Safiye Ali

Safiye Ali

Safiye Ali (* 2. Februar 1894 in Istanbul; † 5. Juli 1952 in Dortmund) war eine türkische Frauenärztin und die erste Medizinerin, die in der Türkei praktizierte. Sie war eine Absolventin des von US-amerikanischen Missionaren gegründeten Robert College in Istanbul. Sie studierte ab 1916 in Deutschland Medizin und eröffnete 1923 ihre eigene Praxis in Istanbul.[1][2][3]

Nach ihr ist eine Familienklinik in Istanbul benannt.[4] In ihrer Karriere setzte sie sich intensiv mit dem Wohlergehen von Müttern und Säuglingen auseinander. Mit ihrem Gynäkologie- und Geburtshilfeunterricht für Studentinnen ging sie außerdem in die Geschichte ein als die erste Frau, die in der Türkei Medizin lehrte.[5]

Leben und Errungenschaften

Safiye Ali wurde 1894 in Istanbul als die jüngste von vier Schwestern geboren. Ihr Vater Ali Kırat Pascha war einer der persönlichen Gehilfen der Sultane Abdülaziz und Abdülhamit II. Ihr Urgroßvater Hacı Emin Pascha war 17 Jahre lang Schaich al-Islam von Mekka und der Gründer von fünf Stiftungen, die dort noch immer Schüler unterrichten. Safiye Ali, die ihren Vater in jungen Jahren verlor, wuchs in der Villa ihres Großvaters Emin Pascha in Valideçeşme auf.[6]

Ihre Studienzeit an der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg verbrachte Safiye Ali als sehr engagierte Studentin, nachdem ihr das Studium in ihrem Heimatland verwehrt worden war. Auch in den Ferien assistierte sie deutschen Ärzten in ihren Praxen und besuchte nebenher Vorlesungen in Philosophie und Geschichte. Ihr Ziel war es, als Beste abzuschließen.[7]

Nach Bedenken wegen ihres Schulabschlusses ernannte das bayerische Kultusministerium Ali zur Doktorandin. Safiye Ali befürchtete, ihre Ausbildung unter den Bedingungen des Ersten Weltkriegs nicht abschließen zu können, erhielt aber schließlich 1921 den Doktortitel der Universität Würzburg mit ihrer Dissertation Über Pachymeningitis haemorrhagica interna im Säuglingsalter.[8] Sie wurde schließlich Ärztin und ging zurück nach Istanbul. Nach sechs Wochen kehrte sie bereits nach Deutschland zurück, um sich auf Gynäkologie und Pädiatrie zu spezialisieren. Dort heiratete sie ihren Medizinerkollegen Ferdinand Krekeler, der später den Namen Ferdi Ali annahm.[9]

Im Juni 1923 erhielt Safiye Ali als erste Frau in der Türkei ihre Lizenz als Ärztin. Sie eröffnete ihre erste Praxis im Istanbuler Stadtviertel Cağaloğlu. Sie versuchte, sich, wie es viele Ärzte zu dieser Zeit taten, mittels einer Zeitungsanzeige einen Namen zu machen:

„Dr. Safiye Ali Hanım nimmt ihre Frauen und pädiatrischen Patienten täglich und nachmittags, außer freitags und sonntags, in ihrem Büro Nr. 52 in der Nuruosmaniye Straße in Istanbul auf. Istanbul 2866.“[10]

Anfangs blieb der Besucheransturm jedoch aus. Reiche Damen verließen sich nicht auf sie als Ärztin, weil sie eine Frau war; die armen Frauen hingegen erzählten ihr die Sorgen, die sie hatten und die sie sonst niemandem anvertrauen konnten. Allerdings wollten auch sie nur wenig zahlen, da Ali eine Frau war. Auch aus der übrigen Ärzteschaft erfuhr sie keine Unterstützung. Jenen, die aufgrund von Safiye Alis Geschlecht nur ein ermäßigtes Honorar zahlen wollten, entgegnete sie, dass sie bei finanziellen Problemen kein Entgelt verlange – in allen anderen Fällen würde sie dasselbe berechnen wie ihre männlichen Kollegen. Damit kämpfte Safiye Ali für „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“.[9]

