Javier Gerardo Milei, [xaˈβjeɾ miˈlej] , (* 22. Oktober 1970 in Palermo, Buenos Aires) ist ein argentinischer Ökonom, Autor und Politiker (Partido Libertario). Seit seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl 2023 ist er designierter Präsident Argentiniens. Er gilt als rechtspopulistisch und/oder „ultraliberal“. Der Anhänger der Österreichischen Schule und des Anarchokapitalismus ist der Gründer der libertären, konservativen und ultrarechten Parteienkoalition La Libertad Avanza und seit 2021 Mitglied des argentinischen Parlaments (Cámara de Diputados de la Nación Argentina).
Milei wurde 1970 als Sohn eines Busfahrers und späteren Transportunternehmers in eine Familie italienischer Herkunft geboren.[1] Er hat laut Berichten ein schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern. Sein Vater schlug ihn in seiner Kindheit häufig mit Gürteln, so auch nach dem Beginn des Falklandkriegs 1982 wegen eines Mangels an „Patriotismus“.[2] Er spielte bis 1989 als Torhüter in den unteren Mannschaften des Fußballvereins Chacarita Juniors, wo er den Spitznamen El Loco („der Verrückte“) erhielt.[3][2]
Er erwarb einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Belgrano und zwei Master-Abschlüsse am Instituto de Desarrollo Económico y Social (IDES) und an der Privatuniversität Torcuato di Tella.[4] Er wurde Chefvolkswirt bei Máxima AFJP (einer privaten Rentenversicherungsgesellschaft), Chefvolkswirt bei Estudio Broda (einem Finanzberatungsunternehmen) und Regierungsberater beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten und veröffentlichte mehrere Bücher. Er arbeitete auch als Wirtschaftswissenschaftler bei HSBC und als Titularprofessor an der Universidad de Belgrano[5] und der Universidad Argentina de la Empresa. Er war bekannt dafür, seine Prüfungen so hart zu gestalten, dass sie oft nur ein einziger Student oder auch keiner bestand, sowie manche Studenten zu beleidigen, was letztlich zu seiner Entlassung führte.[6] Zudem beriet er den Congreso de la Nación im Auftrag des Gouverneurs von Tucumán, Antonio Domingo Bussi, der aufgrund seiner Mitwirkung an der Militärdiktatur umstritten war.[7] Zwischen 2008 und 2021 arbeitete er für Eduardo Eurnekian, einen der reichsten Unternehmer in Argentinien und Besitzer der Corporacion America Airports, des größten privaten Flughafenbetreibers weltweit. Mit Unterstützung dieses Unternehmers schaffte Milei den Sprung in die Politik.[8]
Bekannt wurde er durch seine provokanten Fernsehauftritte,[9][10] in denen er die Regierungen von Cristina Fernández de Kirchner, Mauricio Macri und Alberto Fernández angriff. Seit 2017 hat er seine eigene Radiosendung. 2020 wurde er Mitglied der vom Wirtschaftswissenschaftler José Luis Espert geführten libertären politischen Koalition Avanza Libertad. 2021 wurde er als Gründer der La Libertad Avanza in die Cámara de Diputados de la Nación Argentina als Vertreter der Stadt Buenos Aires (Capital Federal) gewählt. Sein Wahlbündnis erhielt 17 % der Stimmen.[11] Seine permanent ungekämmte Frisur brachte ihm in Argentinien den Namen „La Peluca“ („Die Perücke“) ein.[12][13]
Milei wurde schließlich Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2023.[14] In den Vorwahlen belegte sein Wahlbündnis mit ihm als Spitzenkandidaten und Victoria Villarruel als Vizekandidatin den ersten Platz mit 30 Prozent der Stimmen. Das gute Ergebnis für Milei war in Umfragen nicht erwartet worden und wurde weithin in Medien als „Überraschung“ oder auch „Tsunami“ bezeichnet.[15][16] Seitdem galt er als einer der Favoriten für die Wahl.[17] In der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 22. Oktober 2023 landete er mit rund 30 % der Stimmen nur auf Platz zwei. Den ersten Platz erreichte mit 36 % der peronistische amtierende Wirtschaftsminister Sergio Massa. Die beiden traten am 19. November 2023 in einer Stichwahl gegeneinander an,[18] die Milei mit mehr als 55 % der Stimmen überraschend deutlich gewann.
