Basisdaten | |
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Titel: | Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen |
Kurztitel: | Infektionsschutzgesetz |
Abkürzung: | IfSG |
Art: | Bundesgesetz |
Geltungsbereich: | Bundesrepublik Deutschland |
Erlassen aufgrund von: | Art. 74 Abs. 1 Nr. 19, Art. 72 Abs. 1 GG |
Rechtsmaterie: | Besonderes Verwaltungsrecht |
Fundstellennachweis: | 2126-13 |
Erlassen am: | 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) |
Inkrafttreten am: | 1. Januar 2001 |
Letzte Änderung durch: | Art. 1 G vom 28. Mai 2021 (BGBl. I S. 1174) |
Inkrafttreten der letzten Änderung: |
1. Juni 2021 (Art. 4 Abs. 1 G vom 28. Mai 2021) |
GESTA: | M047 |
Weblink: | Text des Gesetzes |
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten. |
Das deutsche Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist ein Bundesgesetz gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und regelt die hierfür notwendige Mitwirkung und Zusammenarbeit von Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen, Ärzten, Tierärzten, Krankenhäusern, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie sonstigen Beteiligten. Es soll übertragbaren Krankheiten vorbeugen, Infektionen frühzeitig erkennen und ihre Weiterverbreitung verhindern (§ 1 IfSG).[1]
Das IfSG wurde am 12. Mai 2000[2] vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats am 20. Juli 2000 als Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften (Seuchenrechtsneuordnungsgesetz – SeuchRNeuG) beschlossen und trat am 1. Januar 2001 in Kraft.[3] Im Wesentlichen regelt es den Infektionsschutz als spezielles Gebiet der Gefahrenabwehr. Es gehört damit zum Rechtsgebiet Polizeirecht.[4] Dementsprechend werden dessen Grundsätze angewendet. Unter anderem[4] muss bei Anordnungen aufgrund des IfSG zwischen der Inanspruchnahme von Störern und Nichtstörern unterschieden werden (Polizeipflichtigkeit), ist ein eingeräumtes Ermessen ordnungsgemäß zu gebrauchen (§ 40 VwVfG) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Gleichzeitig traten gem. Art. 5 Abs. 1 SeuchRNeuG zum 1. Januar 2001 folgende Gesetze und Verordnungen außer Kraft:
Das IfSG reagierte auf die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages „HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte“[5] und setzte die EU-Richtlinie über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch[6] sowie die Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Schaffung eines Netzes für die epidemiologische Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten in der Gemeinschaft[7] um. Es institutionalisierte das Robert Koch-Institut als epidemiologisches Zentrum anstelle des schon 1994 aufgelösten Bundesgesundheitsamts und fasste die aufgehobenen Gesetze und Verordnungen zu einem einheitlichen Regelwerk zusammen.[8]
Nach den Erfolgen über die Nachkriegsseuchen wie Typhus, Ruhr, epidemische Hepatitis A oder Kinderlähmung und Tuberkulose[9] war im deutschen Gesundheitswesen die Bekämpfung von Infektionskrankheiten in den Hintergrund getreten. Das Auftreten von AIDS und BSE, die Zunahme multiresistenter Erreger im Krankenhaus und die Befürchtungen vor anderen, noch nicht entdeckten oder zwar bekannten, aber in ihrem Virulenz- und Resistenzverhalten veränderten Erregern haben das öffentliche und wissenschaftliche Interesse an infektionsepidemiologischen Fragestellungen in den 1980er Jahren wieder geweckt. Zugleich hatte 1994 der Bundestags-Untersuchungsausschuss bestehende Strukturdefizite im Meldesystem und im Risikomanagement bei der frühzeitigen Erkennung übertragbarer Krankheiten aufgedeckt, die zu vermeidbaren HIV-Infektionen über Blut und Blutprodukte geführt hatten. Über die Verabschiedung des Transfusionsgesetzes im Jahr 1998 hinaus sah der Gesetzgeber deshalb Handlungsbedarf zur Verhinderung übertragbarer Krankheiten durch die Wiederbelebung der klassischen Aufgabenfelder des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Vorbild waren die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention.[10]
Das Gesetz zählt zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern. Die Ermächtigung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG umfasst „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen.“
Eine „gemeingefährliche Krankheit“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG ist eine Krankheit, die zu schweren Gesundheitsschäden oder zum Tod führen kann und eine gewisse Verbreitung aufweist. Eine „übertragbare Krankheit“ wird durch Krankheitserreger verursacht, die direkt oder mittelbar übertragen werden.[11]
Umfasst sind Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung dieser Krankheiten, wie etwa Meldepflichten, obligatorische Tests oder Impfungen.[12] Die Notwendigkeit, die Materie gesetzlich zu regeln, ist in erster Linie durch die Tatsache begründet, dass die Erreger von Infektionskrankheiten sehr oft direkt von Mensch zu Mensch oder auch durch tierische Vektoren oder Lebensmittel auf Menschen übertragen werden können und individualmedizinische Maßnahmen allein eine Epidemie, einen Ausbruch oder schlicht die Infektion weiterer Einzelpersonen nicht wirksam verhindern können.[13][14]
Der Ansatz des Infektionsschutzgesetzes ist infektionsepidemiologischer Natur und hat den Einzelnen, der einem Übertragungsrisiko ausgesetzt war, vorwiegend als Gefahrenquelle für weitere Übertragungen im Blick, nicht aber im Hinblick auf die Verhinderung einer Erkrankung bei ihm selbst. Damit sind die Verhütung, Bekämpfung und Kontrolle übertragbarer Krankheiten eine öffentliche Aufgabe.[13]
Das IfSG wird nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes durch die Länder vollzogen (landeseigene Verwaltung). Deren Verwaltungskompetenz ergibt sich aus Art. 83 GG, § 54 IfSG.[15][16]
Durch das IfSG werden – wie in Teilen schon durch das BSeuchG[17] – Grundrechte eingeschränkt. Dazu zählen die körperliche Unversehrtheit (§ 20 Abs. 14 IfSG und § 21 IfSG) sowie die Freiheit der Person, die Freizügigkeit, die Versammlungsfreiheit, das Brief- und Postgeheimnis (§ 32 Satz 3 IfSG) und die Unverletzlichkeit der Wohnung (§ 17 Abs. 7 und § 25 Abs. 5 IfSG). Außerdem darf ein berufliches Tätigkeitsverbot verhängt werden (§ 31 IfSG). Im Einzelnen geschieht dies durch das Gesetz selbst, durch Rechtsverordnung aufgrund des Gesetzes oder durch Maßnahmen, zu denen das Gesetz die Behörden ermächtigt. Begrenzt werden diese Eingriffe durch die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, insbesondere den weiteren Grundrechten wie dem Gleichheitsgrundsatz oder der Wesentlichkeitstheorie.[18][19] Nach letzterer müssen im Bereich der untergesetzlichen Normsetzung wesentliche Fragen der Grundrechtsausübung und -eingriffe durch das Parlament selbst geregelt und dürfen nicht dem Verordnungsgeber, etwa den Landesregierungen überlassen werden.[20]
Der 1. Abschnitt enthält die Definition des Gesetzeszwecks (§ 1 Abs. 1 IfSG), Begriffsbestimmungen (§ 2 IfSG) und die Zusammenarbeit von Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen, Ärzten, Tierärzten, Krankenhäusern, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie sonstigen Beteiligten wie Lebensmittelbetrieben, Gesundheitseinrichtungen sowie des Einzelnen bei der Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten (§ 1 Abs. 2 IfSG).
Zweck des Gesetzes ist es, übertragbare Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Übertragbare Krankheit sind durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden, verursachte Krankheiten. Infektion bedeutet die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus.
Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite liegt vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil
Die Feststellung und die Aufhebung sind im Bundesgesetzblatt bekannt zu machen (§ 5 Abs. 1 Satz 3, 4 IfSG).[21]
Mit Wirkung zum 28. März 2020 trat das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft, mit dem unter anderem das Infektionsschutzgesetz geändert wurde.[22] Nach § 5 Abs. 1 IfSG n.F. kann der Deutsche Bundestag „eine epidemische Lage von nationaler Tragweite“ feststellen und sie wieder aufheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Feststellung nicht mehr vorliegen.
Mit Wirkung zum 28. März 2020 hat der Deutsche Bundestag die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses angenommen und aufgrund der damaligen Ausbreitung des neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) in Deutschland eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt.[23][24] Die Feststellung war unbefristet.
Mit § 5 Abs. 2 Nr. 4–10 IfSG n.F. erhielt das Bundesgesundheitsministerium im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ein umfangreiches Verordnungsrecht, das sich unter anderem auf bestimmte Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln, zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in ambulanten Praxen, der pflegerischen Versorgung in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen und schließlich abweichende Regelungen von den Berufsgesetzen der Gesundheitsfachberufe wie Alten- oder Gesundheits- und Krankenpfleger erstreckt.[25] Die auf Grund der neuen Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnungen bleiben bis zur Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft, längstens jedoch bis zum Ablauf des 31. März 2021 bzw. 31. März 2022 (§ 5 Abs. 4 IfSG n.F.).