Safiye Ali war als Ärztin nicht nur klinisch tätig. Ihre Ziele gingen weit darüber hinaus. Sie machte auch Geschichte als erste Frau, die als Dozentin Mädchen Medizin lehrte, indem sie Gynäkologie und Geburtshilfe an der ersten medizinischen Schule für Mädchen unterrichtete, die als Teil des Robert College eingerichtet worden war.[9]

Ihre Arbeit für die türkische Frauenunion, ihre Ansichten zu Frauenrechten und Fotografien ihrer selbst wurden häufig in Zeitungen abgedruckt. Dies führte zu Konflikten an anderen Stellen ihres Wirkens, so trat sie als Leiterin der vom französischen Roten Kreuz gegründeten Mutterschaftshilfe-Organisation Süt Damlası (deutsch „Milchtropfen“) zurück, da sie sich von ihren Kollegen ungerecht behandelt sah. Diese Situation wurde von ihren Patientinnen mit großer Trauer aufgenommen. Frauen organisierten Proteste zuerst vor der Hilal-i Ahmer-Gesellschaft und dann vor dem Haus von Fuat Bey, der als Nachfolger Safiye Alis ernannt worden war. Ihren Rivalen, die behaupteten, Safiye Ali habe die Proteste selbst organisiert, erwiderte sie, dass diese Anschuldigungen lächerlich seien und dass das Thema von männlichen Ärzten kolportiert werde, die Frauen Erfolg missgönnten, und sie werde ihren Rücktritt nicht zurückziehen. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere wurde sie daran gehindert, ihren Patientinnen zu helfen.[9]

Safiye Ali, die bei der Ausübung ihres Berufes immer wieder von ihren männlichen Kollegen belästigt wurde, setzte ihren Kampf entschlossen fort und veröffentlichte mehrere Bücher.[11] Nachdem bei ihr Krebs diagnostiziert worden war, ließ sie sich in Deutschland nieder. Dort setzte sie trotz ihrer Krankheit ihre Arbeit in den Jahren des Zweiten Weltkriegs fort. Am 5. Juli 1952 starb sie im Alter von 58 Jahren in Dortmund.[9]

Studien zur Bedeutsamkeit des Stillens

In verschiedenen Städten Europas wurden von Süt Damlası Pflegeheime für Kinder eröffnet, die aus verschiedenen Gründen von der Muttermilch entwöhnt worden waren und keine Möglichkeit hatten, sterile Milch zu trinken. Die Süt-Damlası-Niederlassung Istanbul, die vom französischen Roten Kreuz gegründet wurde, wurde 1925 der Himaye-i-Etfal-Gesellschaft überlassen. Zweck der Gründung war die Sensibilisierung der Mütter für die gesunde Pflege von Kindern. Süt Damlası wurde nach der Übernahme durch Safiye Ali und durch ihre hingebungsvolle Arbeit erst zu einer effektiven Organisation.[9]

Indem sie die Überlegenheit der Muttermilch gegenüber jeder anderen Milch betonte, ermutigte Safiye Ali Frauen zum Stillen. Sie organisierte Schulungen für die Mütter unterernährter Kinder, in denen sie gesunde Ernährung kennenlernten. Die Umsetzung des Gelernten ließ sie überprüfen, indem sie Krankenschwestern in die Haushalte entsandte.[9]

Zusätzlich gründete Ali die Kleinkindpraxis Hilal-i Ahmer Hanımlar Merkezi Küçük Çocuklar Muayenehanesini. Während Süt Damlası entwöhnte Kinder versorgte, kümmerte sich jene um kranke und schwache Kinder ab dem ersten Lebensjahr. Zu den Leistungen zählten nicht nur die Patientenversorgung, sondern auch die Schulung von Müttern, Bewusstseinsbildung, und zwei Mal jährliche Hilfe beim Bekleiden und Waschen. Gleichzeitig nähten wohltätige Frauen Wickelsets und Kleidung und gaben diese in Körben für neun Monate an arme Mütter ab. Wer seinen Korb sorgfältig benutzte und wieder zurückgab, bekam die Kleidung für ein Kind geschenkt. Nach einer Desinfektion wurden die Wickelutensilien an eine andere werdende Mutter weitergegeben. Ziel war es, den Müttern eine gesunde und moderne Kinderpflege beizubringen. Süt Damlası und Safiye Ali wurden von vielen Müttern verehrt. Neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit war ihre Praxis auch mit Patientinnen überfüllt.[9]

