Annexion der Krim 2014
Referendum über den Status der Krim
Krieg im Donbas von April 2014 bis Februar 2022
Referendum im Osten der Ukraine – I. Schlacht um den Flughafen Donezk – Flug MH17 – Kampf um Mariupol 2014 – Schlacht um Ilowajsk – Protokoll von Minsk – II. Schlacht um den Flughafen Donezk – Minsk II – Kampf um Debalzewe – Kampf um Schyrokyne – Zwischenfall vor der Krim 2018
Russischer Überfall auf die Ukraine 2022
Chronologie – Schlacht um Kiew – Schlacht um Charkiw – Belagerung von Mariupol – Massaker von Butscha – Angriff auf den Bahnhof von Kramatorsk
Als Massaker von Butscha wird eine Reihe von Kriegsverbrechen in der Stadt Butscha (Oblast Kiew) bezeichnet, die während der Schlacht um Kiew mutmaßlich durch Angehörige der russischen Streitkräfte an der Zivilbevölkerung begangen wurden. Während der russischen Besetzung des Vorortes von Kiew fanden laut ukrainischen Angaben 403[1] (Stand: 12. April) Zivilisten den Tod, deren Leichen teilweise auf den Straßen lagen.[2][3] Russland wird vorgeworfen, gezielt ein Massaker an ihnen verübt zu haben.[4][5] Die russische Regierung bestreitet eine Beteiligung russischer Soldaten.[6][7]
Vor dem Krieg war Butscha einer der begehrtesten Pendlervororte von Kiew. Eingebettet zwischen Tannenwäldern und einem Fluss, hatte es moderne Einkaufszentren und neue Wohnkomplexe sowie altmodische Sommerhütten inmitten von Gärten und Bäumen. Der russische Schriftsteller Michail Bulgakow hatte dort ein Sommerhaus. Am 24. Februar 2022, dem ersten Tag des Krieges, näherten sich russische Spezialeinheiten zu Fuß durch den Wald und schossen auf Autos auf der Straße. Eine Kolonne gepanzerter Fahrzeuge fuhr in den Vorort, schoss auf eine Frau in ihrem Garten und tötete sie. Aber diese frühen Grausamkeiten verblassten im Vergleich zu dem, was danach kam.[8] Eine Gemeinderätin berichtete laut Meduza, es habe spätestens ab dem 8. März 2022 keinen Strom und kein Wasser mehr gegeben und Kommunikationsantennen seien absichtlich zerstört worden. Die russischen Truppen seien derart hart vorgegangen, dass es im Gegensatz zu anderen Orten keine Kundgebungen gegen die Besetzer gegeben habe, obwohl darüber diskutiert worden sei. Verschiedene Einheiten hätten sich unterschiedlich brutal verhalten. Eine Einheit, die für den Abtransport der getöteten und verletzten Russen zuständig war, habe Diesel an das Krankenhaus abgegeben. Trotzdem seien Menschen auch an Mangel von Nahrung und Medikamenten gestorben.[9] Als der russische Vormarsch auf Kiew angesichts des erbitterten Widerstands ins Stocken geriet, verwandelte sich die feindliche Besetzung in einen Terror- und Rachefeldzug. Als sich eine besiegte und demoralisierte russische Armee schließlich zurückzog, hinterließ sie ein Bild des Grauens: Leichen toter Zivilisten auf Straßen, in Kellern oder Hinterhöfen, viele mit Schusswunden am Kopf, einige mit auf den Rücken gefesselten Händen.[8] Die ukrainische Armee drang am 1. April kampflos in die Stadt ein. Am 2. April 2022 wurde ein erstes Video auf Twitter veröffentlicht, das neun tote Menschen auf der Straße zeigt und von der Washington Post verifiziert wurde.[10]
Laut dem Kyiv Independent wurden am 4. März 2022 zwei Männer und eine Frau getötet, als ihr Auto von einem russischen gepanzerten Fahrzeug beschossen wurde.[11] Wie Human Rights Watch mit Interviews dokumentierte, wurden am gleichen Tag fünf Männer gezwungen, am Straßenrand zu knien, ihnen wurde ihre T-Shirts über den Kopf gezogen und einem der Männer wurde in den Hinterkopf geschossen.[12] Am 5. März 2022 wurden zwei Familien, die in ihren Autos aus Butscha zu fliehen versuchten, von einem russischen gepanzerten Fahrzeug beschossen. Dabei kamen laut dem Kyiv Independent vier Menschen ums Leben.[13] Am 12. März waren nach unterschiedlichen Angaben im Stadtzentrum von Butscha 57 bis 67 Zivilisten hinter einer Kirche in einem Massengrab beigesetzt worden. Zu den Todesumständen liegen keine Angaben vor.[14][15] Nach Darstellung von Meduza suchten die russischen Truppen wohl systematisch ehemalige Militärangehörige – auch ein Sohn eines verstorbenen ATO-Veteranen (ATO war die Bezeichnung für das militärische Vorgehen gegen die regierungsfeindlichen Kräfte in der Ostukraine 2014) sei erschossen worden.[9] Eine Person beschrieb Folterspuren bei aufgefundenen Körpern.[16][17]