Die Ermächtigung zum Erlass besonderer Einreisebestimmungen wurde für die Dauer einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in § 36 Abs. 8 und Abs. 10 IfSG n.F. auf die Bundesregierung übertragen. Sie darf ohne Zustimmung des Bundesrates für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr bestimmte Anordnungen zu treffen, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Einreisenden einem erhöhten Infektionsrisiko für das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgesetzt waren, insbesondere weil sie sich in einem entsprechenden Risikogebiet aufgehalten haben. Die Coronavirus-Einreiseverordnung vom 13. Januar 2021 regelt die entsprechenden Test- und Nachweispflichten von Einreisenden und Verkehrsunternehmen.[26][27]
Um die Rechtsetzungskompetenz des Gesetzgebers wieder herzustellen,[28] wird seit Mitte Juni 2020 von Teilen der Politik die Aufhebung gefordert.[29] Der Epidemie könne inzwischen begrenzt auf Landesebene begegnet werden.
Eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung koordinierte bis zum 27. März 2020 den Informationsaustausch von Bund und Ländern in epidemisch bedeutsamen Fällen (§ 5 IfSG a.F.).[30] Ein Anwendungsfall war die Bund-Länder-Vereinbarung vom 16. März 2020 über Leitlinien gegen die Ausbreitung des Coronavirus.[31]
Seit dem 28. März 2020 koordiniert das Robert Koch-Institut (RKI) im Fall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und zwischen den Ländern und dem Bund sowie weiteren beteiligten Behörden und Stellen (§ 5 Abs. 7 IfSG n.F.). Seine Bedeutung bei der Verhütung und Bekämpfung bundesweiter Epidemien ist damit noch gestiegen.
Das RKI ist die nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (§ 4 Abs. 1 IfSG). Es arbeitet mit den jeweils zuständigen Bundesbehörden, Landesbehörden, nationalen Referenzzentren sowie weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen und Fachgesellschaften zusammen, außerdem mit ausländischen Stellen wie der Weltgesundheitsorganisation (§ 4 Abs. 3 IfSG). Nach § 4 Abs. 2 IfSG wertet es vor allem die Daten zu meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern aus, stellt sie anderen Behörden zur Verfügung, veröffentlicht sie und berät auf Grundlage dieser Daten die Politik. Außerdem betreibt es epidemiologische und laborgestützte Analysen sowie Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten.
Bei Maßnahmen zur Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von bedrohlichen übertragbaren Krankheiten leistet es auf Ersuchen oberster Landesgesundheitsbehörden auch länderübergreifend Amtshilfe. Auf dem Gebiet der Zoonosen und mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftungen arbeitet es mit dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, dem Bundesinstitut für Risikobewertung und dem Friedrich-Loeffler-Institut zusammen.
§ 5b IfSG sieht die Vorhaltung von Schutzmasken bestimmter Typen, vor allem partikelfiltrierender Gesichtshalbmasken sowie anderer aus medizinischer Sicht notwendiger Verbrauchs- und Versorgungsgüter in einer Nationalen Reserve Gesundheitsschutz (NRGS) vor.[32][33]
Neben der Auflistung der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger (§ 6, § 7 IfSG) enthält dieser Abschnitt die zur Meldung verpflichteten Personen (Ärzte und Labore, § 8 IfSG) und die notwendigen Angaben, die eine Meldung enthalten muss.[34][35] Es wird zwischen der namentlichen Meldung unter Angabe von Namen und Vornamen der betroffenen Person an das Gesundheitsamt (§ 9 IfSG) und der nichtnamentlichen Meldung an das Robert Koch-Institut (§ 10 IfSG) unterschieden. Für die Meldung gibt es spezielle Formulare.[36][37] Namentlich zu melden sind vor allem Erreger, die eine direkte Maßnahme durch das Gesundheitsamt erfordern könnten, wie bestimmte Lebensmittelvergiftungen (Botulismus). Nicht namentlich zu melden ist etwa der Nachweis von HI-Viren, bei dem eine fallbezogene Pseudonymisierung erfolgt (§ 10 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 IfSG).
Die Übermittlung erfolgt in der Regel auf elektronischem Wege mittels der speziellen Software SurvNet@RKI. Um das bisherige System zu modernisieren und eine schnellere wechselseitige Übermittlung der Daten von Laboren, Ärzten, Gemeinschaftseinrichtungen, Gesundheitsämtern, Landesbehörden, RKI unter Beachtung der DSGVO zu erreichen,[38] wurde nach der EHEC-Epidemie 2011 in Deutschland das Projekt zur Entwicklung und Erprobung von DEMIS, dem Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz durch eine entsprechende Gesetzesvorlage zur Erweiterung des IfSG vom Bundesgesundheitsministerium und vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gemeinsam im August 2011 vorgelegt (§ 14 IfSG). Eine fünfjährige Projektlaufzeit vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2020 war vorgesehen.[39]
Mitte Mai 2020, während der COVID-19-Pandemie in Deutschland, wurde das Projektende, der Vollausbau von DEMIS, unverändert auf den 31. Dezember 2020 festgelegt und sollte mit der dritten Umsetzungsstufe abgeschlossen werden, in der neben den Laboren auch die Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Meldepflichtige ihrer Meldeverpflichtung auf elektronischem Wege nachkommen können.[40][41][42][43]
In einer ersten Ausbaustufe haben Labore seit Juni 2020 die Möglichkeit, Erregernachweise von SARS-CoV-2 elektronisch an die 375 zuständigen Gesundheitsämter zu melden. Die Labore können die Informationen, die elektronisch in ihren Laborinformationssystemen vorliegen, an den DEMIS-Adapter senden, der die Inhalte in das von DEMIS genutzte HL7-FHIR-Format übersetzt. Die elektronische Meldung löst die Meldung per Fax ab, wodurch die Übertragung der personenbezogenen Daten sicherer wird.[44]
§ 13 IfSG sieht zur weiteren epidemiologische Überwachung so genannte Sentinelerhebungen vor, die der Erfassung anonymer, stichprobenartiger Daten dienen, mit denen auf die Verbreitung einer (meistens) infektiologischen Krankheit geschlossen werden soll.[45]
Der Abschnitt enthält ferner verschiedene Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen. Ein Beispiel war die Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums vom 18. März 2016 (IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung), mit der aufgrund § 15 IfSG der Kreis der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger nach §§ 6, 7 IfSG ausgeweitet wurde auf den Krankheitsverdacht, die Erkrankung und den Tod an zoonotischer Influenza („Vogelgrippe“), den sog. Krankenhauskeim Clostridioides difficile und diverse Arboviren.[46] Die Meldepflichten aus dieser Verordnung wurden durch das Masernschutzgesetz in das IfSG integriert und die IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung aufgehoben.[47]
Befristet bis zum 23. Mai 2020 wurde mit der Coronavirus-Meldepflichtverordnung die Pflicht zur namentlichen Meldung auf den Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie den Tod ausgedehnt, die durch das neuartige Coronavirus („2019-nCoV“) hervorgerufen werden sowie auf den positiven und negativen Nachweis des Virus SARS-CoV-2. Die Meldepflicht für die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) und den Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2)-Erreger ist seitdem in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. t, § 7 Abs. 1 Nr. 44a IfSG dauerhaft gesetzlich geregelt. Das Bundesgesundheitsministerium kann aufgrund der Ermächtigung in § 20i Abs. 3 SGB V die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) per Verordnung verpflichten, Tests auf das Coronavirus oder Antikörpertests zu bezahlen, sofern der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat.[48]
Eine mögliche gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite für den Bereich der übertragbaren Krankheiten hat das Robert Koch-Institut nach den Internationalen Gesundheitsvorschriften zu bewerten und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitzuteilen (§ 12 Abs. 1 IfSG), Gefahren biologischen oder unbekannten Ursprungs in Form übertragbarer Krankheiten, von Antibiotikaresistenz und nosokomialen Infektionen sowie von Biotoxinen oder anderen schädlichen biologischen Agenzien, die nicht in Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten stehen, dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) (§ 12 Abs. 2 IfSG).
Zur Verhütung übertragbarer Krankheiten sieht das Gesetz sowohl Einzelfallmaßnahmen der zuständigen Behörden, bei Gefahr im Verzug auch durch das Gesundheitsamt,[49] vor als auch eine Regelung durch Rechtsverordnung der Landesregierungen.
Welche Behörden in den einzelnen Bundesländern zuständig sind, ist in der Regel durch entsprechende Zuständigkeitsverordnungen geregelt.[50]
§ 16 Abs. 1 IfSG enthält eine Generalklausel für behördliche Einzelfallentscheidungen, wenn Tatsachen festgestellt werden, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können.[51] § 17 Abs. 1 und Abs. 2 IfSG ermächtigen zu speziellen Maßnahmen, insbesondere zur Vernichtung von Gegenständen, die mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet sind wie kontaminierten Lebensmitteln und der Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, die Krankheitserreger verbreiten können.
