Roman Arkadjewitsch Abramowitsch (russisch Роман Аркадьевич Абрамович, wiss. Transliteration Roman Arkad’evič Abramovič, englische Transkription Roman Arkadyevich Abramovich, Betonung: Román Arkádjewitsch Abramówitsch, hebräisch רומן ארקדיביץ' אברמוביץ'; * 24. Oktober 1966 in Saratow, Russische SFSR, Sowjetunion) ist ein Oligarch mit russischer, israelischer und portugiesischer[1][2] Staatsbürgerschaft. Er war von 2000 bis Juli 2008 Gouverneur der russischen Region Tschukotka. Abramowitsch gilt als reichster Israeli und Portugiese und ist einer der vermögendsten Menschen der Welt.
Abramowitsch ist jüdischer Herkunft. Seine Familie väterlicherseits stammte aus Belarus und war nach der Oktoberrevolution nach Tauragė in Litauen ausgewandert. Die litauische Schreibweise des Familiennamens ist Abramavičius. Nahim (hebräisch Nahman) Abramowitsch (1887–1942), der Großvater väterlicherseits, wurde in Eržvilkas im Bezirk Tauragė geboren. Nahims Frau, Romans Großmutter väterlicherseits, Tauba, geb. Berkover, stammte aus Jurbarkas.[3] Nach der Annexion Litauens durch die Sowjetunion im Jahr 1940 deportierte das NKWD die Familie nach Sibirien. Nahim Abramowitsch starb im Gulag.[4][5] Die Großeltern mütterlicherseits waren Wassili Michalenko und Faina Grutman. Abramowitschs Eltern lebten bei seiner Geburt in Syktywkar.[6] Roman war 18 Monate alt, als seine Mutter Irina Michalenko an den Folgen einer heimlichen Abtreibung starb. Als er vier Jahre alt war, starb sein Vater Arkadi (hebräisch Aron) Abramowitsch (1937–1970) bei einem Bauunfall. Bis zu seinem achten Lebensjahr wuchs Abramowitsch bei einem Onkel väterlicherseits, Leib Abramowitsch, einem Ölingenieur in Uchta, auf und danach bei einem zweiten Onkel, Abraham, in Moskau. Am Moskauer Gubkin-Öl- und-Gas-Institut studierte Abramowitsch Ingenieurwissenschaft.
Nach der Öffnung der sowjetischen Wirtschaft im Zuge der Perestroika gründete Abramowitsch als 21-jähriger Student das Unternehmen Ujut (deutsch: „Gemütlichkeit“). Ujut stellte zunächst profane Dinge wie Gummienten und Fußbälle her. Abramowitschs Einstieg in das Ölgeschäft begann, als er nach dem Zerfall der Sowjetunion zwischen 1993 und 1996 das Moskauer Büro des Schweizer Rohölhändlers Runicom leitete.
Über Runicom wickelte er größere Ölgeschäfte mit Raffinerien ab, vor allem mit der größten russischen Raffinerie im sibirischen Omsk. 1992 war Abramowitsch erstmals Boris Beresowski begegnet. Dessen Kontakte zu Boris Jelzin machte er sich zunutze. Mit Beresowski konnte er sich nach dem Zerfall der Sowjetunion ein weitverzweigtes Firmenimperium aufbauen, indem er ehemals staatliche Betriebe aufkaufte. Sibneft kaufte er für etwa 250 Millionen Dollar. Zum Besitz der von ihm kontrollierten Holding Millhouse Capital gehörten schließlich 80 % von Russlands fünftgrößtem Ölkonzern Sibneft, 50 % des Aluminiumkonzerns RUSAL, 26 % der Fluggesellschaft Aeroflot und 37,5 % des Autoproduzenten Ruspromawto. Die Raffinerie im sibirischen Omsk wurde das Kernstück des Sibneft-Konzerns.
Offenbar unter dem Eindruck des Verfahrens gegen Michail Chodorkowski verkaufte Abramowitsch nach und nach seine Anteile an russischen Unternehmen. Seine Aeroflot-Aktien verkaufte er im März 2003 an den russischen Staat. Die RUSAL-Anteile verkaufte Millhouse in zwei Schritten 2003 und 2004 an die Gruppe „Basowy Element“ von Oleg Deripaska.
