Hugo Portisch (* 19. Februar 1927 in Bratislava, Tschechoslowakei; † 1. April 2021[1] in Wien[2]) war ein österreichischer Journalist. Durch seine Art, komplizierte politische und wirtschaftliche Zusammenhänge auch für interessierte Laien verständlich zu erklären, wurde er zu einem der bedeutendsten Journalisten in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg.
Hugo Portisch verbrachte seine Schulzeit als Sohn der ab 1920 verheirateten Österreicher Emil und Hedi Portisch in Pressburg, das kulturell in den letzten Jahrzehnten Österreich-Ungarns wie eine kleinere, ebenfalls an der Donau gelegene Schwesterstadt Wiens wirkte, von dem es nur 60 Kilometer entfernt ist. In der Stadt wurde damals neben Slowakisch auch Deutsch und Ungarisch gesprochen.
Sein Vater Emil (1887–1985) aus St. Pölten, Niederösterreich, wurde 1920 Redakteur und 1924 (letzter) Chefredakteur der erstmals 1764 erschienenen Preßburger Zeitung, eines liberalen, demokratisch orientierten Blattes.[3] Nach dem Ende der Preßburger Zeitung 1929 versuchte Emil Portisch noch zweimal, die Zeitung wiederzubeleben. Das Nachfolgeblatt Neue Preßburger Zeitung wurde letztlich bei der „Zerschlagung“ der Tschechoslowakei, die am 15. März 1939 erfolgte, unter dem slowakischen Regime von Jozef Tiso, da es den Nationalsozialismus nicht befürwortete, mit der sofortigen Enteignung der jüdischen Besitzer eingestellt. (Unter „nationalsozialistischem Gestaltungswillen“ erschien das Blatt dann doch noch ein paar Wochen.)[4]
Während des Krieges konnte der Vater, obwohl die deutsche „Volksgruppenführung“ dagegen war,[5] in der neu gegründeten slowakischen Nachrichtenagentur tätig sein, die die internationalen Nachrichtenverbindungen pflegte. Hugo Portischs Eltern verließen letztlich Pressburg Anfang 1945 und kehrten nach St. Pölten zurück, während der Sohn in Pressburg noch immer das deutsche, ab Sommer 1939 ohne jüdische Schüler geführte Gymnasium besuchte. Um nicht zur Wehrerziehung beziehungsweise zur Waffen-SS einberufen zu werden, engagierte sich Hugo Portisch 1944 bei der Freiwilligen Feuerwehr, die ihn angesichts der ständigen Bombenabwürfe im letzten Kriegsjahr und der daraus entstandenen Brände als Freiwilligen sehr gut brauchen konnte.
Hugo Portisch erhielt sein Reifezeugnis nach eigenen Angaben nach einem noch nicht beendeten Abiturlehrgang ohne formale Prüfung am 4. April 1945, nur wenige Stunden bevor die Rote Armee in die Stadt einmarschierte.[6] Sogleich wurde er ins Wiener Arsenal geschickt, um dort einen weiteren Marschbefehl entgegenzunehmen. Den zuständigen Wehrmachtsoffizier in Wien konnte er bestechen, worauf dieser ihn und drei Kameraden ohne Frist nach Prag schickte.[7] Portisch fuhr daraufhin, da sein Marschbefehl diese Fahrtrichtung nicht ausschloss, nach St. Pölten, wo ein Onkel den bis zu ihrem Tod von seinen Großeltern bewohnten Bauernhof im Stadtteil Oberwagram führte und wo auch seine Eltern aufgenommen worden waren. Gemäß seinem Marschbefehl setzte er die Reise Richtung Prag fort, dann machte der Kriegsverlauf kurz vor der Kapitulation des Dritten Reichs die Weiterfahrt obsolet.
Die Absicht, nach Pressburg zurückzukehren, erwies sich für Hugo Portisch und seine Eltern als nicht realisierbar; obwohl Vater Portisch Demokrat gewesen war, hatten die neuen Machthaber keine Verwendung mehr für ihn und andere Deutschsprachige. Hugo studierte dann an der Universität Wien Geschichte, Germanistik, Anglistik und Publizistik und schloss 1951 das Studium mit der Dissertation Das Zeitungswesen und die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika vor und während des Bürgerkrieges 1861–1865 als Dr. phil. ab.[8][9] In seinen Memoiren erwähnte er 2015 Marianne Lunzer und Kurt Paupié, die am Institut unterrichteten.