Politisches Wirken

Die inoffiziell erste Partei, die in der türkischen Republik 1923 gegründet wurde, war die „Volkspartei der Frauen“ (türkisch Kadınlar Halk Fırkası). Da man ihr aber nicht gestattete, tätig zu werden, organisierten sie sich weiterhin unter dem Namen Türkische Frauenunion. Safiye Ali, die Mitglied der Parteidelegation mit dem Hauptziel der aktiven Teilnahme von Frauen an der Politik war, betonte, dass es im Parlament viel Arbeit gebe, um Kindern zu helfen.[9]

Safiye Ali, die in der Frauenunion als Leiterin des Gesundheitskomitees diente, setzte sich ebenfalls für die Bekämpfung der Prostitution ein. Sie war besorgt über Mädchen, die in die Prostitution getrieben wurden, und begann, an der Eröffnung eines Mädchenwohnheims für diese zu arbeiten.[9]

Ehrungen

Am 2. Februar 2021 feierte Google Safiye Alis 127. Geburtstag mit einem Google Doodle.[12]

Literatur

  • Nermin Abadan-Unat, Deniz Kandiyoti, Mübeccel Belik Kıray: Women in Turkish Society. BRILL, 1981, ISBN 90-04-06346-3.
  • Berna Arda: Anatolia; The Cradle of Modern Medicine. In: Journal of Ankara University Faculty of Medicine. Band 62, Nr. 1 (ankara.edu.tr [PDF]).
  • Fanny Davis: The Ottoman Lady: A Social History from 1718 to 1918. Greenwood Publishing Group, 1986, ISBN 0-313-24811-7.
  • Güldane Çolak: Turkish Female Students Studying in Germany. The Case of Safiye Ali. In: Türk-Alman İlişkileri Sempozyumu, 8-10 Ekim 2009. Konya 2010, ISBN 978-605-4366-04-0, S. 620–628 (Online).

Einzelnachweise

  1. Abadan-Unat, Kandiyoti & Kıray 1981, 9
  2. Arda 2009, 11.
  3. Davis 1986, 266.
  4. İstanbul Sağlık Müdürlüğü. Istanbulsaglik.gov.tr. Abgerufen am 8. November 2015.
  5. İstanbul Sağlık Müdürlüğü. Istanbulsaglik.gov.tr. Abgerufen am 8. November 2015.
  6. Türkiye'nin ilk kadın doktoru: Safiye Ali | Örnek Kadınlar | Lacivert Dergi. Abgerufen am 2. Februar 2021.
  7. Türkiye'nin ilk kadın doktoru: Safiye Ali | Örnek Kadınlar | Lacivert Dergi. Abgerufen am 2. Februar 2021.
  8. Safié Ali: Über Pachymeningitis haemorrhagica interna im Säuglingsalter. Würzburg 1921, OCLC 162692786 (uni-wuerzburg.de [abgerufen am 2. Februar 2021]).
  9. a b c d e f g h i j Türkiye'nin ilk kadın doktoru: Safiye Ali | Örnek Kadınlar | Lacivert Dergi. In: web.archive.org. 2. Juni 2016. Abgerufen am 31. Dezember 2020.
  10. Türkiye'nin ilk kadın doktoru: Safiye Ali | Örnek Kadınlar | Lacivert Dergi. 2. Juni 2016. Abgerufen am 31. Dezember 2020.
  11. 127. Geburtstag von Safiye Ali. Abgerufen am 2. Februar 2021.
  12. Safiye Ali: Ein sehr schönes Google-Doodle zum 127. Geburtstag der ersten türkischen Ärztin & Dozentin - GWB. In: GoogleWatchBlog. 1. Februar 2021, abgerufen am 2. Februar 2021 (deutsch).

Information

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Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2021-06-13 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=11641422