Madame Bovary, in älteren Übersetzungen auch Frau Bovary, ist ein Roman von Gustave Flaubert. Er gilt als eines der großen Werke der Weltliteratur aufgrund der seinerzeit neuartigen realitätsnahen Erzählweise. Die Handlung ist einem Zeitungsbericht von 1848 aus dem Journal de Rouen entnommen, der über das Schicksal der Arztgattin Delphine Delamare aus Ry bei Rouen berichtete.[1] Dieser veranlasste Flaubert zur Ausgestaltung seines Gesellschaftsromanes, der den Untertitel Ein Sittenbild aus der Provinz trägt.
Der Roman wurde zunächst 1856 in der Zeitschrift La Revue de Paris zensiert veröffentlicht; daraufhin wurde Flaubert von der Zensurbehörde wegen „Verstoßes gegen die guten Sitten“ angeklagt; unter anderem wurde ihm „Verherrlichung des Ehebruchs“ vorgeworfen. In einem Prozess wurde Flaubert freigesprochen. 1857 erschien die vollständige Romanausgabe in Buchform im Verlag Lévy Frères in Paris.[2]
Die Hauptperson des Romans ist Emma, die nach dem Tod der Mutter allein mit ihrem Vater auf dessen Hof lebt. Sie heiratet den verwitweten Landarzt Charles Bovary, der die schöne Frau verehrt. Sie verspricht sich von der Heirat ein gesellschaftlich aufregenderes Leben und ist bald von dem Dorfalltag und ihrem recht einfach strukturierten Mann gelangweilt. Die Sorge um ihren sich verschlechternden Gesundheitszustand und ihre Klagen über ihren Wohnort veranlassen Charles, in eine andere Ortschaft umzuziehen; er nimmt an, dass seiner Frau eine Luftveränderung guttun werde. In Yonville angekommen, freunden sich beide schnell mit dem Apotheker Homais und dessen Familie an. In Homais’ Haus lebt auch der Kanzlist Léon, mit dem Emma eine Art Seelenverwandtschaft (begründet in ihrer beider Interesse für Literatur und Musik) entdeckt.
Auch die Geburt der Tochter Berthe ändert nichts daran, dass Emma zunehmend unzufrieden ist, unter Depression und Stimmungsschwankungen leidet. Als Léon nach Paris umzieht, trauert sie ihm nach wie einer verlorenen Liebe und steigert sich, um den Verlust zu kompensieren, in eine Luxussucht hinein. Bei dem Händler Lheureux verschuldet sie sich immer mehr.
Sie lernt den Grundbesitzer Rodolphe kennen, der seinen Diener von Charles behandeln lässt. Bei einem Ausritt lässt sie sich von ihm verführen. Sie steigert sich in eine kopflose Liebe zu Rodolphe hinein, der seinerseits in ihr nur eine nette Abwechslung sieht. Durch teure Geschenke für ihren Liebhaber und luxuriöse Kleidung und Einrichtungsgegenstände verschuldet Emma die Familie immer mehr (wobei ironischerweise die Kleider, für die sich Emma Bovary verschuldet, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Romans bereits passé sind).[3] Sie schreckt auch nicht davor zurück, Charles diesbezüglich zu hintergehen. Sie plant, mit Rodolphe zu fliehen. Dieser verlässt sie kurz vor der geplanten Flucht, woraufhin Emma schwer erkrankt. Sie erholt sich wieder, und Charles fährt mit ihr zur Abwechslung ins Theater nach Rouen, wo sie Léon wiedertreffen. Emma beginnt eine Affäre mit Léon und lügt Charles vor, Klavierstunden zu nehmen, um ihren Geliebten treffen zu können.
Währenddessen hat der Händler Lheureux, dem sie zahlreiche Wechsel unterschrieben hat, diese weitergegeben. Den Bovarys droht die Pfändung, doch Emma belügt Charles noch immer und bittet Léon um das Geld, der ihr aber nicht helfen kann. Sie sucht Rodolphe auf und bietet sich diesem an; er kann oder will ihr nicht aus der finanziellen Notlage helfen. In ihrer Verzweiflung verschafft sich Emma mit einem Trick Zutritt zu dem Giftraum des Apothekers Homais, wo sie Arsen schluckt. Nach einem grauenvollen Todeskampf stirbt sie.
Charles kommt nicht über Emmas Tod hinweg, zudem bewirken die noch offenen finanziellen Forderungen und Pfändungen bald, dass er mit Tochter Berthe in Armut und Elend lebt. Als er die Briefe von Léon und Rodolphe an Emma findet, ist er ein gebrochener Mann und stirbt kurze Zeit später. Die Tochter wird zuerst zur Großmutter gegeben, die aber ebenfalls bald verstirbt, weshalb das Mädchen bei einer verarmten Tante landet, die es zum Geldverdienen in eine Baumwollspinnerei schickt.
