen der Kommission widersprächen. Chrupalla orientiere sich damit an Zahlen, die der Propaganda von Joseph Goebbels entstammen und lediglich noch von Geschichtsfälschern wie David Irving, der NPD und anderen Rechtsextremisten postuliert würden.[27][28] Er versuche damit, den Opfermythos wiederzubeleben und die Luftangriffe politisch zu instrumentalisieren, so die Kritik weiterer Historiker.[29][30] Der FDP-Politiker Gerhart Baum, der die Luftangriffe auf Dresden als 12-Jähriger erlebt hatte, widersprach Chrupalla vehement und warf ihm und der AfD den Missbrauch des Leids der Opfer zu politischen Zwecken vor.[31]
Mit Bezug auf die Tötung des Afroamerikaners George Floyd und die darauffolgenden Proteste der Black Lives Matter-Bewegung schrieb Chrupalla auf Twitter, all das zeige erneut, „in welcher Sackgasse multikulturelle Einwanderungsländer enden“, und forderte: „Solche Zustände müssen uns erspart bleiben.“ Laut dem Journalisten Michael Kraske hat Chrupalla damit „die Ereignisse in klassischer Täter-Opfer-Umkehrung um[gedeutet]“. Gemäß Chrupallas „zynische[r] Schlussfolgerung“ blieben Tote und Gewalt „Gesellschaften erspart, wenn sie nur auf Multikulturalismus und Einwanderung verzichteten“.[32]
Im Sommerinterview des ZDF im August 2020 wollte sich Chrupalla nicht eindeutig von dem mittlerweile ausgeschlossenen ehemaligen Brandenburger AfD-Fraktionsvorsitzenden Andreas Kalbitz distanzieren. Chrupalla sagte: „Für die Zeit, für die ich Andreas Kalbitz in dieser Partei kenne, und das ist jetzt sechs Jahre, kann ich bei ihm keinen Extremismus erkennen.“ Er hätte sich jedoch gewünscht, dass Kalbitz sich von seiner Vergangenheit deutlicher distanziere. Weiter sprach sich Chrupalla im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie gegen die Maskenpflicht aus und befürwortete eine Freiwilligkeit, da es über die Wirksamkeit der Masken, wie er sagte, unterschiedliche Auffassungen gebe. Den Lockdown im Frühling 2020 bezeichnete er als „unverhältnismäßig“.[33]
Als durch eine investigative Dokumentation des Fernsehsenders ProSieben bekannt wurde, dass der ehemalige Pressesprecher der AfD-Bundestagsfraktion Christian Lüth in einem mitgeschnittenen Gespräch über das „Vergasen“ und „Erschießen“ von Migranten gesprochen hatte, zeigte sich Chrupalla auf Twitter empört über dessen Äußerungen: „Es macht mich und die gesamte Partei fassungslos, dass solche Worte gefallen sein sollen“. Allerdings sollen nach Informationen der Zeit sowohl Chrupalla als auch Alexander Gauland und weitere AfD-Funktionäre von dem Treffen und von einigen der Aussagen bereits seit Ende April 2020 gewusst haben. Die Zeit stellte dazu fest, dass die Aufrichtigkeit der Distanzierung von Seiten der AfD nach Bekanntwerden der Äußerungen von Lüth mehr als fragwürdig sei.[34]
Als Bundessprecher forderte Chrupalla die AfD wiederholt zu Geschlossenheit und einem „Schluss mit dem Lagerdenken“ auf.[35] In der Rentendebatte unterstützte er die Forderungen einer Stärkung des bisherigen beitragsfinanzierten Umlagesystems.[36] So solle „allen Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, eine auskömmliche Rente“ ermöglicht werden.[37]
Personendaten | |
---|---|
NAME | Chrupalla, Tino |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (AfD), MdB |
GEBURTSDATUM | 14. April 1975 |
GEBURTSORT | Weißwasser |
Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2021-06-13 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=10055574