Josef Ritter von Gadolla (* 14. Januar 1897 in Graz; † 5. April 1945 in Weimar) war ein österreichisch-deutscher Oberstleutnant. Als „Kampfkommandant“ von Gotha in Thüringen sorgte er am Ende des Zweiten Weltkriegs dafür, dass die Stadt vor umfangreichen Zerstörungen bewahrt blieb.
Josef Ritter von Gadolla wurde in Graz als Sohn einer steirischen Adelsfamilie geboren. 1904 bis 1909 besuchte er die fünfklassige Volksschule in Graz.
In der Tradition seiner Offiziersfamilie besuchte er eine Militärschule in der Steiermark und absolvierte ab 1913 die Infanterie-Kadettenschule in Graz. Nach der Ausmusterung am 17. August 1917 erhielt er eine Abkommandierung an die Italienfront. Als Zugkommandant wurde er am 1. Mai 1918 zum Leutnant befördert. Am 1. August 1919 trat von Gadolla in die Armee der neu gegründeten Republik Österreich ein. Als Hauptmann diente er 1933 im Steirischen Alpenregiment Nr. 9. 1936 erhielt er seine Beförderung zum Major und wechselte zur neuen österreichischen Fliegertruppe.
Noch während seiner Zeit in Österreich heiratete Josef Ritter von Gadolla die geborene Alma Sampl. Die Heirat galt als nicht standesgemäß. 1926 wurde Tochter Ingeborg geboren, später verehelichte Smith, verstorben 1999 im australischen Perth.
Ab 1938 wurde von Gadolla nach der Angliederung Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland in die Luftwaffe als Sachbearbeiter übernommen. Danach arbeitete er im Wehrbezirkskommando Marktredwitz. Als Oberstleutnant wurde er am 1. Juni 1943 erster Wehrbezirksoffizier und später Kommandeur des Wehrmeldeamtes Gotha, welches sich im Gebäude des heutigen Einkaufszentrums Kaufland befand. Im Januar 1945 wurde von Gadolla zum Wehrmachtsstandortältesten und danach zum „Kampfkommandanten“ Gothas ernannt.
Seine Frau Alma und Tochter Ingeborg zogen mit ihm nach Marktredwitz und blieben auch dort, während er in Gotha war.
Als Wehrmachtsstandortältester und späterer Kampfkommandant Gothas wurde Josef Ritter von Gadolla am 1. Februar 1945 auf das Militärstrafgesetzbuch verpflichtet, in dem verankert war, dass der zuständige Kampfkommandant den ihm übertragenen Standort bis zum Tode zu verteidigen habe.
Ab Februar 1945 war die Kommandozentrale des Kampfkommandanten im Keller des Ostturmes des Schlosses Friedenstein untergebracht. Eine Bombardierung im Zusammenhang mit dem Vorrücken der amerikanischen Truppen hätte damit die Zerstörung des Schlosses bedeutet.
Als Ende März/Anfang April 1945 die amerikanischen Truppen vor den Toren der Stadt Gotha standen, stand von Gadolla vor der Frage, ob und wie die Stadt zu verteidigen sei. Da keine nennenswerte Anzahl von Soldaten und Mengen an Gerät in Gotha waren und sich auch die örtlichen Nazigrößen bereits in Richtung Erfurt und Weimar abgesetzt hatten, entschloss er sich, dem Kampfbefehl nicht Folge zu leisten und Gotha kampflos an die Amerikaner zu übergeben.
So schickte Ritter von Gadolla die Reste des einheimischen Volkssturms nach Hause und gab zum Schutze der Zivilbevölkerung den Befehl, die Kapitulation vorzubereiten. Auf öffentlichen Plätzen wie auch auf Schloss Friedenstein wurden weiße Fahnen gehisst. Um die Kapitulation zu übermitteln, fuhr von Gadolla den Panzerspitzen der 3. US-Panzerdivision entgegen, wurde aber von Wehrmachtssoldaten in Boilstädt abgefangen und nach Weimar in die Mackensen-Kaserne am Ettersberg überführt.