§ 17 Abs. 4 und Abs. 5 IfSG ermächtigen zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten und über die Feststellung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen, Krätzmilben und Kopfläusen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf andere Stellen übertragen.
Während eine bestimmte Anordnung eine konkrete Gesundheitsgefahr voraussetzt, reicht für den Verordnungserlass eine abstrakte Gefahr aus.[52] Beispiele sind die nordrhein-westfälische Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten bei bestimmten gewerblichen Tätigkeiten,[53] Rechtsverordnungen zur Rattenbekämpfung oder Verordnungen über ein Taubenfütterungsverbot.[54]
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einzelne Maßnahmen nach §§ 16, 17 IfSG haben wegen der besonderen Bedeutung für die öffentliche Gesundheit keine aufschiebende Wirkung (§ 16 Abs. 8, § 17 Abs. 6 IfSG, § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Gesundheitsämter informieren die Bevölkerung über die Bedeutung von Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten (§ 20 Abs. 1 IfSG).
Die Ständige Impfkommission gibt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten (§ 20 Abs. 2 IfSG).[55] Diese Empfehlungen sind Grundlage für die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für Schutzimpfungen gegen übertragbare Krankheiten im Sinne des § 2 Nr. 9 IfSG (§ 20i SGB V). Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wird in § 20i Abs. 3 Satz 2 bis 4 SGB V ermächtigt, nach Anhörung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass Versicherte Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 oder auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 haben. Mit der Coronavirus-Testverordnung hat das BMG von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht.[56] Danach haben auch asymptomatische Personen im Rahmen der Verfügbarkeit von Testkapazitäten mindestens einmal pro Woche Anspruch auf Testung mittels PoC-Antigen-Tests (sog. Bürgertestung). Die Coronavirus-Impfverordnung regelt den Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe.[57] In der Verordnung wird zwischen Personen mit höchster, hoher und erhöhter Priorität unterschieden, die in dieser Reihenfolge bei der Impfung berücksichtigt werden sollen.
Bereits seit dem Jahr 2000 sind die Impfempfehlungen der STIKO in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als medizinischer Standard anerkannt[58] und mit dem Kindeswohl vereinbar.[59]
Deutschland und die anderen europäischen Mitgliedstaaten der WHO haben sich das Ziel gesetzt, die Masern und Röteln in Europa zu eliminieren.[60]
Für Menschen in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind, ist nach dem mit Wirkung zum 1. März 2020 in Kraft getretenen Masernschutzgesetz ein Impfschutz gegen Masern gem. § 20 Abs. 8 IfSG obligatorisch.[61][62] Personen, die in Kindertageseinrichtungen, Schulen, Heimen, Asylbewerberunterkünften oder Justizvollzugsanstalten arbeiten, müssen gem. § 20 Abs. 9 IfSG einen entsprechenden Impfschutz nachweisen, ebenso die Personen, die dort betreut werden bzw. untergebracht sind (§ 20 Abs. 11 IfSG). Die Freiwilligkeit der Impfentscheidung selbst bleibt durch diese Regelungen unberührt. Die Vorgabe, dass bestimmte Personen einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern aufweisen müssen, stellt jedoch einen mittelbaren Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) der Impflinge und die Grundrechte der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG dar. Den Eingriff hält der Gesetzgeber durch die damit verfolgten öffentlichen Ziele des Gesundheitsschutzes für gerechtfertigt. Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten des Menschen. Die sogenannte subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) ist eine schwere und stets tödlich verlaufende Gehirnerkrankung, die als Spätfolge einer Maserninfektion im frühen Lebensalter auftreten kann.[63] Eilanträge sorgeberechtigter Eltern gegen die entsprechenden Regelungen zum Nachweis einer Masernschutzimpfung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11. Mai 2020 abgelehnt.[64][65][66]
§ 20 Abs. 6 und Abs. 7 IfSG enthalten Verordnungsermächtigungen für das Bundesgesundheitsministerium und die Landesregierungen, bedrohte Teile der Bevölkerung zur Teilnahme an Schutzimpfungen oder anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe zu verpflichten, wenn eine übertragbare Krankheit mit klinisch schweren Verlaufsformen auftritt und mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist. Weder der Bund noch die Länder haben von dieser Ermächtigung bislang Gebrauch gemacht. Daher besteht bislang weder im Bund noch in den Ländern eine derartige Impfpflicht,[67] auch nicht gegen das SARS-CoV-2-Virus.[68]
Jede Schutzimpfung wird in einem Impfausweis dokumentiert (§ 22 Abs. 1–4 IfSG). Zusätzlich werden auf Wunsch digitale COVID-19-Zertifikat für geimpfte, genesene und negativ getestete Personen ausgestellt (§ 22 Abs. 5–7 IfSG).
§ 23 IfSG regelt die Bekämpfung sog. Krankenhauskeime (nosokomiale Infektionen).
Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention – KRINKO beim Robert Koch-Institut erstellt Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäusern, außerdem zum Hygiene-Management sowie zu Methoden zur Erkennung, Erfassung, Bewertung und gezielten Kontrolle dieser Infektionen.[69][70][71] Eine weitere Kommission (Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie – ART) erstellt Empfehlungen mit allgemeinen Grundsätzen für Diagnostik und antimikrobielle Therapie, insbesondere bei Infektionen mit resistenten Krankheitserregern.[72]
Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen wie Tageskliniken und Dialyseeinrichtungen, aber auch Arztpraxen mit ambulantem Operationsbetrieb, Pflege- und Rettungsdienste haben diese Empfehlungen einzuhalten. Die betreffenden Einrichtungen unterliegen insoweit der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt.[73][74]
Zusätzlich sieht § 23 Abs. 8 IfSG vor, durch Landesverordnung die jeweils erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen zu regeln.[75]
Deutschland nimmt in der Rangliste der Todesfälle infolge Infektionen während stationärer medizinischer Behandlung einen mäßigen Rang ein.[76] Von den ca. 2.300 deutschen Krankenhäusern ist in etwa 600 Einrichtungen kein Facharzt für Hygiene bestellt.[77][78] Die 1.233 Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, für die bis Ende 2016 ebenfalls Hygienebeauftragte zu bestellen sind, sind hierbei noch unberücksichtigt. Regelungen zur Aufgabenstellung der Hygienebeauftragten sind in den Bundesländern unterschiedlich. Als Ersatzlösung ist in einzelnen Bundesländern die Bestellung eines hygienebeauftragten Facharztes, der kein Facharzt für Hygiene sein muss, in einer Nebenaufgabe zulässig (Wortlaut der Verordnung: „[…] ein in der Einrichtung klinisch tätiger Arzt, die/der über entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen in Hygiene und Infektionsprävention verfügt […]“).[79]
Während unter „Verhütung“ die Verhinderung des Entstehens übertragbarer Krankheiten zu verstehen, ist mit dem Begriff der „Bekämpfung“ die Verhinderung der Verbreitung bereits aufgetretener Krankheiten gemeint.[80]
Die Feststellung und die Heilbehandlung meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger ist grundsätzlich Humanmedizinern vorbehalten (§ 24 Satz 1 IfSG). Ausnahmen gelten gem. § 24 Satz 2 und 3 IfSG für In-vitro-Diagnostika bei patientennahen Schnelltests auf HIV, das Hepatitis-C-Virus, das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) und Treponema pallidum.
Die Gesundheitsämter stellen aufgrund entsprechender Meldungen von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen an, um die Annahme eines Krankheits- oder Ansteckungsverdachts abzusichern,[81] insbesondere über Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit (§ 25 Abs. 1 IfSG). Dazu sind die Ämter beispielsweise befugt, Grundstücke, Räume, Anlagen und Einrichtungen zu betreten und Bücher oder sonstige Unterlagen einzusehen und hieraus Abschriften, Ablichtungen oder Auszüge anzufertigen sowie sonstige Gegenstände zu untersuchen oder Proben zur Untersuchung zu fordern oder zu entnehmen. Gegebenenfalls werden andere Behörden, deren Aufgabenbereich berührt ist, von dem Gesundheitsamt unterrichtet, etwa die Lebensmittelüberwachungsbehörden, wenn ein bestimmtes Lebensmittel Ursache einer übertragbaren Krankheit sein könnte, die Tiergesundheitsbehörden,[82] wenn Erreger einer übertragbaren Krankheit von Tieren auf eine betroffene Person übertragen wurden oder die für den Immissionsschutz zuständige Behörde bei einer Häufung von Infektionen mit Legionellen, die durch Aerosole in der Außenluft auf den Menschen übertragen worden sein könnten (§ 27 Abs. 4 IfSG).
Kranke und krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen können durch das Gesundheitsamt zu äußerlichen Untersuchungen, Röntgenuntersuchungen, Tuberkulintestungen, Blutentnahmen und Abstrichen von Haut und Schleimhäuten vorgeladen werden (§ 25 Abs. 3 IfSG). Mit Zustimmung des Patienten darf der behandelnde Arzt daran teilnehmen (§ 26 IfSG). Die Gesundheitsämter dürfen außerdem eine Leichenschau durchführen (§ 25 Abs. 4 IfSG).