Flaubert verzichtet in seinem Werk auf den Ich-Erzähler, wie er seit der Romantik vorherrschte, und bedient sich stattdessen einer personalen Erzählweise. Wichtig ist ihm dabei die impartialité, also die Unparteilichkeit des Erzählers. Er verzichtet daher auf Kommentare, Bewertungen oder Schlussfolgerungen. Trotz der Wahl der neutralen Erzählsituation entsteht bei der Darstellung seiner Romanfiguren der Eindruck einer Innenperspektive, was das Resultat einer subtilen Leserlenkung ist, die durch die Verwendung des style indirect libre erzielt wird.
Ein Zitat Flauberts verdeutlicht seine Anschauungen über das Verhältnis von Autor bzw. Erzähler und Roman: «L’auteur, dans son œuvre, doit être comme Dieu dans l’univers, présent partout et visible nulle part.» („Der Autor muss in seinem Werk wie Gott im Weltall sein, überall anwesend und nirgends sichtbar.“) (Brief vom 9. Dezember 1852). Diese Auffassung half ihm auch bei seiner Verteidigung vor Gericht, vor dem er sich wegen "Verstoßes gegen die guten Sitten" verantworten musste, da sein Werk zu viel Aufsehen erregte. So könne man ihm nichts vorwerfen, da er nur zitiert und beschreibt, aber keine eigene Meinung im Buch äußert.
Flauberts erzählerischer Realismus lebt von seiner Liebe zum Detail. Seine Beschreibungen sind dabei so gut formuliert und miteinander verbunden, dass der Leser scheinbar seine eigenen Schlüsse über die beschriebenen Personen oder Gegenstände zieht. Bereits in der ersten Szene beschreibt Flaubert die Mütze des Schülers Charles Bovary auf eine Art, dass man den Menschen, der so etwas trägt, genau zu kennen meint. Interessant hierbei ist, dass Flaubert selbst es strikt ablehnte, seine Romane dem Realismus zuordnen zu lassen.
Darüber hinaus ist Flaubert imstande, Szenen so zu schildern, dass Kommentare durch einen Erzähler überflüssig werden. Der Sprach- und Literaturwissenschaftler Wolfgang Lehmann analysiert Flauberts Stil ebenfalls in dieser Richtung: „Flaubert selbst nennt drei Grundsätze für seine eigene Beziehung zu den Figuren und der Handlung: impersonnalité, impassibilité, impartialité.“[4]
Neben den autobiografischen Bezügen enthält der Roman verschiedene Hinweise auf tatsächliche Ereignisse und Orte, die zum Teil verschlüsselt sind. Beispielsweise steckt im Namen der Titelheldin der Name der Ortschaft Ry, wo die Arztehefrau Veronique Delphine Delamare (geb. Couturier, 17. November 1822 – 5. März 1848)[6] lebte, deren tragische Lebensgeschichte die Grundlage des Romanes bildet.
Madame Bovary wurde in die ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher aufgenommen. Den Essay über den Roman verfasste Eberhard Lämmert.
Jahr | Spielfilm- und Fernsehfilmtitel | Produktionsland | Regisseur | Darstellerin der Bovary |
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1934 | Madame Bovary | Frankreich | Jean Renoir | Valentine Tessier |
1937 | Madame Bovary | Deutsches Reich | Gerhard Lamprecht | Pola Negri |
1947 | Madame Bovary | Argentinien | Carlos Schlieper | Mecha Ortiz |
1949 | Madame Bovary und ihre Liebhaber | Vereinigte Staaten | Vincente Minnelli | Jennifer Jones |
1968 | Madame Bovary (TV) | Deutschland | Hans Dieter Schwarze | Elfriede Irrall |
1969 | Die nackte Bovary | Deutschland/Italien | Hans Schott-Schöbinger | Edwige Fenech |
1974 | Madame Bovary (TV) | Frankreich | Pierre Cardinal | Nicole Courcel |
1975 | Madame Bovary (TV) | Vereinigtes Königreich | Rodney Bennett | Francesca Annis |
1991 | Madame Bovary | Frankreich | Claude Chabrol | Isabelle Huppert |
1991 | Madam Bowari ot Sliwen (Мадам Бовари от Сливен) |
Bulgarien | Emil Zanew (Verlegung der Handlung nach Bulgarien) |
Eli Skortschewa (anderer Rollenname) |
1992 | Maya Memsaab | Indien/Frankreich | Ketan Mehta | Shreeram Lagoo |
2000 | Madame Bovary (TV) | Vereinigte Staaten | Tim Fywell | Frances O’Connor |
2014 | Madame Bovary | Vereinigte Staaten | Sophie Barthes | Mia Wasikowska |
2014 | Gemma Bovery – Ein Sommer mit Flaubert | Frankreich | Anne Fontaine | Gemma Arterton |
Nina Grosses Drama In der Falle (2014) platziert das Buch anspielungsreich im Hotelzimmer-Schauplatz.
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