Hanno Berger (* 13. November 1950 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Anwalt für Steuer- und Finanzprodukte und gilt als ein führender Initiator von Dividendenstripping-Geschäften (sogenannte „Cum-Ex“-Transaktionen zum Zwecke des Steuerraubs).[1][2][3]
Berger war zunächst Hochschulassistent des deutschen Rechtswissenschaftlers Manfred Wolf; er wurde 1980 promoviert.[4] Er begann seine Karriere bei der hessischen Finanzverwaltung, wo er 12 Jahre für die steuerliche Bankenprüfung beim Finanzamt Frankfurt am Main-Börse tätig war.[5] Er war am Ende seiner Beamtentätigkeit Regierungsdirektor und in dieser Funktion ranghöchster Steuer-Bankprüfer in Hessen.[5]
Berger verließ 1996 den Staatsdienst und wurde als Partner der Rechtsanwaltskanzlei Pünder, Volhard, Weber & Axster (heute: Clifford Chance) tätig. 1999 wechselte er zur US-Kanzlei Shearman & Sterling. Dort hielt er sein Versprechen, den Steuersatz der Gehälter durch Steuervermeidung von 50 auf 5 Prozent zu senken. Die Gehälter der Partner wurden als garantierte Zahlungen der US-Kanzlei ausgewiesen, womit sie unter den US-Steuersatz fielen (dieses Steuerschlupfloch wurde später vom deutschen Staat geschlossen).[6]
2004 wechselte er ins Frankfurter Büro der mittlerweile insolventen US-Kanzlei Dewey Ballantine (später Dewey & LeBoeuf).[7] Dort wurde er Managing Partner und begleitete den Ausbau des Frankfurter Büros von drei auf rund 60 Anwälte. 2010 verließ Hanno Berger Dewey & LeBoeuf und gründete zusammen mit Kai-Uwe Steck die Kanzlei Berger Steck & Kollegen.[2][8]
Seine Kanzlei löste sich 2013 nach Ermittlungen gegen Berger und Steck wegen der Beratung zu Cum-Ex-Geschäften auf.[9]
Berger gilt als der führende Berater und Initiator von Dividendenstripping-Transaktionen, die laut einem Bericht der Wochenzeitung Die Zeit einen Steuerschaden von über 55 Milliarden Euro verursacht haben.[5] Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung versorgte Peter Gauweiler (CSU) Berger mit Informationen zu Gesetzesvorhaben der Bundesregierung.[10] Nach Recherchen des WDR bestanden auch langjährige Kontakte mit FDP-Abgeordneten, insbesondere zu Hermann Otto Solms, bei denen es um Vorschläge für Kleine Anfragen, Sachverständige für Anhörungen ging.[11]
Zu seinen Mitarbeitern sagte er einmal: „Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in Deutschland weniger Kindergärten gebaut werden, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier falsch“.[6]
Öffentlich bekannt ist seine Beteiligung an folgenden Cum-Ex-Geschäften:
Berger hat die M.M.Warburg & CO (beziehungsweise die damaligen zwei Hauptgesellschafter, den Aufsichtsratsvorsitzenden Christian Olearius sowie seinen Stellvertreter, Max Warburg) zu Cum-Ex-Geschäften beraten. Laut einem im März 2021 veröffentlichten Bericht des Spiegel zahlte die Warburg für Beratungen zu Cum-Ex-Geschäften 17,5 Millionen Euro an Hanno Berger und Benjamin Frey. Die Warburg überwies das Geld an die Sarasin-Bank, die es an eine Offshore-Firma von Berger und Frey auf den Britischen Jungferninseln weiterleitete.[6]
Der Steuerschaden, d. h. die zu Unrecht erstatteten Steuern an die Warburg, beläuft sich je nach Bericht (je nach Umfang der berücksichtigten Geschäfte) auf 169 Millionen Euro[6] oder 280 Millionen Euro.[5]
