Neptun (Seezielflugkörper) | |
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Allgemeine Angaben | |
Typ | Seezielflugkörper |
Heimische Bezeichnung | R-360 Neptun |
Herkunftsland | Ukraine |
Hersteller | Konstruktionsbüro Luch |
Entwicklung | 2013 |
Indienststellung | 2022 (MC) |
Einsatzzeit | im Dienst |
Technische Daten | |
Länge | 5,05 m (mit Booster)[1] |
Durchmesser | 420 mm[1] |
Gefechtsgewicht | 870 kg (mit Booster)[2] |
Spannweite | 1600 mm[3] |
Antrieb Erste Stufe Zweite Stufe |
Feststoffbooster Turbojet |
Geschwindigkeit | Mach 0,8[3] |
Reichweite | 280–300 km[2] |
Ausstattung | |
Lenkung | Trägheitsnavigationsplattform[1] |
Zielortung | aktive Radarzielsuche[3] |
Gefechtskopf | 150 kg Spreng/Splitter |
Waffenplattformen | Landfahrzeuge |
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R-360 Neptun (ukrainisch Р-360 «Нептун») ist ein ukrainischer Seezielflugkörper. Er wird in dem Waffensystem RK-360MC Neptun (РК-360МЦ «Нептун» RK-3690MZ „Neptun“) zur Küstenverteidigung verwendet.[4]
Der R-360-Neptun-Seezielflugkörper wurde im Jahre 2013 angekündigt. Der Flugkörper soll auf Land-, Luft- und Seeplattformen zum Einsatz kommen. Priorität hat für die Ukraine zunächst die Landplattform zur Küstenverteidigung.[5] Eine Variante gegen Landziele wurde 2021 projektiert.[6]
R-360 Neptun basiert stark auf dem Seezielflugkörper Ch-35, an dessen Entwicklung das Kiewer Konstruktionsbüro Luch noch zur Zeit der Sowjetunion beteiligt war. Auch andere ukrainische Unternehmen waren damals involviert, so Motor Sitsch mit der Entwicklung und Produktion der R95-300-Triebwerke sowie das Flugzeugwerk Charkiw mit der Endmontage.[7][5]
Die Entwicklung des R-360 Neptun gestaltete sich schwierig. Zum einen verfügte die Ukraine nur über einen kleinen Verteidigungshaushalt und der Modernisierungsbedarf für das gesamte ukrainische Militär war groß. Zum anderen bedeutete der Euromaidan im Jahre 2013 den Bruch mit Russland und somit das Ende der Zusammenarbeit mit russischen Zulieferbetrieben.[5] Da die Ukraine spätestens seit der Annexion der Krim 2014 über keine schlagkräftige Marine mehr verfügt, sind Seezielflugkörper das vorrangige Mittel, um die Küsten wieder schützen zu können. Ein Ankauf von Mustern oder Komponenten für einen Seezielflugkörper aus der „westlichen Welt“ wurde verweigert. Die Entwicklung eines so komplexen Waffensystems bedeutet eine große Anstrengung der ukrainischen Industrie. Es wird aber auch als Gelegenheit angesehen, eine High-Tech-Waffenindustrie zu formen.[7]
Die Entwicklung des Gesamtsystems führte das staatseigene Entwicklungsbüro Luch in Kiew. Das Neptun-Projekt ist eine Zusammenarbeit vieler ukrainischer Unternehmen, darunter Orizon-Navigation, Radionix, Telekart-Pribor, UkrInMash, Ukrainian Armor, Artem, Maschinenfabrik Zhulyany (VIZAR), Motor-Sich und KrAZ.[8][7]
2018 erfolgte, werbewirksam inszeniert, der erste erfolgreiche Flugtest.[5]
Ende des Jahres 2020 bestellte die Ukraine für 26 Millionen US-Dollar Ausrüstung für eine vollständige RK-360MC-Einheit.[9] Im Juli 2021 verhandelte Indonesien über den Kauf des Systems.[10]
Nach einer Mitteilung des Oberkommandierenden der ukrainischen Seestreitkräfte Oleksij Nejischpapa von Dezember 2021 sollte die erste mit den Neptun ausgerüstete Division im April 2022 aufgestellt werden.[9] Der im Februar 2022 erfolgte russische Überfall auf die Ukraine kam dem zuvor.[11]
