Hendrik Streeck (* 7. August 1977 in Göttingen) ist ein deutscher Virologe. Der Mediziner ist seit Oktober 2019 Direktor des Institutes für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn.[1]
Streecks Mutter, Annette Streeck-Fischer, ist Kinder- und Jugendpsychiaterin und lehrt als Professorin an der International Psychoanalytic University Berlin.[2] Sein Vater Ulrich Streeck ist Psychiater und Soziologe und lehrte an der Universität Göttingen, sein Onkel Rolf-Eberhard Streeck war Molekulargenetiker an der Universität Mainz.[3] Sein Großvater war der Chemiker und Manager Hans Streeck.
Streeck lebt mit seinem Ehemann Paul Zubeil in Bonn.[4] Zubeil ist seit Februar 2021 als Unterabteilungsleiter für europäische und internationale Angelegenheiten im Bundesgesundheitsministerium in Bonn beschäftigt.[5]
Nach dem Abitur am Theodor-Heuss-Gymnasium in Göttingen absolvierte Streeck seinen Zivildienst im St. Franziskus-Hospital Münster und im Weender Krankenhaus in Göttingen. Anschließend studierte er Musikwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin,[6][7] wechselte aber nach der Zwischenprüfung in die Humanmedizin. Während des Studiums arbeitete er an seiner Dissertation am Partners AIDS Research Center im Massachusetts General Hospital, das der Harvard Medical School angehört. 2007 wurde Streeck an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit der Dissertation Einfluss einer antiretroviralen Frühtherapie während der akuten HIV-1-Infektion auf den klinischen, virologischen und immunologischen Verlauf der HIV-1-Erkrankung zum Dr. med. promoviert.
Nach seinem Abschluss in Humanmedizin 2006 ging er als Postdoktorand zurück an die Harvard Medical School. 2009 wurde er zunächst Instructor in Medicine, 2011 dann Assistant Professor an der Harvard Medical School. Von September 2012 bis 2015 leitete Streeck die Immunologie des U. S. Military HIV Research Program (MHRP) am Walter Reed Army Institute of Research am Walter-Reed-Militärkrankenhaus in Silver Spring, Maryland. Zugleich war er Assistant Professor an der Uniformed Services University of Health Sciences und Lehrbeauftragter (Adjunct Faculty) an der Bloomberg School of Public Health der Johns Hopkins University.
2015 übernahm Streeck den Lehrstuhl für medizinische Biologie an Universität Duisburg-Essen und gründete im selben Jahr das Institut für HIV-Forschung. Er ist (Stand 2015) weiterhin Gastwissenschaftler im MHRP.[8][9][10][11]
Das Institut für HIV-Forschung arbeitet unter seiner Leitung an mehreren Schwerpunkten. 2016 standen die Erforschung neuer Präventionsmethoden wie die Erforschung eines prophylaktischen HIV-Impfstoffes oder der Präexpositionsprophylaxe (PrEP) im Vordergrund.[12][13] Hierbei werden zum einen neue Impfstoffkonzepte entwickelt und getestet, zum anderen beschäftigt Streeck sich mit der Immunologie und der Frage, wie schützende Antikörperantworten entstehen.[14][15] Ein Fokus (Stand 2016) ist die Erforschung der Rolle follikulärer T-Helferzellen in der Entwicklung von schützenden Antikörperantworten. Des Weiteren erforscht das Institut, wie HIV-Erkrankungen im Alter begünstigt werden, um hieraus potentielle Therapiemöglichkeiten zu entwickeln.[16]
Streeck startete 2016 ein Doktorandenprogramm mit dem Instituto Nacional de Saúde in Mosambik, um junge Mediziner an die HIV-Forschung heranzuführen.[17]
Neben HIV forscht das Institut an anderen sexuell übertragbare Erkrankungen (STD). 2018 wurde in Deutschland eine Studie zu sexuell übertragbaren Erkrankungen bei Personen mit höherem Risikoverhalten (BRAHMS) durchgeführt.[18] Die Studie versucht zu verstehen, wer sich in Deutschland mit welchen Erregern am häufigsten ansteckt.