Seine Mehrheit an Sibneft verkaufte er Ende 2005 mit sehr großem Gewinn, für 13 Milliarden Dollar[7] an den halbstaatliche Gaskonzern Gazprom. Westliche Banken gewährten Darlehen über zwölf Milliarden Dollar, etwa die Hälfte davon kam russischen Medienberichten zufolge vom niederländischen Institut ABN Amro und der Dresdner Bank.[8] Gazprom wurde später in Gazprom Neft umbenannt.
2003 kaufte Ambramowitsch den Londoner Fußballverein FC Chelsea. Abramowitsch soll weltweit 70 Immobilien, zwei Yachten und mehrere Flugzeuge besitzen.
Lange Zeit galt Abramowitsch als wichtigster Oligarch im Umfeld des damaligen Präsidenten Wladimir Putin.[9] Er gilt als ein Wegbereiter für den Machtwechsel von Ex-Präsident Boris Jelzin zu Putin im Jahr 2000. Im Dezember 2000 wurde Abramowitsch zum Gouverneur des Autonomen Kreises der Tschuktschen gewählt und im Oktober 2005 im Amt bestätigt. Am 3. Juli 2008 akzeptierte der russische Präsident Dmitri Medwedew Abramowitschs mehrfach geäußertes Rücktrittsgesuch und entließ ihn als Gouverneur. Nachfolger wurde sein bisheriger Stellvertreter Roman Kopin.[10]
Anfang 2008 bestellte Infrastruktura, ein Bauunternehmen Abramowitschs, die derzeit weltgrößte Tunnelvortriebsmaschine bei der Herrenknecht AG, um damit eine Nische auf dem russischen Infrastrukturmarkt zu erschließen. Das Gerät wurde vor allem beim Bau von Objekten für die Olympischen Winterspiele 2014 im russischen Schwarzmeer-Badeort Sotschi eingesetzt. Infrastruktura erwartet nach eigenen Angaben Tunnelbauaufträge von einigen Milliarden Dollar pro Jahr.
2011 verklagte Boris Beresowski Abramowitsch auf 5,6 Milliarden US-Dollar. Er warf seinem früheren Geschäftspartner vor, ihn beim Verkauf des Unternehmens Sibneft betrogen und ihn um seine Anteile gebracht zu haben. Abramowitsch beteuerte allerdings, dass Beresowski keine Anteile am Unternehmen hatte. Am 31. August 2012 wurde Beresowskis Klage von einem Londoner Gericht abgewiesen.[11]
Abramowitsch blieb in Russland als Unternehmer aktiv. Im Dezember 2007 wurde eine Beteiligung von Millhouse am russischen Goldproduzenten Highland Gold Mining Ltd in Höhe von 40 Prozent bekannt. Am 25. Juli 2016 stellte Roman Abramowitsch ein Gesuch um eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Er wollte sich in Verbier niederlassen. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) urteilte Anfang 2017, dass Abramowitschs Anwesenheit in der Schweiz als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sowie als Reputationsrisiko für die Schweiz einzuschätzen sei. Abramowitsch sei Fedpol wegen Verdachts auf Geldwäsche und mutmaßlicher Kontakte zu kriminellen Organisationen bekannt. Darüber hinaus würden Fedpol verschiedene polizeiliche Informationen vorliegen, wonach Abramowitsch Kontakte zu russischen kriminellen Organisationen unterhält. Der Ursprung seines Vermögens wurde als mindestens teilweise illegal eingeschätzt. Abramowitsch kontaktierte die Fedpol-Direktorin, die Schweizer Behörden blieben jedoch bei ihrer Einschätzung. Als er erfuhr, dass der Tages-Anzeiger über die Vorgänge rund um sein Gesuch berichten wollte, klagte Abramowitsch zunächst vor dem Zürcher Handelsgericht, wo er scheiterte, und dann beim Bundesgericht. Die Richter wiesen seine Beschwerde im September 2018 ab.[12][13]
Nachdem die britische Regierung im Zuge des versuchten Mordes an Sergei Skripal schärfere Kontrollen zum finanziellen Hintergrund von Investoren einführte, zog Abramowitsch seinen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis in Großbritannien zurück.[13][14]