Um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern, trifft die „zuständige Behörde“ die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange diese erforderlich sind (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG). Welche Behörde im Einzelfall zuständig ist, bestimmen gem. § 54 IfSG die Landesregierungen durch Rechtsverordnung.[83] Neben den obersten Landesgesundheitsbehörden (Landesgesundheitsministerien)[84] kommen dafür auch Städte und Gemeinden in Betracht.
§ 28 Abs. 1 IfSG verpflichtet die Behörde zum Handeln (das „Ob“ des Tätigwerdens), räumt ihr hinsichtlich des „Wie“ jedoch ein Auswahlermessen in Bezug auf die zu treffende Schutzmaßnahme ein.[85][86] Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt.[87][88]
Vorrangige Adressaten des § 28 Abs. 1 IfSG sind Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider.[89] Diese Personen sind in § 2 Nr. 4–7 IfSG im Sinne eines Stufenverhältnisses legaldefiniert. Es können aber auch sonstige Dritte („Nichtstörer“) Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen.[90] Eine Person ist ansteckungsverdächtig im Sinne von § 2 Nr. 7, wenn die Annahme, sie habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil.[91]
Die einzelnen Schutzmaßnahmen sind in § 28, § 28a und in den §§ 29 bis 31 IfSG beispielhaft benannt.
So können Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden bzw. ihren Wohnsitz[92] nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind (Ausgangssperre, Lockdown).[93] Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten sowie in Verbindung mit § 33 IfSG die dort genannten Gemeinschaftseinrichtungen zur Betreuung Minderjähriger wie Kindertagesstätten, Horte und Schulen ganz oder teilweise schließen.[94]
Statt einer Regelung durch Verwaltungsakt können entsprechende Ge- und Verbote auch durch Rechtsverordnung der Landesregierungen erlassen werden (§ 32 IfSG). Das Verwaltungsgericht München ist der Ansicht, dass die zulässige Handlungsform für landesweit geltende Ausgangsbeschränkungen gegenüber jedermann, die nicht nur einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG betreffen, nicht die Allgemeinverfügung, sondern die Rechtsverordnung ist.[95][96][97]
Mit dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurde § 28 IfSG neu gefasst.[98] Seit dem 28. März 2020 wird insoweit außer den Grundrechten der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) auch das Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) eingeschränkt.[99]
Die Maßnahmen werden durch das Gesundheitsamt überwacht (§ 28 Abs. 3, § 16 Abs. 2 IfSG).
Schutzmaßnahmen können mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden, die jedoch wegen der besonderen Bedeutung für die öffentliche Gesundheit keine aufschiebende Wirkung haben (§ 28 Abs. 3 § 16 Abs. 8 IfSG, § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Es muss deshalb zunächst vorläufiger Rechtsschutz begehrt werden (§ 80 Abs. 5 VwGO).[100] Zulässig ist auch ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der das Gericht die Behörde zu einem (bestimmten) Tätigwerden verpflichten soll (§ 123 Abs. 1 VwGO).[86]
Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Schutzmaßnahmen stellen eine Straftat dar und werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG).
Mit Wirkung zum 19. November 2020 wurde durch das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite das Infektionsschutzgesetz geändert. Im neuen § 28a IfSG wurden erstmals ausdrücklich „Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ aufgelistet, die für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ergriffen werden können.
Notwendige Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) können für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite insbesondere sein (§ 28a Abs. 1 IfSG):
Zuständig zum Erlass besonderer Schutzmaßnahmen etwa in Gestalt von Allgemeinverfügungen sind die „zuständigen Behörden“ (§ 28a Abs. 2, § 28 Abs. 1 IfSG), § 32 IfSG ermächtigt außerdem die Landesregierungen, entsprechende Rechtsverordnungen zu erlassen. Diese Ermächtigung kann auch auf andere Stellen übertragen werden.[102][103] Die Rechtsverordnungen sind mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich auf grundsätzlich vier Wochen zu befristen (§ 28a Abs. 5 IfSG).[104] Eine Zuständigkeit des Bundes zum Erlass bundesweit einheitlicher besonderer Schutzmaßnahmen besteht in § 28a IfSG nicht.[105][106]
Beschlüsse in der COVID-19-Pandemie mit dem Charakter von politischen Absichtserklärungen wurden auf sog. Bund-Länder-Konferenzen gefasst,[107] an der Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder (Ministerpräsidentinnen und -präsidenten) teilnahmen,[108] außerdem der Bundesminister der Finanzen Olaf Scholz[109] und weitere Bundesminister sowie Staatssekretäre.[110] Die Beschlüsse bedurften anschließend der Umsetzung in Landesverordnungen.[111] Sofern für einen Gegenstand der Beratungen außerhalb von § 28a IfSG eine Zuständigkeit der Bundesregierung besteht, beispielsweise gem. § 36 Abs. 8 IfSG für Verordnungen über besondere Einreisebestimmungen, ist die Bundesregierung für die Umsetzung zuständig.
In allen Bundesländern wurden anlässlich der COVID-19-Pandemie in Deutschland durch strafbewehrte Rechtsverordnungen aufgrund §§ 28, 32 in Verbindung mit §§ 73 Abs. 1a Nr. 6, 74, 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 IfSG vor allem die Grundrechte der Freiheit der Person, der Versammlungsfreiheit und der Freizügigkeit massiv eingeschränkt.[112] Verfassungsrechtlich könnte die Wesentlichkeit der Materie einer so weitgehenden Delegation an die Exekutive unter Ausschluss der Landesparlamente entgegenstehen, was nach Ansicht von Kritikern zudem organisationsrechtlich ein Gewaltenteilungs- und Legitimationsproblem darstellen könnte.[113][114]
In der Folge kam es zu zahlreichen öffentlichen Protestaktionen.
Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen (§ 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen sind breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. Unterhalb eines Schwellenwertes von 35 Neuinfektionen kommen insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 bis 7 IfSG). Mit Beschluss vom 3. März 2021 hatte die Bund-Länder-Konferenz ab einer im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnten 7-Tage-Inzidenz von über 100 eine sog. Notbremse vereinbart: „Steigt die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner an drei aufeinander folgenden Tagen in einem Bundesland oder einer Region auf über 100, treten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft (Notbremse).“[115]
Die jeweiligen Inzidenzwerte (Neuerkrankungsrate) ergeben sich aus den täglichen Lageberichten des Robert Koch-Instituts. Die Möglichkeiten zur Eindämmung hängen nach Einschätzung des Gesetzgebers maßgeblich von diesen Werten ab. Dort wo das Infektionsgeschehen noch nicht 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen erreicht habe, sei eine individuelle Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter regelmäßig noch leistbar, so dass schwerwiegende Einschränkungen des öffentlichen Lebens nicht absolut notwendig seien.[116]
Mit der sog. 7-Tage-Inzidenz ist jedoch nicht etwa eine Krankheit oder Diagnose, sondern allein die Positivität auf SARS-CoV-2 mittels PCR-Test gemeint. Es handelt sich auch nicht um eine repräsentative Stichprobe, die nachfolgend auf die Bevölkerung hochgerechnet wird. Implizit wird davon ausgegangen, dass die nicht getestete Bevölkerung insgesamt negativ ist, obwohl aufgrund eines großen Anteils asymptomatischer und oligosymptomatischer Fälle mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen ist. Damit hängt der Inzidenzwert allein von der Testintensität ab. Bei steigender Testanzahl wird es immer wahrscheinlicher, dass der Inzidenzwert überschritten wird.[117] Zur rationalen Bekämpfung des Infektionsgeschehens schlagen Kritiker deshalb vor, entweder die Teststrategie zugunsten effizienterer Alternativen abzulösen (z. B. Clusteranalysen) oder die Gesundheitsämter besser personell und technisch auszustatten oder beides.[118]
Mit Art. 1 des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurden mit Wirkung um 23. April 2021 neue Bestimmungen in das IfSG aufgenommen.
Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die durch das Robert Koch-Institut veröffentlichte Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag die in § 28b Abs. 1 IfSG bezeichneten Maßnahmen. Unterschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt ab dem Tag nach dem Eintreten dieser Maßnahmen an fünf aufeinander folgenden Werktagen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100, so treten an dem übernächsten Tag die Maßnahmen wieder außer Kraft (§ 28b Abs. 2 IfSG). Es gelten dann ausschließlich wieder die Verordnungen der Länder auf Grundlage der § 32, § 28, § 28a IfSG. Nach § 28a Abs. 3 IfSG sind besondere Maßnahmen auf regionaler Ebene bereits ab einer Inzidenz von 50 zu ergreifen.[119] Die nach Landesrecht zuständigen Behörden sollen die Tage bekanntmachen, ab denen die Maßnahmen in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt gelten bzw. außer Kraft treten (§ 28b Abs. 1 Satz 3 und Satz 4, Abs. 2 Satz 3 IfSG).