Verheiratet war Portisch mit Gertraude Portisch, einer Autorin von Kinderbüchern, die sie unter ihrem Geburtsnamen Traudi Reich veröffentlichte. Das Ehepaar lebte in Wien und der Toskana. Der gemeinsame Sohn Edgar lebte und arbeitete in Madagaskar, wo er 2012 an den Folgen einer Tropenkrankheit starb.[10] Gertraude Portisch starb am 23. Jänner 2018, im 98. Lebensjahr.[11]
Hugo Portischs älterer Bruder (Emil Portisch jun., geb. 1921) arbeitete ebenfalls als Journalist.
Nach kurzer Krankheit starb Hugo Portisch am 1. April 2021 im Privatkrankenhaus Rudolfinerhaus in Wien.[12][2] Er wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet (Gruppe 33G, Nummer 12).
Er begann 1947 als Redaktionseleve der Wiener Redaktion des St. Pöltner Pressvereins. 1948 war er als Redaktionsaspirant bei der Wiener Tageszeitung tätig, deren außenpolitisches Ressort er 1950 übertragen bekam.[1][13] 1950 war er einer von zehn ausgewählten österreichischen Journalisten, die auf Kosten der USA den sechsmonatigen Journalistenkurs „School of Journalism“ an der University of Missouri in den Vereinigten Staaten absolvieren durften, und arbeitete dabei als Praktikant unter anderem bei der New York Times und der Washington Post, bis heute renommierten Blättern.
1953 wurde Portisch stellvertretender Leiter des beim Generalkonsulat angesiedelten österreichischen Informationsdiensts in New York. Er hatte Bundeskanzler Julius Raab bei seinem USA-Besuch zu begleiten, der ersten Überseereise Raabs, der nicht Englisch sprach.[13]
1954 lud ihn Hans Dichand ein, am Neuen Kurier mitzuarbeiten, der in der Nachfolge des US-Besatzungsblattes Wiener Kurier erscheinen sollte. 1958 machte ihn Eigentümer Ludwig Polsterer zum Chefredakteur als Nachfolger Dichands.[1] Während seiner Zeit beim Kurier war er auch beim Bayerischen Fernsehen tätig. Nach dem Rundfunkvolksbegehren 1964, das er beim Kurier mit Rückendeckung Polsterers gemeinsam mit anderen Zeitungsherausgebern initiierte, holte ihn der neue ORF-Generalintendant Gerd Bacher 1967 zum Österreichischen Rundfunk, wo Portisch als Chefkommentator fungierte. Lange Jahre war er später Auslandskorrespondent des ORF in London. Neben diesen Tätigkeiten verfasste er Bücher über seine weltweiten Reisen wie So sah ich China, So sah ich Sibirien und andere, die zum Teil Bestseller wurden.
Im Jahre 1991 schlug man ihn als Nachfolger des scheidenden Bundespräsidenten Kurt Waldheim vor, der auf Grund des Verschweigens seiner Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg und deren Bekanntwerdens nicht noch einmal kandidieren wollte. Wegen des angeschlagenen Images Österreichs im Ausland wollte man einen bekannten und kompetenten Mann in dieses Amt wählen. Die konkurrierenden Parteien SPÖ und ÖVP wären sogar bereit gewesen, Hugo Portisch gemeinsam bei der Kandidatur zu unterstützen. Portisch zeigte sich ob des Vertrauensbeweises geehrt, lehnte jedoch mit Verweis auf die protokollarischen Einengungen, die mit dem Amt verbunden sind, dankend ab.[1] Er schrieb in diesem Zusammenhang seine Gedanken für Bundeskanzler Franz Vranitzky nieder, die dieser in seine Rede vor dem Nationalrat am 8. Juli 1991 einbaute. In dieser Rede rückte Vranitzky von der Opferthese ab und bekannte offiziell die Mitschuld der Österreicherinnen und Österreicher an den nationalsozialistischen Taten.[14]
Einmal trat Portisch auch als Filmschauspieler auf: 1980 schien er im österreichischen Fernsehfilm Maria Theresia in der Besetzungsliste als Erster Berichterstatter auf. Zweiter und Dritter Berichterstatter waren ebenfalls bekannte Persönlichkeiten: Walter Koschatzky, Direktor der Grafischen Sammlung Albertina, und Chemotherapiespezialist Karl Hermann Spitzy.[15]
Bekannt wurde Hugo Portisch durch seine Bücher und die daraus resultierenden Fernsehsendungen. Weltpolitisches wie Friede durch Angst (1969) und Die deutsche Konfrontation (1974) wurden große Erfolge. Überaus erfolgreich wurden die Bücher und Fernsehserien Österreich I (1989) und Österreich II (1981–1995), in denen er die Geschichte der Ersten und Zweiten Republik allgemein verständlich sehr anschaulich dargestellt hat. 2014/2015 wurden einige dieser Sendungen neu herausgebracht und von Portisch aktuell kommentiert. Die DVD zu Österreich I erreichte Platin- und die DVD zu Österreich II Gold-Status.[16]
Anlässlich des Jubiläumsjahres 2005 produzierte er die Dokumentarserie Die Zweite Republik – eine unglaubliche Geschichte für den ORF, in der Dokumente gezeigt und erklärt werden, die bei seinen vorherigen Dokumentationen noch unter Verschluss anderer Staaten, vor allem Russlands, waren.