Abramowitsch ließ sich danach in Israel nieder. Israelische Medien berichteten, dass er schon 2017 ein Anwesen in Tel Aviv erworben habe.[15] Ende Mai 2018 erhielt er die israelische Staatsbürgerschaft; als Kind jüdischer Eltern hat er nach dem Rückkehrgesetz Anspruch auf einen israelischen Pass.[16] Als israelischer Bürger benötigt er für einen Besuch in der Europäischen Union, anders als russische Staatsbürger, kein Visum. Wenn er in Großbritannien arbeiten oder leben möchte, müsste er wieder ein britisches Visum beantragen und sich strengeren Kontrollen zur Herkunft seines Vermögens unterziehen.[13][17] Ende 2021 erhielt Abramowitsch die portugiesische Staatsbürgerschaft aufgrund eines Gesetzes, wonach Portugal Menschen, deren jüdische Vorfahren im 15. Jahrhundert vertrieben wurden, die Staatsbürgerschaft gewährt.[18] Seit Mitte März 2022 ist ihm die Einreise in die EU und das Vereinigte Königreich aufgrund von Sanktionen verwehrt. Abramowitsch lebt heute wieder in Moskau.
Infolge der Finanzkrise ab 2007 verlor er einen Großteil seines Vermögens. Sein Vermögen verringerte sich damals von geschätzten 23,5 Milliarden US-Dollar auf 3,3 Milliarden US-Dollar. Abramowitsch hatte 2013 nach Angaben des Wirtschaftsmagazins Forbes ein geschätztes Netto-Vermögen von 10,2 Milliarden US-Dollar[19] und war damit auf Platz 13 der reichsten Menschen in Russland und auf Platz 107 der reichsten Personen überhaupt (Liste der reichsten Menschen der Welt).
Auf der Forbes-Liste 2021 wurde das Vermögen von Roman Abramowitsch mit ca. 14,5 Milliarden US-Dollar angegeben. Damit belegte er Platz 142 auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt.[20]
Nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine fielen der Kurs des Rubel und der russischen Aktien stark. An der Londoner Börse fiel die Evraz-Aktie stark; der Handel wurde am 10. März ausgesetzt.
Am gleichen Tag verhängte die britische Regierung Sanktionen gegen Abramowitsch und weitere Oligarchen. Abramowitsch verlor die Kontrolle über seine Villa in London (in den Kensington Palace Gardens).[21]
US-Präsident Joe Biden kündigte am 4. März das Aufspüren von Besitztümern der Oligarchen und eine diesbezügliche Koordination mit Kanada und mehrerer europäischer Länder an.[22] Am 14. März 2022 verhängte auch die Europäische Union Sanktionen gegen Abramowitsch und fror dessen Vermögen in der EU ein.[23]
2003 kaufte Abramowitsch für 210 Millionen Euro den englischen Fußballclub FC Chelsea. Bis 2008 hatte er geschätzte 764 Millionen Euro in den Club investiert, hauptsächlich für Ablösesummen und Gehälter.[24] Er selbst ist häufig im Chelsea-Stadion Stamford Bridge anwesend. Sein Verein gewann 2012 gegen den FC Bayern München erstmals die UEFA Champions League.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 übergab Abramowitsch die Verwaltung des FC Chelsea an die Treuhänder seiner gemeinnützigen Stiftung.[25] Am 2. März 2022 gab Abramowitsch ebenfalls bekannt, den Verein verkaufen zu wollen[26]. Der Erlös solle Kriegsopfern des Ukraine-Konfliktes zugutekommen. Der FC Chelsea, auf dem ein Kredit von 1,5 Milliarden Pfund lastet, ist nach Schätzungen mindestens zwei Milliarden Pfund wert.[27][28]
Abramowitsch ist bekannt für den Besitz von extrem teuren Yachten. 2010 erwarb er die 162,5 Meter lange Eclipse für 590 Millionen US-Dollar. Die von der Hamburger Werft Blohm + Voss für ihn gebaute Megayacht war damals die längste Yacht der Welt (heute Platz 3 in der Liste der längsten Motoryachten). Außerdem besitzt er die rund 140 Meter lange Solaris (Baujahr 2021), deren Wert auf 600 Millionen US-Dollar geschätzt wird.[30][31]
Früher besaß Abramowitsch folgende Yachten:[30]
Abramowitsch ist ferner im Besitz mehrerer Flugzeuge, darunter ein Dreamliner.