Die Geltung der Maßnahmen ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf keiner Umsetzung durch Landesverordnung oder dergleichen. Vorhergehende Beschlüsse über einzelne Maßnahmen auf einer Bund-Länder-Konferenz sind entbehrlich geworden.
Zudem ist seit dem 23. April 2021 die Bundesregierung selbst ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zusätzliche allgemeine und besondere Schutzmaßnahmen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 28a Absatz 1 IfSG anzuordnen.
Für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können, kann die Bundesregierung aufgrund von § 28c Satz 1 und 2 IfSG durch Rechtsverordnung mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat Erleichterungen oder Ausnahmen von den Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten vorsehen.[120][121] Am 8. Mai 2021 wurde die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) der Bundesregierung verkündet, die am 9. Mai 2021 in Kraft trat.[122][123]
Aufgrund § 28c Satz 3, § 77 Abs. 7 IfSG kann die Bundesregierung mit dem Erlass einer Rechtsverordnung nach § 28c Abs. 1 IfSG zugleich die Landesregierungen ermächtigen, solche Ausnahmen auch hinsichtlich landesrechtlicher Maßnahmen vorzunehmen bzw. die Länder ermächtigen, bis zum Erlass einer Bundes-Rechtsverordnung bereits bestimmte Erleichterungen und Ausnahmen vorzusehen.[124] Diese gesetzliche Regelung geht zurück auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz.[125][126] Sie weist inhaltlich aber keine Berührungspunkte mit dem Gerichtsvollzieherschutzgesetz auf, obwohl beide Gesetzesvorhaben in derselben Beschlussempfehlung enthalten waren.[127][128] In § 11 SchAusnahmV hat die Bundesregierung von der Ermächtigung des § 28c Satz 3 IfSG Gebrauch gemacht.
Zu den zulässigen Schutzmaßnahmen gehört auch die Beobachtung von Kranken, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen durch das Gesundheitsamt. Dazu hat die betreffende Person sich gem. § 29 IfSG untersuchen und behandeln zu lassen, Zutritt zu ihrer Wohnung zu gestatten, auf Verlangen über alle ihren Gesundheitszustand betreffenden Umstände, den Wechsel der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen Aufenthaltes sowie des Arbeitsplatzes im Lebensmittel- oder Gesundheitsbereich, an Schulen und in Kindertageseinrichtungen sowie in Gemeinschaftsunterkünften oder Justizvollzugsanstalten dem Gesundheitsamt mitzuteilen.
Seit Aufhebung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und Inkrafttreten des IfSG gibt es in Deutschland keine Pflichtuntersuchung von Prostituierten auf sexuell übertragbare Krankheiten (sog. Bockschein) mehr. Sie wurde auch mit dem Prostitutionsgesetz nicht wieder eingeführt.[129]
Das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 sieht in § 10 allerdings eine regelmäßige gesundheitliche Beratung, in § 32 außerdem eine Kondompflicht für Prostituierte und ihre Kunden vor.
Personen, die an übertragbaren Krankheiten erkrankt oder dessen verdächtig sind, können in Krankenhäusern oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden (§ 30 Abs. 1 IfSG). Die Quarantäne ist eine der einschneidendsten Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes.[130] Die Bundesländer und die Gemeinden haben dafür zu sorgen, dass die notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel zur Verfügung stehen (§ 30 Abs. 6, 7 IfSG). Das dort tätige Personal muss über den erforderlichen Impfschutz oder eine spezifische Prophylaxe verfügen.
Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Quarantäneanordnungen gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG (die also wegen Lungenpest oder hämorrhagischem Fieber angeordnet wurden) stellen eine Straftat dar und werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG). Verstöße gegen vollziehbare Anordnungen zur Aufenthaltsbestimmungen gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 oder 2 IfSG und gegen vollziehbare Quarantäneordnungen gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG, die wegen anderer Krankheiten angeordnet wurde, können als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden (§ 73 Abs. 1a Nr. 6 i. V. m. Abs. 2 IfSG). Wurde durch den Verstoß jemand angesteckt, kann der Verstoß als fahrlässige Körperverletzung (§ 229 Strafgesetzbuch) mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe oder bei (bedingtem) Vorsatz als gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren) bestraft werden. Bei (bedingtem) Vorsatz der Ansteckung ist der Verstoß als Versuch der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 2 Strafgesetzbuch) strafbar. Ggf. steht in Tateinheit strafbares Verbreiten nach § 74 IfSG, der Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht. Das Verbreiten der Lungenpest oder von hämorrhagischem Fieber durch einen Quarantäneverstoß wird gem. § 75 Abs. 3 IfSG mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist (z. B. als gefährliche Körperverletzung, wenn kein minder schweren Fall vorliegt). Unter Verbreiten ist das Übertragen der Krankheit auf einen anderen mit dem Vorsatz der Ansteckung einer unbestimmten Zahl von Menschen zu verstehen.
Die Absonderung in häuslicher Quarantäne für Erkrankte und Kontaktpersonen während der COVID-19-Pandemie in Deutschland wird örtlich begrenzt durch Allgemeinverfügung angeordnet.[131][132][133]
Um der Gefahr einer Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten zu begegnen, kann Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen, Ausscheidern und sonstigen Personen die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagt werden (§ 31 IfSG). Das Tätigkeitsverbot kann auch mit einer Beobachtungsanordnung gem. § 29 IfSG IfSG verbunden werden, damit das Gesundheitsamt bewerten kann, ob das Tätigkeitsverbot aufgrund geänderter Umstände angepasst oder aufgehoben werden muss.[134]
Die Regelung gilt für Personen, die keine Ansteckungsgefahr für die Allgemeinheit im Rahmen des üblichen sozialen Kontakts darstellen, jedoch aufgrund einer besonderen beruflichen Tätigkeit Verletzungsgefahren ausgesetzt sind und infolge der Verletzung der Haut oder anderer Organe zu einer Ansteckungsquelle für andere Personen werden können.[135]
Für HIV-positive Mitarbeiter im Gesundheitswesen haben die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten und die Gesellschaft für Virologie im Jahr 2012 konkrete Empfehlungen erarbeitet, deren Einhaltung die Grundlage einer behördlichen, aber auch gerichtlichen Entscheidung sein kann.[136] Im Jahr 2020 wurden die Empfehlungen für im Gesundheitswesen tätige Hepatitis-B-Virus- und Hepatitis-C-Virus-Infizierte aktualisiert.[137]
In Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne des § 33 IfSG wie Kindertagesstätten, Schulen und Heimen kommen Säuglinge, Kinder und Jugendliche täglich miteinander und mit dem betreuenden Personal in engen Kontakt. Für diese Einrichtungen gab es bereits im Bundes-Seuchengesetz besondere Bestimmungen, da enge Kontakte die Übertragung von Krankheitserregern begünstigen und umso schwerere Krankheitsverläufe erwarten lassen, je jünger die betroffenen Kinder sind.[138]
Mit bestimmten übertragbaren Krankheiten infizierte Erwachsene dürfen in diesen Einrichtungen keine Tätigkeit ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit oder der Verlausung durch sie nicht mehr zu befürchten ist (§ 34 Abs. 1–3 IfSG).[139] Das gilt entsprechend für die in der Gemeinschaftseinrichtung betreuten Kinder, die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienende Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen dürfen. Die Einrichtung ist von einer Erkrankung zu unterrichten, die wiederum das Gesundheitsamt verständigen muss.
Wenn in Gemeinschaftseinrichtungen betreute Kinder mit Krankheitserregern infiziert sind und im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht, kann die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen anordnen, insbesondere die Einrichtung oder Teile davon schließen (§ 34 Abs. 9, § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG).
Die Erstaufnahme in eine Kindertageseinrichtung ist gem. § 34 Abs. 10a Satz 1 IfSG lediglich von dem Nachweis der Eltern über eine in Anspruch genommene Impfberatung nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission abhängig. Ein ausreichender Impfschutz von Kindern ab dem vollendeten ersten Lebensjahr gegen Masern ist seit dem 1. März 2020 gem. § 20 Abs. 8 IfSG hingegen obligatorisch.[140]
Außer den Einrichtungen, in denen überwiegend minderjährige Personen betreut werden, müssen zur Einhaltung der Infektionshygiene auch ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen, Obdachlosenunterkünfte, Asylbewerberheime und Justizvollzugsanstalten sog. Hygienepläne für die innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene erstellen und werden insoweit durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht (§ 36 Abs. 1 IfSG).[141][142][143][144]
Im Zusammenhang mit der Aufnahme in Pflegeheime, Obdachlosenunterkünfte und Asylbewerberheime findet eine besondere Untersuchung auf Lungentuberkulose statt.
Anders als § 31 IfSG, der im Einzelfall zur Untersagung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit durch das Gesundheitsamt ermächtigt, enthält § 42 Abs. 1 IfSG ein gesetzliches Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot für Personen, die an bestimmten übertragbaren Krankheiten leiden und bei ihrer beruflichen Tätigkeit so mit Lebensmitteln in Berührung kommen, dass eine Übertragung von Krankheitserregern auf die Lebensmittel zu befürchten ist. Die einschlägigen Erkrankungen sind in § 42 Abs. 1 IfSG (z. B. Salmonellose), die betreffenden Lebensmittel in § 42 Abs. 2 IfSG aufgeführt (Fleisch, Milch, Eiprodukte, Backwaren etc.)