Nach Abzug der russischen Truppen berichteten Vertreter der Ukraine, in Butscha noch lebende Bewohner sowie dort eingetroffene Journalisten von während der russischen Besatzung erschossenen Frauen und Kindern, von vergewaltigten und anschließend getöteten Frauen, deren Leichname nackt hinter Hecken oder in Gebäuden zurückgelassen wurden, von beispielsweise durch Abschneiden von Körperteilen gefolterten Bewohnern, von Leichnamen von Zivilisten, die überall im Stadtgebiet in Gebäuden und Kellern, in der Kanalisation oder auf offener Straße aufgefunden wurden. Die Vorfälle wurden durch zahlreiche Foto- und Videoaufnahmen sowie erste Zeugenaussagen dort noch lebender Bewohner dokumentiert.[18] Mehrere Zeugen aus der Stadt berichteten, russische Truppen hätten gezielt Hunderte Zivilisten in Gebäuden und auf offener Straße erschossen, egal ob es sich dabei um Männer, Frauen, Kinder oder ältere Menschen gehandelt habe.[19] Laut Angaben des Bürgermeisters von Butscha, Anatolij Fedoruk, wurden dort (mit Stand 2. April 2022) 280 Menschen in Massengräbern beigesetzt.[20] Unabhängige Journalisten der Nachrichtenagentur AFP zählten 20 Leichen in ziviler Kleidung allein auf einer Straße.[4] Verschieden Medien veröffentlichten Bilder von Erschossenen in Zivilkleidung, deren Hände auf dem Rücken gebunden waren.[5][21] Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtete eine Angehörige eines Getöteten, dass sechs unbewaffnete Männer wenige Tage nach der Invasion in Butscha festgenommen und später erschossen worden seien. Laut dem Kyiv Independent haben russische Soldaten vier Zivilisten in einem Auto mit der Aufschrift „Kinder“ erschossen.[22] Eine nicht näher beschriebene Person, die während der ganzen russischen Besatzung in Butscha ausgehalten hatte, berichtete dem Schweizer Fernsehen RTS, dass es „wie auf einer Safari“ gewesen sei; die Russen hätten auf jeden und alles geschossen. „Sie waren alle betrunken. Sie sagten: ‚Wir haben den Befehl, euch alle zu töten.‘ Sie gingen von Eingang zu Eingang, von Keller zu Keller und holten die Leute heraus.“ Ein anderer Mann schilderte, die Russen hätten Tränengasgranaten in den Keller geworfen, die Menschen herausgetrieben, der erste, der herausrannte, ein Jugendlicher, sei direkt in den Kopf geschossen worden.[23]
Die New York Times konnte durch Vergleich von Satellitenaufnahmen von Maxar, die während und nach der russischen Besetzung der Stadt aufgenommen wurden, nachweisen, dass später aufgefundene Leichen von Zivilisten schon während der russischen Besatzung exakt an den gleichen Stellen lagen, an denen sie direkt nach dem Abzug der russischen Truppen aufgefunden und dokumentiert wurden.[24] Weiter wurde ein Anfang März 2022 vom ukrainischen Militär aufgenommenes Drohnen-Video von Anfang März[25] bekannt, das den gezielten Angriff von zwei russischen Schützenpanzern auf einen Zivilisten zeigt, der ein Fahrrad über den Gehweg schiebt. Nach dem Abzug der russischen Truppen wurde ein Leichnam mit einem Fahrrad an dieser Stelle aufgefunden und dokumentiert.[26][27] Dies sowie die exakte Zuordnung der Leichenfundorte durch während Anwesenheit russischer Militärtechnik vorgenommene Drohnenaufnahmen[28] stehen der Behauptung Russlands entgegen, die Leichen seien dort erst nach der Rückkehr der ukrainischen Armee deponiert worden. Ein mit Zeitstempel vom 1. April gefilmtes Video zeigt mehrere Leichen, die über die Jablunska-Straße verstreut sind; die Satellitenbilder von Maxar zeigen, dass mindestens 11 von ihnen seit dem 11. März 2022 (als Russland auch nach eigenen Angaben die Stadt unter seiner Kontrolle hatte) auf der Straße lagen.[29][30] Von der Frankfurter Allgemeine Zeitung in Butscha aufgefundene Prüfzettel für Mörsergranaten weisen auf die Einheit Nummer 74268, ein Regiment der 76. Garde-Luftlande-Division aus der westrussischen Stadt Pskow hin. Deren Spur führt in den Tschetschenienkrieg und zur Donbass-Invasion am Beginn des Ukrainekriegs 2014.[31] Zudem gehören auch Angehörige der Gruppe Wagner zu den mutmaßlich Beteiligten.[32]
Die Ermittler werden durch ausländische Spezialisten unterstützt, am 12. April trafen Forensiker der französischen Gendarmerie vor Ort ein.[33]
National
International
Mehrere Vertreter europäischer Länder, der EU sowie der USA verurteilten die Vorkommnisse scharf.[35]
Russland
Vereinte Nationen
Nach Meinung des Militärexperten und Professors an der Universität der Bundeswehr in München Carlo Masala handelt es sich bei dem Massaker um einen wesentlichen Bestandteil der regelmäßigen russischen Militärstrategie, um die Bevölkerung der Ukraine zu demoralisieren, die man schon aus anderen russischen Militäreinsätzen her kenne.[46][47]
Ein Grund für Verbrechen in früheren Kriegen falle weg, so der Historiker Boris Sokolow: Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen seien in anderen Fällen einer langen Dauer des Krieges geschuldet gewesen, was aber im Falle des Überfalls auf die Ukraine nach kürzester Zeit nicht der Fall sein könne. „Zu diesem Zeitpunkt konnten die Soldaten noch nicht des Krieges müde werden, sie konnten diesbezüglich keine Rachegefühle gegenüber den Ukrainern haben und es gab keine Kriminellen in ihren Reihen“. Ein Hauptmotiv sei vielmehr mutmaßlich das Gefühl der Straffreiheit.[48]
Zu den Opfern des Massakers gehört der Übersetzer Oleksandr Kysljuk. Er wurde in der Nähe seines Hauses erschossen.
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