Im Morgengrauen des 4. April 1945 stoppten die Amerikaner den Beschuss der Stadt, nachdem die weißen Fahnen auf Schloss und Rathaus gesichtet worden waren. Bereits vor dem Überflug einer alliierten Bomberflotte hatten amerikanische Streitkräfte die Arnoldischule und die Handelsschule in der Eisenacher Straße besetzt, die als Lazarette genutzt wurden. In den Gebäuden wurden 400 verwundete Soldaten zu Kriegsgefangenen erklärt. Ebenfalls in den frühen Morgenstunden kam ein Amerikaner gemeinsam mit einem deutschen Unteroffizier als Dolmetscher ins Rathaus zur Klärung der Bedingungen für die Übergabe der Stadt. Gespräche zur Vorbereitung wurden erneut in der bereits besetzten Arnoldischule geführt und abschließend zurück im Rathaus eine bedingungslose Übergabeerklärung formuliert. Gegen 9:00 Uhr am Morgen fand die förmliche Übergabe der Stadt an die Amerikaner statt. Obwohl Gadolla selbst die Stadt nicht übergeben konnte, hatte er als verantwortlicher Kommandant bewusst gegen den Führerbefehl gehandelt und mit diesem Entschluss der Stadt die Zerstörung und den Einwohnern schweres Leid erspart. Diesen beherzten Entschluss bezahlte er mit seinem Leben. Einen Tag nach der Kapitulation Gothas wurde von Gadolla am 5. April 1945[1] in der Weimarer Mackensen-Kaserne wegen der „Aufgabe des festen Platzes Gotha“ zum Tode verurteilt und standrechtlich erschossen. Als seine letzten Worte sind überliefert: „Damit Gotha leben kann, muss ich sterben!“ Mit dem Todesurteil wurde von Gadolla ein Opfer der NS-Militärjustiz. Das Grab von Josef von Gadolla wurde nie gefunden. Auch die Verantwortlichen für das Todesurteil konnten nie ermittelt werden. Das Urteil wurde am 30. Dezember 1997 durch das Thüringer Oberlandesgericht aufgehoben und er damit rehabilitiert.[2] Von der Republik Österreich wurde er bereits am 23. März 1948 rehabilitiert.
Josef Ritter von Gadolla rettete durch die Missachtung militärischer Befehle neben der Zivilbevölkerung den historischen Stadtkern sowie den ehemaligen Stammsitz der Ernestiner, die Residenzschlossanlage Friedenstein vor der Zerstörung. 30 Jahre später wurde der westliche Teil der Altstadt allerdings abgerissen und durch Plattenbauten ersetzt. In Gotha erinnern heute eine nach ihm benannte Straße, eine Tafel auf Schloss Friedenstein mit seinen letzten Worten und eine Gedenkstelle vor dem Neuen Rathaus in Gotha an den Retter der Stadt, dem am 1. Februar 1995 durch den Stadtrat der Titel „Verdienter Bürger der Stadt Gotha“ verliehen worden ist.[3] Die militärische Traditionspflege übernimmt seit März 2001 das in Gotha stationierte Aufklärungsbataillon 13, dessen Festsaal in der Friedenstein-Kaserne nach von Gadolla benannt ist.
Am 3. April 2015 wurde in Boilstädt, einem Ortsteil der Stadt Gotha, ein Gedenkstein mit Informationstafel eingeweiht; bei der Einweihung war die Nichte Gadollas, Helma-Doris Leinich aus Graz, anwesend.[4]
Anant Kumar, Stadtschreiber von Gotha, richtete 2015 für die Gothaer Schulen einen Wettbewerb aus, in dem ein Kurzessay „über die Erben von Mohandas Karamchand Gandhi, Doktor Martin Luther King und Josef Ritter von Gadolla“ verfasst werden sollte.[5]
In Graz wurde 2000 im 17. Bezirk (Puntigam) der Gadollaweg nach ihm benannt.[6] Am 5. April 2013 wurde vor der Grazer Münzgrabenkirche ein Denkmal zu seinen Ehren enthüllt.[7]
Im September 2014 beschloss der Grazer Gemeinderat, den Platz gegenüber der Stadthalle, zentral im 6. Bezirk, „Gadollaplatz“ zu nennen.[8] Niko Swatek beantragte Ende Oktober 2019 im Grazer Gemeinderat die Ehrenbürgerschaft für Gadolla.[9]
Josef von Gadolla wurde im Jahr 2015 als Glaubenszeuge in der 6. Auflage des Deutschen Martyrologiums des 20. Jahrhunderts aufgenommen.
Nachdem das Thüringer Innenministerium 2017 erstmals der postumen Verleihung einer Ehrenbürgerschaft zugestimmt hatte, wurde Gadolla im Mai 2018 zum Ehrenbürger Gothas ernannt.[10]
2020 produzierte das MDR-Fernsehen eine Dokumentation über Gadolla „Der Retter von Gotha – Ritter von Gadolla“. Als Fachberater wurde der deutsche Militärhistoriker Jürgen Möller hinzugezogen, der insbesondere über die amerikanische Besetzung 1944/45 in Mitteldeutschland forscht.[11]
Personendaten | |
---|---|
NAME | Gadolla, Josef von |
ALTERNATIVNAMEN | Gadolla, Josef Ritter von |
KURZBESCHREIBUNG | österreichisch-deutscher Offizier |
GEBURTSDATUM | 14. Januar 1897 |
GEBURTSORT | Graz |
STERBEDATUM | 5. April 1945 |
STERBEORT | Weimar |
Der Artikel Josef von Gadolla in der deutschen Wikipedia belegte im lokalen Ranking der Popularität folgende Plätze:
Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2021-06-13 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=1459685