Die britische Regierung schloss Ende Februar 2022 den Luftraum für russische Flugzeuge sowie Schiffe aus Russland und solche, die sich in russischem Besitz befinden. Davon betroffen waren auch die Yachten und Privatjets einiger russischer Oligarchen.[34] Zwei seiner Yachten waren danach verschwunden, bzw. wurden in Montenegro gesichtet.[35][36]
In Garmisch-Partenkirchen erwarb Abramowitsch das Leitenschlössl und ließ es von 1999 bis 2002 renovieren, erweitern und künstlerisch ausgestalten. Seit 2004 besitzt er das Château de la Croë bei Antibes, das inzwischen aufwändig renoviert wurde.[37] 2006 erwarb er das Waldschlössl in Burgau am Attersee.[38]
2009 kaufte er an der 'Milliardärsstraße' (Kensington Palace Gardens) in London eine Villa (Hausnr. 16) mit 15 Schlafzimmern für 90 Millionen Pfund.[39]
Außerdem kaufte er in Manhattan (New York City) für 74 Millionen US-Dollar vier Stadthäuser in der Upper East Side (East 75th Street Nr. 9, 11, 13 und 15).[40] Sie haben zusammen eine Fläche von 19,400 square feet.[40]
2008 kaufte er zwei Gemälde zu Rekordpreisen: Triptych, 1976 von Francis Bacon (1976) für 57,2 Millionen Euro (Höchstpreis für ein Kunstwerk der Nachkriegszeit) und Benefits Supervisor Sleeping von Lucian Freud (1995) für 22,36 Millionen Euro (damaliger Höchstpreis für ein Werk eines lebenden Künstlers).
Abramowitschs erste Ehefrau war von 1987 bis 1989 Olga, die ein Kind mit in die Ehe brachte. Von 1991 bis März 2007 war er mit der ehemaligen Aeroflot-Stewardess Irina verheiratet, mit der er fünf Kinder hat.[41] Danach war Darja Schukowa, die im September 2008 in Moskau das Garage Museum of Contemporary Art eröffnet hat, seine Lebensgefährtin. Mit ihr hat er zwei Kinder. Das erste wurde am 4. Dezember 2009 in Los Angeles geboren, das zweite am 15. April 2013 in New York.[42] Am 7. August 2017 gab das Paar seine Trennung bekannt.[41]
Abramowitschs verschwenderischer Lebensstil spiegelt sich in seinem CO2-Fußabdruck. Laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2021 zum geschätzten CO2-Fußabdruck von 20 bekannten Milliardären setzte er mit seinem Konsumverhalten (inklusive Wohnsituation, Yachtreisen, Reisen im Privatjet) 31.198,8 Tonnen CO2e frei (2018). Mit diesen Emissionen belegte er mit deutlichem Abstand Platz 1.[43] Sie entsprechen den energiebedingten, für 2019 errechneten CO2-Emissionen von 1017 Katarern (Katar war 2019 das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Ausstoß), 2161 US-Amerikanern, 4027 Deutschen oder 18.461 Indern.[44]
Abramowitsch engagierte sich finanziell für die Verpflichtung von Guus Hiddink als Trainer der russischen Fußballnationalmannschaft (2006 bis 2010).[45]
Die Figur Juri Omovich in dem Film Rock N Rolla von Guy Ritchie (2008) ist ihm nachempfunden.[46]
Personendaten | |
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NAME | Abramowitsch, Roman Arkadjewitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Abramovič, Roman Arkad’evič (wissenschaftliche Transliteration); Абрамович, Роман Аркадьевич (russisch) |
KURZBESCHREIBUNG | russisch-israelisch-portugiesischer Ölunternehmer und ehemaliger Gouverneur der Region Tschukotka |
GEBURTSDATUM | 24. Oktober 1966 |
GEBURTSORT | Saratow, Sowjetunion |
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