Milei bezeichnet sich selbst als Anarchokapitalisten. Aus journalistischer Sicht verbindet er „ultraliberale“ mit „ultrarechten“ Positionen[10][19][20] und wird als „ultrakonservativ“ eingeschätzt.[21] Der Staat solle seiner Ansicht nach nur für die Felder Sicherheit und Justiz zuständig sein.[10] In der Presse wird Milei öfters als „ultrarechts“ bzw. „far-right“ beschrieben.[22][23][24] Vereinzelt wird diese Bezeichnung bemängelt.[25]
Zahlreiche seiner Ansichten, insbesondere wirtschaftspolitische, sind liberal bzw. libertär. So lehnt er die Einführung neuer Steuern ab und setzt sich für die Abschaffung der Zentralbank, die Aufhebung der Kapitalverkehrskontrollen, die Legalisierung von Drogen, die Liberalisierung des Organhandels, die Liberalisierung des Waffenbesitzes, die Privatisierung von Staatsbetrieben und des Bildungssystems ein.[26][9][27][28][29][30] Die Auflösung der Zentralbank Argentiniens würde den US-Dollar de facto zur Währung des Landes machen und das Land erneut dollarisieren.[31][32]
Er spricht sich für die gleichgeschlechtliche Ehe aus und ist selbst Anhänger der freien Liebe.[33][34] Er befürwortet gleichzeitig ein striktes Abtreibungsverbot, selbst in Fällen von Vergewaltigungen Minderjähriger.[27][35] Zudem positioniert er sich gegen Sexualerziehung an Schulen und kündigte an, im Falle einer Präsidentschaft das Frauenministerium und das Nationale Institut gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus (INADI) abzuschaffen.[36]
Milei vertritt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Kriminalität. Er schlägt auch vor, das Mindestalter für Inhaftierung herabzusetzen. Gefängnisse möchte er im Public-Private-Partnership bauen lassen.[37]
Argentinien ist eines der wenigen Länder, in deren Verfassung die Förderung der Einwanderung zu den Staatsaufgaben zählt; das Land nahm neben den USA um die Jahrtausendwende mehr Einwanderer auf als jedes andere Land.[38] Milei erklärte, dass er Migranten mit Vorstrafen die Einreise nach Argentinien verbieten werde und dass er diejenigen Migranten ausweisen wolle, die Straftaten begangen haben.[29] Er warb außerdem dafür, die kostenlose Bildung und die allgemeine Gesundheitsversorgung für Ausländer einzuschränken.[39][40]
Er bestreitet die Existenz des menschengemachten Klimawandels, den er eine „Lüge des Sozialismus“[41] nennt, und prangert die „politische Kaste“ an, die aus „nutzlosen, parasitären Politikern“ bestehe, „die nie gearbeitet haben“.[27] Dabei unterstützt Milei die Verschwörungstheorie des Kulturmarxismus.[42] Milei unterzeichnete die Charta von Madrid, ein von einer Denkfabrik der rechtsgerichteten spanischen Partei Vox verfasstes Dokument, in dem linke Gruppen als Feinde Iberoamerikas bezeichnet werden, die an einem „kriminellen Projekt“ beteiligt sind und „unter dem Schirm des kubanischen Regimes“ stehen würden.[43][44]
Milei relativiert die Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur (1976–1983). Er hält die Zahl der Desaparecidos mit 8.753 für deutlich niedriger als allgemein angenommen (30.000) und relativiert die Verbrechen der Militärs mit der Erklärung, dass diese sich in einem Krieg gegen Terroristen befunden hätten.[45]
Milei bezeichnet sich als Katholik, lehnt allerdings die Autorität der römisch-katholischen Kirche ab.[46]
Milei wird oft dem „radikalen Rechtspopulismus“ (Cas Mudde) zugeordnet. Dabei wird er mit Bolsonaro (Brasilien), José Antonio Kast (Chile), Guido Manini Ríos (Uruguay) verglichen, wobei er am schwierigsten in diesem Cluster einzuordnen ist.[47] Laut dem habilitierten Politologen Thomas Kestler und Presseberichten[48] trifft auf alle vier Populismus zu, aber Nativismus, Autoritarismus und Radikalismus treffen laut Kestler bei Manini Ríos nur teilweise und bei Milei nicht zu. Mileis Ablehnung von Abtreibungen und seine Befürwortung von Waffenbesitz für alle Bürger würden im Rechtsextremismus zwar auch geteilt, speisten sich bei Milei aber aus seinem Libertarianismus.[47] In der Öffentlichkeit werden Milei öfters auch Ähnlichkeiten zum Bolsonarismus und Trumpismus nachgesagt.[47][49]
Nach Patricio Navia, Professor an der New York University, stellt sich Milei als außerhalb des politischen Systems dar, was er mit Trump und Bolsonaro gemeinsam habe. Carlos Gustavo Poggio, Professor für Internationale Beziehungen am Berea College in Kentucky, USA, sieht bei Milei, Trump und Bolsonaro eine „Anti-System-Komponente“, die sie sich zunutze machen. Das sei aber eine Frage des Stils und weniger der Inhalte. Man versuche damit Wähler zu binden, die sich außerhalb traditioneller Politik verorten. Milei und Bolsonaro hätten aber nicht die Parteistruktur wie Trump. Daher müssten sie sich viel stärker auf ihre Person ausgerichtet präsentieren und könnten nicht auf Parteidiskurse zurückgreifen. Die Art der Wahlkampfführung über soziale Medien ähnele sich aber bei allen dreien. Vor allem in der Wirtschaftspolitik unterscheidet sich Milei von Bolsonaro und Trump: Anders als Bolsonaro und Trump steht Milei für die Marktfreiheit und für eine Abwesenheit des Staates (Minimalstaat). Nach Patricio Navia steht Trump, anders als Milei, für Protektionismus und Bolsonaro, anders als Milei, für einen starken Staat und sei in manchen Fragen neoliberal, in anderen aber konservativ und protektionistisch. Dennoch sei Milei entsprechend dem argentinischen Experten Rosendo Fraga nicht der Kandidat der argentinischen Geschäftswelt gewesen.[50]
Personendaten | |
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NAME | Milei, Javier |
ALTERNATIVNAMEN | Milei, Javier Gerardo (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | argentinischer Ökonom, Autor und Politiker |
GEBURTSDATUM | 22. Oktober 1970 |
GEBURTSORT | Buenos Aires, Argentinien |
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