Im Januar 2019 wurde diese Studie auf Frankreich, Italien, Spanien, Polen und Ungarn ausgebaut (STIPnet). Ein europäisches Präventionsnetzwerk für HIV und STIs wurde angekündigt.[19]
Streeck ist Mitglied im Kuratorium der Deutschen AIDS-Stiftung[20] und wurde im Juni 2019 zum Vorsitzenden ihres Kuratoriums gewählt.[21] Er wurde 2019 zum lokalen Kongresspräsidenten der IAS-Konferenz im Juli 2021 in Berlin berufen.[22]
Er ist im Board of Advisors des Universal Scientific Education and Research Network, das sich für ethische und professionelle wissenschaftliche Forschung weltweit einsetzt.[23]
Streeck hat seit Oktober 2019 eine W3-Professur für Virologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn inne und leitet als Nachfolger von Christian Drosten das Institut für Virologie.[24] Er zog mit dem Institut für HIV-Forschung von Essen nach Bonn.[25][26]
Mit Stand Mai 2021 hat Streeck gemäß Scopus einen h-Index von 40.[27]
Während des Ausbruches der COVID-19-Pandemie leitete Streeck die COVID-19 Case-Cluster-Study am Universitätsklinikum Bonn über die Gemeinde Gangelt. Diese erhob Daten zur Verbreitung des SARS-CoV-2 und zur Dunkelziffer der tatsächlich Erkrankten[28][29] und sollte der Politik Fakten für das weitere Vorgehen bezüglich der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie liefern.[30][31][32]
Erste Ergebnisse der Studie wurden am 9. April 2020 bekannt gegeben.[33] In einer Pressekonferenz mit dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, empfahl Streeck der Politik, in die Phase 2 der Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene einzutreten,[34] d. h. mit der Rücknahme der Beschränkungen für die Bevölkerung zu beginnen.[35] Diese Vorgehensweise und insbesondere auch das Engagement der PR-Agentur Storymachine und die Rolle von Ministerpräsident Laschet wurden kritisiert.[36][37]
Am 4. Mai 2020 stellten Hendrik Streeck, Gunther Hartmann und Ko-Autoren in einer Vorveröffentlichung weitere Ergebnisse vor[38] und im November 2020 wurde die Studie in Nature Communications unter dem Titel Infection fatality rate of SARS-CoV2 in a super-spreading event in Germany veröffentlicht.[39]
Streeck ist Mitglied des seit April 2020 bestehenden „Expertenrat Corona“ des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Ziel des Gremiums, das von Vertretern der Medizin, Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Philosophie, Psychologie, Soziologie und der Sozialarbeit gebildet wird, ist es, die Expertise verschiedener Fachrichtungen zusammenzutragen, um neben den epidemiologischen Entwicklungen auch die wirtschaftlichen und sozialen Schäden des Lockdowns zu berücksichtigen.[40]
Seit dem 14. August 2020 ist Hendrik Streeck Mitglied der COVID-19 Expert Group der Inter Academy Partnership (IAP). Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Wissenschaftsakademien aus mehr als 130 Ländern, einschließlich der Deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.[41]
Streeck vertritt hinsichtlich der Corona-Pandemie auch wissenschaftliche Minderheitenmeinungen.[42] Er war hinsichtlich Behandlungsmöglichkeiten und Impfstoffentwicklung gegen SARS-CoV-2 pessimistisch und argumentierte u. a. aufgrund dessen bis in den Herbst 2020 als einer der wenigen Virologen für eine kontrollierte Infektion der Bevölkerung zum Erreichen von Herdenimmunität. Eine solche Forderung gilt als sehr umstritten.[43]
In einem Interview mit dem Handelsblatt vom 27. März 2020 sagte Streeck, mit sozialer Distanz könne man das Infektionsgeschehen eindämmen, Einschränkungen der Kontakte seien daher wichtig. Er wisse aber nicht, ob es sinnvoll sei, das öffentliche Leben vollständig lahmzulegen. Dagegen wögen auch andere Faktoren, die er nur als Privatmann und nicht als Virologe beantworten könne. Man müsse sich auch die Frage stellen, was das mit der Gesellschaft mache.[44]
In einem Interview mit dem Münchner Merkur am 16. Dezember 2020 sagte er, vor dem Hintergrund der aktuell besorgniserregenden Lage sei es ein richtiger Weg, die viel zu hohe Zahl der Neuinfektionen über einen härteren Lockdown zu senken. Auf die Frage, ob man früher härtere Maßnahmen hätte ergreifen müssen, sagte er, dass es „den richtigen Weg“ nicht gebe. Aber ein harter Lockdown im Sommer 2020 bei niedrigen Fallzahlen wäre zum Beispiel sehr effizient, aber schlecht zu vermitteln gewesen. Auf die Frage, ob die explodierenden Infektionszahlen bestätigten, dass man eine Pandemie nur mit strikten Verboten besiegen könne, sagte er, Drohkulissen und Verbote, losgelöst von einer langfristigen Strategie, hätten nur eine kurze Halbwertzeit. Da wir die Gründe der hohen Infektionszahlen nicht kennen, sei es wichtig, jeden mitzunehmen und immer wieder zu erklären, erläutern und begründen, warum es wichtig sei, den Empfehlungen zu folgen.[45]
Am 28. Oktober 2020 unterzeichnete Hendrik Streeck zusammen mit dem Virologen Jonas Schmidt-Chanasit ein umstrittenes Positionspapier der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, in dem für einen Strategiewechsel in der Pandemiebekämpfung geworben wurde.[46][47][48] Ziel des Papiers sollte der Anstoß einer Diskussion in der medizinisch-wissenschaftlichen Fachwelt sowie in der ärztlichen Versorgung über die langfristigen Herausforderungen und notwendigen Maßnahmen in der Coronakrise sein.[49]
Im Dezember 2020 unterzeichnete Streeck, ebenso wie auch Schmidt-Chanasit, nachträglich einen von Viola Priesemann und ca. 300 anderen Wissenschaftlern initiierten Aufruf zu europaweitem Engagement für eine schnelle und nachhaltige Reduzierung der SARS-CoV-2-Infektionen.[50]
Im Jahr 2009 erhielt Hendrik Streeck den Forschungspreis der Deutschen AIDS-Gesellschaft.[51]
Kinderbuch:
Personendaten | |
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NAME | Streeck, Hendrik |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Wissenschaftler und HIV-Forscher |
GEBURTSDATUM | 7. August 1977 |
GEBURTSORT | Göttingen |
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