Hengameh Yaghoobifarah (persisch هنگامه یعقوبی فراه; geboren 1991 in Kiel) ist eine deutsche nichtbinäre Person mit iranischen Wurzeln und journalistisch und schriftstellerisch tätig.
Hengameh Yaghoobifarah wurde 1991 in Kiel geboren und wuchs in Buchholz in der Nordheide in einem Akademikerhaushalt auf.[1] Die Eltern stammen aus dem Iran.[2] In der Mittelstufe trat Yaghoobifarah der Linksjugend bei, nach dem Abitur am Albert-Einstein-Gymnasium in Buchholz studierte Yaghoobifarah ab 2011 Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Universität in Freiburg im Breisgau sowie der Universität Linköping mit dem Abschluss Bachelor und einer Arbeit über die Farbe Pink im feministischen Diskurs.[3][4][1]
Yaghoobifarah identifiziert sich als nichtbinär (weder weiblich noch männlich) und beansprucht, ohne Pronomen angesprochen und beschrieben zu werden (im Englischen mit dem neutralen they).[5][6][7][8] Das Missy Magazine verzeichnet Yaghoobifarah genderneutral als „Redakteur*in“,[3] die taz-Redaktion mit Gender-Doppelpunkt als „Autor:in“.[9]
Seit 2014 lebt Yaghoobifarah in Berlin. Yaghoobifarah erhielt neben ungezählten Hasskommentaren auch zahlreiche Morddrohungen und musste deswegen den Wohnort wechseln.[10][1]
Yaghoobifarah arbeitet redaktionell für das Missy Magazine[3] und schreibt freiberuflich für deutschsprachige Medien wie SPEX,[11] an.schläge – hier insbesondere von 2014 bis 2017 die rotierende Kolumne neuland[12] – sowie seit 2016 die eigene Kolumne Habibitus in der taz.[13] Der Name der Kolumne ist ein Kofferwort aus dem arabischen Wort Habibi („mein Liebling“) und dem soziologischen Begriff Habitus. In der Kolumne beschäftigt sich Yaghoobifarah mit Modefragen, aber auch Rassismus und Kritik am linken Milieu.[1] Mit Queer Vanity betrieb Yaghoobifarah von 2014 bis 2017 einen Blog, der sich mit Mode und „Körperpolitik“ beschäftigte.[14]
Beim „listen to berlin Award“ 2018 wurde Yaghoobifarah in der Kategorie „Preis für Musikjournalist*innen“ nominiert.[15]
Gemeinsam mit Fatma Aydemir gab Yaghoobifarah 2019 das Sachbuch Eure Heimat ist unser Albtraum heraus, ein Manifest gegen einen als antisemitisch und rassistisch verstandenen deutschen Heimatbegriff, mit Texten von Sasha Marianna Salzmann, Sharon Dodua Otoo, Max Czollek, Mithu Sanyal, Margarete Stokowski, Olga Grjasnowa, und Reyhan Şahin.[16]
Die 2020 von Amina Aziz herausgegebene Anthologie Encyclopaedia Almanica versammelt Tweets von Yaghoobifarah und fünf weiteren People of Color aus ihrem Alltag. Der Titel spielt an auf die Bezeichnung Alman, einen Ethnophaulismus für Deutsche ohne erkennbaren Migrationshintergrund.[8]
Seit April 2020 veröffentlicht Yaghoobifarah den wöchentlichen Podcast Auf eine Tüte und spricht mit Gästen wie Mohamed Amjahid, Tucké Royale, Nura, Max Czollek oder Alice Hasters über mentale Gesundheit und Alltagsthemen.[17]
2021 erschien Yaghoobifarahs Debütroman Ministerium der Träume, der vom Leben iranischstämmiger Jugendlicher vor dem Hintergrund der rassistischen Anschläge von Hoyerswerda 1990 und Rostock und Mölln 1992 handelt.[18]
Im Missy Magazine veröffentlichte Yaghoobifarah 2016 den polemischen Artikel Fusion Revisited: Karneval der Kulturlosen, der dem „weißen Publikum“ des Fusion Festivals und dessen Veranstaltern kulturelle Aneignung und Rassismus vorwarf, unter anderem wegen nur mild gewürzter „exotischer“ Imbissangebote und des Tragens von Dreadlocks.[19] Der Text wurde von Teilen der deutschen Linken kontrovers aufgenommen und diente in der Folge als Ausgangspunkt für Debatten in politisch linken Medien. Einige sahen in Yaghoobifarahs Text ein Beispiel für neurechte oder ethnopluralistische Argumentationsmuster in der „antirassistischen Szene“.[20] Yaghoobifarah erweiterte den Artikel 2018 zu dem Essay Ich war auf der Fusion, und alles was ich bekam, war ein blutiges Herz.