Das Verbot gilt sowohl für Personen in der Produktion und im Handel, die Lebensmittel herstellen, behandeln oder in Verkehr bringen oder in Küchen von Gaststätten und Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten als auch für Mitarbeiter der behördlichen Lebensmittelüberwachung (§ 42 Abs. 3 IfSG), nicht jedoch im privaten hauswirtschaftlichen Bereich (§ 42 Abs. 1 Satz 3 IfSG).
Das Gesundheitsamt kann im Einzelfall Ausnahmen von dem Verbot zulassen, wenn Maßnahmen durchgeführt werden, mit denen eine Übertragung der aufgeführten Erkrankungen und Krankheitserreger verhütet werden kann (§ 42 Abs. 4 IfSG).
Die erstmalige Aufnahme einer Tätigkeit setzt eine zu bescheinigende Belehrung durch das Gesundheitsamt voraus, die der Arbeitgeber bzw. Dienstherr durch eine Folgebelehrung alle zwei Jahre wiederholen muss (§ 43 Abs. 1, 4 IfSG) ähnlich der Unterweisung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit gem. § 12 ArbSchG.[145]
Nachdem Untersuchungen belegt hatten, dass die Ursache der pandemisch auftretenden Erkrankungswellen durch Salmonellen in der Kontamination von Futtermitteln und tierischen Rohprodukten in Verbindung mit einer nicht ausreichenden thermischen Behandlung beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel liegt und infiziertes Personal als Ursache lebensmittelbedingter Infektionen eine vergleichsweise geringe Rolle spielt, wurde die noch im Bundes-Seuchengesetz vorgehehene jährliche amtsärztliche Untersuchung der Beschäftigen und Nachweis in einem Gesundheitszeugnis nicht in das IfSG übernommen. Stattdessen setzt die Vorschrift auf die Schaffung von Kenntnissen durch Belehrung und auf eine Zusammenarbeit der Beteiligten.[146] Im Einzelfall machen die Gesundheitsämter von der Generalklausel des § 16 IfSG Gebrauch und ordnen eine Untersuchung an.
Die Arbeit mit Krankheitserregern unterliegt grundsätzlich einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 44 IfSG). Krankheitserreger im Sinne des IfSG ist ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann (§ 2 Nr. 1 IfSG). Als Arbeiten mit Krankheitserregern sind insbesondere Versuche mit vermehrungsfähigfen Krankheitserregern, mikrobiologische und serologische Untersuchungen zur Feststellung übertragbarer Krankheiten sowie die Fortzüchtung von Krankheitserregern anzusehen (§ 20 Abs. 2 Bundes-Seuchengesetz), d. h. sowohl diagnostische als auch Forschungstätigkeiten.
Die Erlaubnispflicht bezweckt eine Gefahrenkontrolle, um die fraglichen Tätigkeiten vorab auf ihre Ungefährlichkeit hin zu überprüfen, nicht aber die Tätigkeiten generell zu untersagen. Deshalb besteht auch ein Anspruch auf die Erlaubnis, wenn die vorgeschriebene Sicherheitsvorkehrungen erfüllt sind.[147] Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird allerdings bestraft, wer ohne Erlaubnis nach § 44 IfSG arbeitet (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 IfSG).
Für die Erlaubnisfreiheit wird auf die Meldepflicht der Krankheitserreger abgestellt und auf die durchgeführten Tätigkeiten, von denen unterschiedliche Risiken ausgehen können.[148] Keiner Erlaubnis bedürfen etwa Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte für bestimmte mikrobiologische Untersuchungen, wenn diese nicht auf den spezifischen Nachweis meldepflichtiger Krankheitserreger gerichtet sind (§ 45 Abs. 1 IfSG). Die Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten unterliegt bereits nach dem Arzneimittel- bzw. dem Medizinproduktegesetz der Erlaubnis, so dass diese von der Erlaubnispflicht gem. § 45 Abs. 2 IfSG ausgenommen ist. Nach § 45 Abs. 3 IfSG können besonders sachkundige Personen für bestimmte Tätigkeiten, die an sich erlaubnispflichtig sind, ausnahmsweise von der Erlaubnispflicht befreit werden, nach § 45 Abs. 4 IfSG können an sich erlaubnisfreie Tätigkeiten untersagt werden, wenn die Person, die sie ausführt, sich als unzuverlässig erwiesen hat.
Unabhängig von einer eventuellen Erlaubnispflicht unterliegt jede Tätigkeit mit Krankheitserregern der Anzeigepflicht.[149] Die Tätigkeit wird untersagt, wenn die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet ist (§ 49 Abs. 3 IfSG).[150]
Deutschland beteiligt sich an der Globalen Polioeradikationsinitiative (GPEI) der Weltgesundheitsorganisation mit dem Ziel einer weltweiten Ausrottung der Kinderlähmung.[151]
Ein Bestandteil der Initiative ist es, zu erfassen, wo Polio-Wildviren, Polio-Impfviren und Materialien, die möglicherweise Polioviren enthalten, gelagert werden, diese Bestände, sofern sie vorläufig noch gebraucht werden, schrittweise in besonders sichere zentrale Einrichtungen zu verbringen und sie schließlich zu vernichten. Dadurch soll verhindert werden, dass es etwa durch Laborunfälle wieder zu Ausbrüchen von Polio kommen kann, nachdem Impfprogramme der WHO Neuinfektionen mit bestimmten Typen von Polioviren vollständig verhindern konnten.[152]
Rechtsgrundlage für den sicheren Einschluss von Polioviren in Einrichtungen (sog. Laborcontainment von Polioviren) in Bezug auf die bezweckte Vernichtung ist § 50a IfSG.[153]
Personen, denen nach § 31 IfSG ihre bisherige berufliche Tätigkeit ganz oder teilweise untersagt oder die einer Quarantänemaßnahme unterworfen werden und dadurch einen Verdienstausfall erleiden, erhalten eine Entschädigung in Geld durch das zuständige Bundesland, wenn sie das Tätigkeitsverbot oder die Absonderung nicht durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung vermeiden konnten (§ 56 Abs. 1 IfSG). Die Regelung gilt für Arbeitnehmer und für Selbständige, jedoch nur für natürliche Personen, nicht für Unternehmen.[154][155]
Soweit die Anordnung des Tätigkeitsverbots bzw. der Quarantäne rechtmäßig ist, handelt es sich um eine Billigkeitsregelung, nicht um eine verschuldensabhängige Staatshaftung. Da die Personen als Träger von Krankheitserregern zudem Störer im polizeirechtlichen Sinne sind, greifen die Rechtsgedanken zur Entschädigung für ein Sonderopfer wie bei der Heranziehung zur Gefahrenabwehr trotz fehlender Verantwortlichkeit nicht ein.[156]
Da die genannten Personen vom Schicksal in ähnlicher Weise betroffen sind wie Kranke, erscheint es jedoch angezeigt, ihnen Leistungen zu gewähren, wie sie sie als Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung im Krankheitsfalle erhalten würden.[157][158] Für die ersten sechs Wochen wird entsprechend der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls gewährt (Netto-Arbeitsentgelt, § 56 Abs. 3 Satz 1 IfSG), vom Beginn der siebenten Woche an in Höhe des gesetzlichen Krankengeldes. Darf der Betroffene einen Teil seiner bisherigen Tätigkeiten weiter verrichten und tritt deshalb nur eine Einkommensminderung ein, ist der Verdienstausfall gleich dem Unterschiedsbetrag zwischen dem bisherigen durchschnittlichen Arbeitseinkommen und dem im Kalendermonat nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit erzielten Arbeitseinkommen (§ 56 Abs. 3 Satz 3 IfSG).
Mit Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurde mit Wirkung zum 30. März 2020 eine Regelung zur Abmilderung von Verdienstausfällen eingeführt, die erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern erleiden, wenn sie ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen können, weil Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen aufgrund behördlicher Anordnung vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten vorübergehend verboten ist (§ 56 Abs. 1a IfSG n.F., § 28 Abs. 1 Satz 2, § 33 IfSG). Der Anspruch ist auf einen Zeitraum von längstens sechs Wochen und der Höhe nach auf 67 % des dem erwerbstätigen Sorgeberechtigten entstandenen Verdienstausfalls bis zu einem Höchstbetrag von 2.016 Euro monatlich für einen vollen Monat begrenzt und besteht nicht für die Zeit, in der eine Schließung ohnehin wegen der Schulferien erfolgen würde.[159] Die Regelung tritt am 1. Januar 2021 wieder außer Kraft.[160]
Die Entschädigung wird auf Antrag von der zuständigen Behörde gewährt. In Bayern sind das beispielsweise die Regierungen,[161] in Nordrhein-Westfalen die Landschaftsverbände.[162] Bei Arbeitnehmern hat für die ersten sechs Wochen der Arbeitgeber die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen, die ihm anschließend von der Behörde erstattet wird (§ 56 Abs. 5 IfSG). Der Arbeitgeber und auch Selbständige können einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrags von der Behörde verlangen (§ 56 Abs. 12 IfSG).