Weiters war Hugo Portisch auch ein anerkannter Spezialist für Pilze. Mit seiner Frau hat er ein Buch übers Pilzesuchen veröffentlicht und präsentierte den ORF-Film aus der Dokumentations-Reihe Universum Das geheimnisvolle Leben der Pilze.
Im Herbst 2021 will der ORF III eine zweiteilige Dokumentation unter dem Titel Hugo Portisch – Russland und wir, basierend auf dem im September 2020 erschienenen gleichnamigen Buch, ausstrahlen. Regie führt Kurt Mayer. In zwei Teilen à 50 Minuten soll die Dokumentation eine aktuelle Bestandsaufnahme des heutigen Russlands unter besonderer Berücksichtigung seiner Historie bieten.[17]
Vor allem mit seinen Dokumentationen Österreich I und Österreich II hat Hugo Portisch das kollektive Geschichtsbewusstsein Österreichs geprägt. Von Zeitgeschichtlern werden jedoch unter anderem seine Darstellungen der Entnazifizierung und der „Selbstausschaltung des Parlaments“ kritisiert (letztere wurde in der Dokumentation mit „die Demokraten konnten sich nicht einigen“ kommentiert). Portisch erwiderte auf die Kritik mit der Feststellung, er sei Journalist und kein Historiker. Bemerkenswert erscheint in diesem Kontext der Tenor der Nachrufe in einigen besonders kritischen Medien. Christa Zöchling vermerkte im "Profil": "Dass einer wie Portisch nicht mehr ist, tut weh."[18] Oliver Rathkolb schrieb im "Falter": "Längst ist die Kritik der Linken an Portischs Analysen zur US-Außenpolitik im kalten Krieg verebbt."[19] Im "Tagebuch" (5/2021) vermerkte demgegenüber John Evers, dass Portisch sehr lange im kalten Krieg verhaftet geblieben war, aber in einem seiner letzten Interviews ein überraschend positives Bild von der Rolle der Roten Armee am Tag der Befreiung Wiens gezeichnet hatte.[20] Das entsprechende Interview erschien 2020 in der Furche.[21]
Durch seine guten Kontakte erfuhr Portisch am 14. April 1955 als stellvertretender Chefredakteur des Kuriers als Erster in Österreich davon, dass die Verhandlungen über den österreichischen Staatsvertrag in Moskau erfolgreich abgeschlossen werden konnten (siehe: Moskauer Memorandum), und entschloss sich mit Chefredakteur Hans Dichand dazu, am selben Abend die Extraausgabe Österreich wird frei! herauszubringen. Da die Mittagszeitung damals nicht über Kolporteure verfügte, die am Abend bereitgestanden wären, verkauften die Journalisten die Zeitung in Wien selbst, Dichand und Portisch auf der Kärntner Straße. Sie mussten die Sondernummer aber teilweise verschenken, da ein Teil der Passanten nach jahrelangen ergebnislosen Staatsvertragsverhandlungen nur an eine Zeitungsente glaubte.[22]
Nach drei regulären Romy-Auszeichnungen als beliebtester Kommentator (1990, 1992, 1993) wurde ihm 2002 auch die Platin-Romy für sein Lebenswerk verliehen.
Personendaten | |
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NAME | Portisch, Hugo |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Journalist und Sachbuchautor |
GEBURTSDATUM | 19. Februar 1927 |
GEBURTSORT | Bratislava, Tschechoslowakei |
STERBEDATUM | 1. April 2021 |
STERBEORT | Wien, Österreich |
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