Im Oktober 2017 zog Yaghoobifarah mit einem Beitrag in der eigenen taz-Kolumne Rassismus-Vorwürfe auf sich, weil im Text die deutsche Kultur mit „(wortwörtlich) Dreckskultur [von] Kartoffeln“ verglichen wurde, angelehnt an den Slangausdruck „Kartoffel“.[21] Der Journalist Jan Fleischhauer kritisierte, „dass man die Maßstäbe, die man an andere anlegt, nicht für sich selbst gelten lässt“.[22] Die Journalistin Elke Halefeldt kommentierte: „Wir lernen: Rassismus gegen Deutsche ist kein Rassismus.“[23] Die stellvertretende taz-Chefredakteurin Katrin Gottschalk verteidigte die Kolumne gegen solche Vorwürfe: „In ihren* Kolumnen spiegelt sie* Ressentiments, denen Minderheiten ausgesetzt sind, zurück auf die Mehrheitsgesellschaft. Sie* beleidigt absichtsvoll so, dass klar wird, welche Beleidigungen Minderheiten erdulden müssen.“[1]
„All cops are berufsunfähig“
Im Juni 2020 griff Yaghoobifarah in der eigenen Kolumne Habibitus in der Tageszeitung taz die transnationale Bewegung Black Lives Matter und Rassismus bei der Polizei „auch in Deutschland“ auf. In der Druckausgabe war dem Titel noch die Abkürzung „ACAB“ vorangestellt (All Cops Are Bastards).[24] In dem Text wird ein Gedankenspiel angestellt, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht. Zum Schluss der Kolumne heißt es:
„Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“
Der Text wurde von einigen Journalisten und Politikern als Gleichsetzung von Menschen mit Müll kritisiert.[26] Andere sahen darin eine Satire und Kritik an der Polizei.[27] Der Journalist Marc Felix Serrao nannte die Kolumne in der Neue Zürcher Zeitung eine „als Satire verbrämte Volksverhetzung“.[28] Nach Ansicht von Brigitte Baetz im Deutschlandfunk enthielt der Text „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“.[29] Dagegen verteidigte der Schauspieler und Autor Schlecky Silberstein die Kolumne in Deutschlandfunk Kultur als gelungene Satire und warf den Kritikern ein falsches Textverständnis vor.[30]
Die Deutsche Polizeigewerkschaft und die Gewerkschaft der Polizei Berlin kündigten an, Anzeigen gegen die Tageszeitung zu erstatten.[31] Dagegen verwies die Polizeipräsidentin Barbara Slowik in einem internen Schreiben an die 25.000 Mitarbeiter der Polizei auf die Meinungs- und Pressefreiheit, die in Deutschland sehr weitreichend geschützt sei, und auf die richterlichen Entscheidungen zu „All Cops Are Bastards“ und „Soldaten sind Mörder“.[32] Auch der Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte eine Strafanzeige gegen Yaghoobifarah an, entschied sich nach starker öffentlicher Kritik aber gegen das Erstatten der Anzeige. Die Berliner Staatsanwaltschaft sah nach einer Vorprüfung in der Veröffentlichung der Kolumne keine Straftat und damit keinen Anlass, weiter in dem Fall zu ermitteln.[33] Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte am 22. Juni in einer öffentlichen Rede die Metapher von der „Entsorgung“.[34]
In der taz-Redaktion gab es heftige Diskussionen und Kritik zu der Kolumne.[32] Die seit 1989 bei der taz arbeitende Redakteurin Bettina Gaus beschuldigte Yaghoobifarah, um des Clickbaiting willen das Grundprinzip der taz-Redaktion, die Achtung der Menschenwürde, verletzt zu haben: „Sie wusste, was sie schrieb. Und sie hat die Menschenwürde verletzt. Was denn sonst?“[35] Die Chefredakteurin Barbara Junge schrieb: „Eine Kolumne, so satirisch sie auch gemeint gewesen sein mag, die so verstanden werden kann, als seien Polizisten nichts als Abfall, ist daneben gegangen. Das tut mir leid.“[9] Kein Opferstatus rechtfertige Kollektivherabwürdigungen, urteilte der Journalist Stefan Reinecke in seinem Debattenbeitrag: „Polemik? Gerne. Menschenfeindliche Metaphorik? Nein.“ Den Text durchziehe eine „Geste sozialer Verachtung“. Polizisten, die unbrauchbar für alles sind – das sei „der Blick von den Anhöhen diskursiver Bildungs- und Sprachmacht nach unten“.[36] Dagegen las die verantwortliche Ressortleiterin von taz 2, Saskia Hödl, die Kolumne als eine „polemische und satirisch-groteske Kritik an einer Machtstruktur, an einem Gewaltmonopol und an einer Reihe von ungeklärten und unverhinderten Ermordungen in Deutschland“. Sie stellte sich hinter Yaghoobifarah, viele in der taz hätten Solidarität bekundet.[37] Eine von der taz vorgenommene Auswertung von Social-Media-Plattformen identifizierte eine einmonatige „organisiert[e] Hetzkampagne“ gegen Yaghoobifarah.[1]
Pieke Biermann kommentierte am 2. Juli: „Offenbar hat niemand die Kolumnist:in auf die zum öffentlichen Schreiben nötige Gedankenklarheit aufmerksam gemacht. Ist man als migrationshintergründige, nicht-binäre Langzeit-Kolumnist:in vielleicht untouchable, genießt sozusagen Welpenschutz? Dann wäre Identitätspolitik ein solides Fundament für paternalistischen Kitsch.“[38]
Essays und Interviews
Personendaten | |
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NAME | Yaghoobifarah, Hengameh |
ALTERNATIVNAMEN | Mohammed, Hengameh; Yaghoobifarah; هنگامه محمد یعقوبی فراه (persisch) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Journalistin und Kolumnistin |
GEBURTSDATUM | 1991 |
GEBURTSORT | Kiel |
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Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2021-06-13 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=10678065