Für Ansprüche gegen das zur Zahlung verpflichtete Bundesland, die nach dem 18. November 2020 rechtshängig werden, ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben (§ 68 Abs. 1 Satz 1, § 77 Abs. 3 IfSG), nicht mehr der ordentliche zu den Zivilgerichten.[163]
Das Reichsgericht hatte eine Entschädigung für Impfschäden abgelehnt.[164] Mit dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 1953 gebrochen.[165][166] Im Bundes-Seuchengesetz von 1962 wurden die vom BGH entwickelten Grundsätze in §§ 50–55 BSeuchG erstmals „als Anwendungsfall des Aufopferungsanspruchs“ gesetzlich geregelt.[167][168]
Die Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes für Personen, die durch eine Schutzimpfung eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, ist seit 2001 in § 60 IfSG geregelt und gehört systematisch zum sozialen Entschädigungsrecht (§ 68 Nr. 7d SGB I).
Der Impfschaden ist in § 2 Nr. 11 IfSG legaldefiniert als „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde.“ Als Impfschaden gelten auch die Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die durch einen Unfall auf einem Hin- oder Rückweg oder bei der Durchführung einer Impfung herbeigeführt worden sind, auch bei einer Begleitperson (§ 60 Abs. 5 Satz 1 IfSG, § 1 Abs. 2 Buchstabe e, f, § 8a BVG).
Die Versorgung erstreckt sich auf die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung bei dem Geschädigten selbst sowie den Hinterbliebenen eines Geschädigten und den Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft (§ 60 Abs. 1, 4 IfSG, § 9 BVG analog). Dem Geschädigten sind im Rahmen der Heilbehandlung auch heilpädagogische Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen zu gewähren (§ 62 IfSG).
Zuständig sind die Versorgungsämter, im Streitfall grundsätzlich die Sozialgerichte (§ 64, § 68 Abs. 2 IfSG).
Der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung ist meldepflichtig (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IfSG) und wird von dem Gesundheitsamt gem. § 11 Abs. 4 IfSG der zuständigen Landesbehörde und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) übermittelt. Die Meldung soll alle ermittelbaren Angaben beinhalten, wie Bezeichnung des Produktes, Name oder Firma des pharmazeutischen Unternehmers, die Chargenbezeichnung, den Zeitpunkt der Impfung und den Beginn der Erkrankung. Die Meldung erfolgt in pseudonymisierter Form (personenbezogene Angaben sind unkenntlich zu machen).
Von Nebenwirkungen betroffene Personen können diese auch selbst online an das PEI melden.[169]
Das Paul-Ehrlich-Institut wertet die Meldungen dahingehend aus, ob sich die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des betreffenden Impfstoffs ändert und deswegen gegebenenfalls Maßnahmen, z. B. ein Rückruf nach dem Arzneimittelgesetz (AMG), zu ergreifen sind (§ 62, § 77 AMG).
Von 2005 bis 2009 wurden 1036 Anträge auf Anerkennung von Impfschäden gestellt, im gleichen Zeitraum wurden 169 Entschädigungen bewilligt. Die Anzahl der in Deutschland gestellten Anträge liegt im Mittel jährlich bei 207, die der Anerkennungen von Impfschäden bei 34. Dem stehen fast 45 Mio. Impfdosen gegenüber, die allein im Jahr 2008 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet und verimpft worden sind.[170][171]
Mit einer messbaren Zahl von Impfschäden belastet ist die Schluckimpfung gegen Poliomyelitis (Kinderlähmung). Schätzungsweise muss mit einem Impfschaden auf einer bis vier Millionen Impfungen mit dem oralen Polioimpfstoff gerechnet werden.[172][173]
Zum 1. Januar 2024 werden Leistungen der sozialen Entschädigung bei Impfschäden in das Vierzehnte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV) eingeordnet (§ 24 SGB XIV,[174] Art. 46 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts).[175]
§ 57 BSeuchG in seiner ursprünglichen Fassung von 1961[176] sah eine Entschädigung vor für die Eigentümer von Gegenständen, die mit übertragbaren Krankheitserregern behaftet und vernichtet worden waren, weil sie nicht desinfiziert werden konnten. Praktisch bedeutsamster Anwendungsfall waren Anordnungen in Bezug auf verseuchte Lebensmittel, beispielsweise mit Salmonellen belastetes Geflügel. Das Gesetz unterschied nicht, ob sich die Maßnahme gegen einen Störer oder einen Nichtstörer im Sinne des Polizeirechts richtet. Die Regelung hatte „wegen ihrer außerordentlichen Großzügigkeit zu einer erheblichen, ungerechtfertigten finanziellen Belastung der Länder geführt.“ Außerdem hatten die Gesundheitsbehörden dem Zweck des Bundes-Seuchengesetzes zuwider versucht, nach Möglichkeit auf seuchenhygienische Maßnahmen zu verzichten, um die entschädigungsrechtlichen Auswirkungen zu vermeiden. Die Neufassung des § 57 im Jahr 1971 sah deshalb eine Entschädigung nur noch vor, wenn sich die Maßnahme gegen einen Nichtstörer gerichtet hat und deshalb eine entschädigungspflichtige Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) vorlag.[177]
Diese Regelung wurde in § 65 IfSG übernommen.[178] Danach ist eine Entschädigung in Geld zu leisten, soweit auf Grund einer Maßnahme nach den § 16 und § 17 Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird; eine Entschädigung erhält jedoch nicht derjenige, dessen Gegenstände mit Krankheitserregern oder mit Gesundheitsschädlingen als vermutlichen Überträgern solcher Krankheitserreger behaftet oder dessen verdächtig sind (§ 65 Abs. 1 Satz 1 IfSG).
Aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten bleiben die Eigentümer kontaminierter Sachen („Zustandsstörer“) ausgeschlossen, die Schutzeingriffe im dringenden Gemeinwohlinteresse zu dulden haben. Er wird auf die „Nichtstörer“ begrenzt, d. h. diejenigen, die durch die behördlich veranlasste Beschädigung oder Vernichtung von Gegenständen betroffen sind, die nicht mit Krankheitserregern behaftet oder dessen verdächtig sind, aber vorsorglich vernichtet werden.[179]
Erfasst sind die allgemeinen und besonderen Maßnahmen zur Verhütung von übertragbaren Krankheiten, nicht aber solche zu ihrer Bekämpfung. Für die Gefahrenabwehr-/Bekämpfungsphase sieht das Gesetz nur einen Anspruch der von Berufsausübungsverboten betroffenen Personen auf Verdienstausfallentschädigung vor (§ 56 IfSG).
Für Streitigkeiten über Entschädigungsansprüche nach § 65 ist der ordentliche Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben (§ 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG).
Trink- und Badewasser muss so beschaffen sein, dass eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist. Es unterliegt einer Qualitätskontrolle durch die Gesundheitsämter (§ 37 Abs. 3 IfSG).
§ 37 Abs. 1 IfSG betrifft das „Wasser für den menschlichen Gebrauch.“ Darunter fallen sowohl das den Privathaushalten zum unmittelbaren Verzehr zur Verfügung gestellte Trinkwasser ungeachtet seiner Herkunft aus einem Verteilungsnetz, aus Tankfahrzeugen, Flaschen oder anderen Behältern als auch das in Lebensmittelbetrieben zur Herstellung von Produkten für den menschlichen Verzehr verwendete Wasser. Der Begriff wird im Sinne der EU-Trinkwasser-Richtlinie verwendet.[180][181] Die Anforderungen an Trinkwasser werden in der Trinkwasserverordnung konkretisiert, erlassen aufgrund von § 38 Abs. 1 IfSG.
§ 37 Abs. 2 IfSG gilt für sämtliche Einrichtungen, in denen Schwimm- und Badebeckenwasser nicht ausschließlich für private Zwecke zur Verfügung gestellt wird. Eine Rechtsverordnung zur Konkretisierung der Anforderungen an Schwimm- und Badewasser gem. § 38 Abs. 2 IfSG gibt es nicht. § 39 Abs. 2 stellt jedoch in Verbindung mit § 16 Abs. 6–8 IfSG auch die Einhaltung der Vorschriften des § 37 Abs. 2 IfSG durch sofort vollziehbare Maßnahmen der zuständigen Behörden sicher, ohne dass es einer Rechtsverordnung bedürfte.[182] Eine Empfehlung des Umweltbundesamtes gem. § 40 IfSG[183] legt in Verbindung mit der DIN-Norm 19643 zur Badewasseraufbereitung[184] die mikrobiologischen und chemischen Anforderungen an die Wasserqualität in Schwimm- und Badebecken fest und beschreibt Maßnahmen, die zu ergreifen sind, wenn die Anforderungen nicht eingehalten werden.[185][186]
Auch bei der Abwasserbeseitigung dürfen Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Krankheitserreger nicht entstehen. § 41 Abs. 1 IfSG enthält eine entsprechende Verpflichtung der Abwasserbeseitigungspflichtigen. Das sind diejenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die nach Landesrecht hierzu verpflichtet sind (§ 56 WHG), in der Regel die Städte und Gemeinden.