Am 14. April 2022 kam es auf dem russischen Lenkwaffenkreuzer Moskwa vor der Küste der Ukraine zu einer schweren Explosion; das Schiff sank daraufhin beim Abschleppversuch vor Sewastopol. Nach Verlautbarungen des operativen Kommandos Süd der ukrainischen Streitkräfte war das Schiff von zwei Neptun-Flugkörpern getroffen worden. Nach russischen Angaben war ohne Feindeinwirkung an Bord ein Brand ausgebrochen, der Munition detonieren ließ.[12] Das US-Verteidigungsministerium bestätigte am 15. April 2022 die ukrainische Angabe, dass der Untergang auf die Einwirkung von zwei ukrainischen Neptun-Raketen zurückging.[13]
R-360 Neptun basierte auf dem Ch-35. Gegenüber Ch-35 ist Neptun mit fünf Metern länger und verfügt über ein neues Trägheitsnavigationssystem mit einem aktiven Suchradar.[5][7] Das Suchradar hat eine Reichweite von 50 km.[9]
Der Booster stammt von der S-125-Flugabwehrrakete, das Marschtriebwerk ist ein MS-400.[9] Dabei ist das MS-400-Mantelstromtriebwerk eine Weiterentwicklung des bereits zu Sowjetzeiten von Motor Sitsch gebauten R95-300.[14]
Der Start von R-360 Neptun kann dabei bis 25 km von der Küste entfernt im Landesinneren durchgeführt werden.[7] Beim Verlassen des Startbehälters entfalten sich die Leitflächen. Die Booster-Stufe wird beim Start verwendet und später abgeworfen.[15] Die Flughöhe beträgt auf dem Marschflug 10 bis 30 Meter, beim Zielanflug nur 4 bis 5 Meter.[7] Die Geschwindigkeit beträgt 900 km/h.[8] Die Reichweite wird mit 280 bis 300 km angegeben.[7]
R-360 wiegt 870 kg, davon entfallen 150 kg auf den Sprengkopf.[8] Damit sollen Schiffe bis zu einer Tonnage von 5000 BRT, die Größe einer Fregatte, versenkt werden können.[5] Die R-360 soll unter allen Wetterbedingungen funktionieren und elektronischen Gegenmaßnahmen standhalten.[4]
Eine typische RK-360MC-Einheit besteht aus einem RCP-360-Feuerleitfahrzeug, sechs USPU-360-Starterfahrzeugen sowie zwölf TM-360-Transport- bzw. TZM-360-Transport-/Ladefahrzeugen. Jedes Starter- bzw. Transportfahrzeug trägt dabei eine TPK-360-Verladeeinheit mit je vier Transport-/Startbehältern mit je einem R-360 Neptun. Somit verfügt die Einheit über insgesamt 72 Seezielflugkörper.[4][7][8][9]
Das System ist auf Lastkraftwagen montiert. Bei dem Erprobungssystem wurden KrAZ-7634NE für das Starterfahrzeug und KrAZ-6322 für die übrigen Fahrzeuge verwendet.[7] Bei den späteren Fahrzeugen wurden hingegen Fahrgestelle von Tatra verwendet.[16][9]
Eine RK-360MC Neptun soll mit einem Mineral-U-Radarfahrzeug zusammenarbeiten. Das Radar hat eine Reichweite von 600 km. Das Einsatzszenario könnte so aussehen, dass die ukrainische Marine feindliche Schiffe mit Drohnen (z. B. Bayraktar TB2) aufklärt. Das Mineral-U-Radar würde dann eingeschaltet werden, um die genauen Zielkoordinaten zu bestimmen. Danach würde man das Radar abschalten, um das Risiko der Entdeckung zu minimieren. Der Seezielflugkörper würde in das Zielgebiet fliegen und erst im Zielendanflug das eigene Suchradar für die Zielsuchlenkung aktivieren.[9]
Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2022-04-27 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=12194139