Abwasser, das nicht beseitigt, sondern wiederverwertet werden soll, unterliegt als Sekundärrohstoffdünger dagegen dem Düngemittelgesetz.[187]
Die Straf- und Bußgeldvorschriften der § 73 bis § 75 IfSG sollen die Gebote und Verbote, die der Verhütung oder der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen, in wirkungsvoller Weise verstärken.[188] Strafzweck ist vornehmlich die Generalprävention.
Der lange Katalog mit Bußgeldvorschriften in § 73 Abs. 1a Nr. 1–24 IfSG benennt insbesondere Verstöße gegen die im IfSG geregelten Melde-, Auskunfts-, Mitteilungs- und Nachweispflichten, Ausgangsbeschränkungen oder Quarantänebestimmungen sowie Verhaltenspflichten in den aufgrund des IfSG erlassenen landesrechtlichen Verordnungen (z. B. Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht),[189] ohne dass dadurch eine Person zu Schaden kommt. Die Geldbußen können bis zu 25.000 Euro betragen (§ 73 Abs. 2 IfSG).
Wenn der Täter bestimmte, gem. § 73 IfSG nur als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bewehrte Handlungen vorsätzlich begeht und dadurch eine meldepflichtige Krankheit verbreitet, also einen Menschen mit der Folge der Gefahr der Infektion einer unbestimmten Vielzahl von Menschen (bedingt) vorsätzlich ansteckt, droht gem. § 74 IfSG Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Allerdings ergibt sich durch die in Tateinheit stehende gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch), die mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren) bestraft wird, eine höhere Strafdrohung. Bei (bedingtem) Vorsatz der Ansteckung ist der Verstoß als Versuch der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 2 Strafgesetzbuch) strafbar. Kommt es durch einen Verstoß fahrlässig zu einer Ansteckung, kann dies als fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Eine Bestrafung wegen gefährlicher Körperverletzung ist schon dann möglich, wenn ein einzelner anderer Mensch infiziert wurde, auch wenn keine Gefahr der Weiterverbreitung besteht.
Gem. § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG sind Verstöße gegen Quarantäne, die gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG angeordnet wurde, also wegen Lungenpest oder hämorrhagischem Fieber, auch dann strafbar, wenn durch den Verstoß niemand angesteckt wurde.
Die Herstellung und der Gebrauch unrichtiger COVID-19-Zertifikate für geimpfte, genesene und getestete Personen (§ 22 Abs. 5–7 IfSG) zur Täuschung im Rechtsverkehr stehen gem. § 75a IfSG gesondert unter Strafe.
Die Kosten für die Übermittlung der Meldungen, Erhebungen, Ermittlungen, Schutzmaßnahmen, Röntgenuntersuchungen etc. sind aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten (§ 69 des Infektionsschutzgesetzes).
Der Vollzug des Infektionsschutzgesetzes wird für alle Soldaten an die zuständigen Stellen der Bundeswehr übertragen, wie Personen, die in Einrichtungen der Bundeswehr untergebracht sind, dort wohnen, Bundeswehrangehörige auf dem Transport, bei Märschen, Manövern und Übungen, ferner Belehrungen nach §§ 42 und 43 für Personen, die in Einrichtungen der Bundeswehr tätig sind (§ 70 IfSG). Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten treffen die Standortärzte in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt.[190] Das Robert Koch-Institut stellt die Ergebnisse seiner infektionsepidemiologischen Auswertungen auch dem Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr zur Verfügung (§ 4 Abs. 2 Nr. 3b IfSG).
Im Bereich der Eisenbahnen des Bundes und der Magnetschwebebahnen obliegt der Vollzug des IfSG für Schienenfahrzeuge sowie für ortsfeste Anlagen zur ausschließlichen Befüllung von Schienenfahrzeugen dem Eisenbahn-Bundesamt (§ 72 IfSG).
Eine Erlaubnis für das Arbeiten und den Verkehr mit Krankheitserregern, die auf der Basis des Bundesseuchengesetzes erteilt worden war, gilt als Erlaubnis nach § 44 IfSG weiter. Auch die sogenannten Gesundheitszeugnisse (Gesundheitsanforderungen beim Umgang mit Lebensmitteln), die vor Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes ausgestellt worden waren, bleiben gültig und gelten als Bescheinigung über die Hygienebelehrung nach § 43 Abs. 1 IfSG (§ 77 IfSG).
Mit dem IfSG gelten im gesamten Bundesgebiet zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse einheitliche Regelungen zum Schutz der Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten.[191]
Die Bundesgesetze werden jedoch grundsätzlich von den Ländern vollzogen (Art. 83 GG). Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung die für den Vollzug des IfSG in den einzelnen Bundesländern jeweils zuständigen (Landes-)Behörden (§ 54 IfSG), die die Aufgaben des IfSG für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich jeweils selbständig wahrnehmen.
Angesichts der COVID-19-Pandemie in Deutschland wurde in den Medien kritisiert, dass diese dezentrale Zuständigkeit in einem föderalen System wie Deutschland zwar bewusst gewollt und bei lokal auftretendem Handlungsbedarf ausreichend sei, dass aber Zuständigkeiten bei einer bundesweit bestehenden Gefahrenlage bestehen müssten, die einen bundesweit einheitlichen Vollzug ermöglichen.[192]
Bund und Länder stimmten bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020[193] gemeinsame Leitlinien gegen die Ausbreitung des Coronavirus ab (§ 5 IfSG a.F.).[31][194][195] Mit Wirkung zum 28. März 2020 wurde dieses Verfahren durch die Feststellung einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ durch den Deutschen Bundestag ersetzt (§ 5 IfSG n.F.) und das Bundesministerium für Gesundheit befristet bis zum 1. April 2021 ermächtigt, unbeschadet der Befugnisse der Länder diverse Anordnung oder Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates zu erlassen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1–8 IfSG n.F.).
Am 23. Mai 2020 traten die Änderungen durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft.[196]
Am 6. November 2020 wurde der Entwurf der Bundestags-Fraktionen der CDU/CSU und SPD für ein Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite an den Gesundheitsausschuss überwiesen.[197] Am 12. November 2020 fand die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss statt (siehe auch dort zu den Sachverständigengutachten).[198][199] Am 18. November 2020 wurde es von Bundestag und Bundesrat verabschiedet[200][201] und im Bundesgesetzblatt verkündet.[202]
Mit dem Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021[203] wurde das Infektionsschutzgesetz um eine Reihe von Maßnahmen ergänzt, die in allen Landkreisen ab einer 7-Tages-Inzidenz von 100 unmittelbar gelten sowie um eine Verordnungsermächtigungen der Bundesregierung, zusätzliche Ge- und Verbote zu erlassen sowie Erleichterungen und Ausnahmen für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 auszugehen ist.
Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 7. Mai 2021[204] wurden Öffnungsklauseln geschaffen (bzw. Grundlagen für Öffnungsklauseln durch Verordnung) für das Tätigwerden der Länder bei Erleichterungen für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Testergebnis vorlegen können.
Am 31. Mai 2021 wurde das Zweite Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Gesetze verkündet.[205] Unter anderem soll durch dieses Änderungsgesetz klargestellt werden, „dass der Anspruch auf Versorgung bei Impfschäden auch bei gesundheitlichen Schädigungen durch Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gilt.“[206][207] Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erwartete von der Änderung des § 60 IfSG, dass Ärzten beispielsweise bei der Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca (siehe AZD1222) keine Haftung mehr drohe.[208] Nachtragungen im Impfausweis dürfen zukünftig nicht nur Ärzte, sondern auch Apotheker vornehmen[209] (§ 22 IfSG n. F.). Weiterhin sieht das Infektionsschutzgesetz nun bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe für das Ausstellen unrichtiger Impf- und Testbescheinigungen sowie bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe für den Gebrauch solcher vor (§ 74 Abs. 2 IfSG und § 75a IfSG neuer Fassung).[209]
Am 25. März 2020 wurde das Bayerische Infektionsschutzgesetz erlassen (GVBl. S. 174), das Regelungen zur Sicherung der Versorgung mit medizinischem, pflegerischem und sanitären Material sowie der Personalkapazität im Fall eines „Gesundheitsnotstands“ enthält.
Im April 2020 veröffentlichte der Argon Verlag das Infektionsschutzgesetz als Hörbuch, gelesen von Christoph-Maria Herbst. Zweck sei es, „der interessierten Hörerschaft eine fesselnde und unterhaltsame Interpretation des Textes verfügbar zu machen und näherzubringen.“[210] Obwohl der Text mit leiser Ironie vorgetragen werde, bleibe „beim Hören eine bittere Note nicht aus.“[211]
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