Berger beriet Rajon, eine Investmentgesellschaft des bekannten Immobilieninvestors Rafael Roth, maßgeblich bei Cum-Ex-Geschäften in den Jahren 2006–2008. Diese brachten Rajon Steueranrechnungen von 123,7 Mio. Euro. Diese Steueranrechnungen wurden später wieder vom Finanzamt Wiesbaden II zurückgenommen.[12] Die HVB, die die zugrundeliegenden Aktientransaktionen abwickelte und deswegen Haftungsschuldnerin für die Rückabwicklung der Steueranrechnungen war, verklagte daraufhin u. a. Rajon und Berger vor dem Landgericht Frankfurt auf den ihr entstandenen Steuerschaden. Das Gerichtsverfahren endete mit einem von dem Investor Clemens Vedder vermittelten Vergleich, bei dem die HVB den Großteil des Steuerschadens übernahm und Rajon sich verpflichtete, an die HVB rund 30 Mio. Euro zu bezahlen. Berger musste hingegen keinen Schadensersatz übernehmen. Zuvor hatte das Landgericht Frankfurt darauf hingewiesen, dass es die Schadensersatzklage der HVB gegen Berger für aussichtslos hält.[13]
Berger soll maßgeblicher Berater und Initiator von Fonds des Luxemburger Fondshauses Sheridan gewesen sein, die in Cum-Ex-Aktiengeschäfte mit Aktien deutscher Blue Chips investierten und von dem Schweizer Bankhaus Sarasin vertrieben wurden.[14] Investoren dieser Fonds waren u. a. AWD-Gründer Carsten Maschmeyer sowie seine Frau, Schauspielerin Veronica Ferres, der Fußballtrainer Mirko Slomka, Fleischfabrikant Clemens Tönnies, Medienanwalt Matthias Prinz, Sportunternehmer Peter Schöffel und Drogerieunternehmer Erwin Müller.[15][16][17]
Die anwaltliche und steuerliche Beratung auf Basis des Gutachtens von Bergers Kanzlei ist laut Medienbericht mit einer gesonderten Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von 100 Mio. Euro von der Allianz, HDI Gerling und der Versicherungsstelle Wiesbaden versichert worden. Die Prämie betrug 300.000 Euro.[17] Einer der Investoren, der Sportunternehmer Peter Schöffel, gab an, die Versicherung habe sein Vertrauen in sein Fondsinvestment von rund 5 Mio. Euro erhöht. Nach dem Zusammenbruch des Sheridan-Fonds verweigerten jedoch die Versicherungen Schadenersatzzahlungen auf Basis der Versicherungspolice.[17] Bei diesen Fonds verweigerte der Fiskus jedoch eine Erstattung der Steuern, wodurch sie zum Verlustgeschäft für die Investoren wurden.
Gegen Berger wird wegen seiner Beteiligung an Dividendenstripping-Transaktionen in drei Verfahren strafrechtlich ermittelt. Er wird der mittäterschaftlichen schweren Steuerhinterziehung mit einem Schaden in dreistelliger Millionenhöhe sowie des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs beschuldigt.[18][19] Deswegen wurden 2012 und 2014 seine Kanzlei- und Privaträume in Deutschland und der Schweiz durchsucht.[20][5] Zudem hörten Ermittler des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes seine Telefonate mit Geschäftspartnern im Herbst 2014 ab.[20] Anfang Oktober 2017 sollte gegen Berger und frühere Aktienhändler der Hypovereinsbank durch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anklage vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Wiesbaden erhoben werden.[21] Damals erklärte Berger noch, sich selbstverständlich einem Verfahren stellen zu wollen, er sei schließlich ein „Mann des Rechts“.[22]
Berger äußerte in einem Interview im September 2019, dass er sich nicht im Unrecht sehe. Verantwortlich sei die damalige Bundesregierung, die nicht alle Gesetzeslücken geschlossen habe.[23] Das Vorgehen verzögerte sich immer wieder; es kam erst 2020 zur Anklage. Bergers Anwalt erklärte, sein Mandant könne aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Verhandlung teilnehmen.[24]
Im November 2020 erließ das Landgericht Wiesbaden einen Haftbefehl gegen Berger – acht Jahre, nachdem er sich in die Schweiz abgesetzt hatte. Er wurde bundesweit zur Fahndung ausgeschrieben.[25] Nachdem Berger einer Vorladung des Landgerichts Bonn nicht gefolgt war, erließ dieses im Juni 2021 ebenfalls einen Haftbefehl.[26] Am 7. Juli 2021 wurde Berger im Kanton Graubünden auf ein Auslieferungsgesuch aus Deutschland hin festgenommen. Eine Beschwerde gegen die Auslieferungshaft wurde am 5. August vom Bundesstrafgericht zurückgewiesen. Am 20. August verfügte das Schweizer Bundesamt für Justiz die Auslieferung von Berger.[27] Die dagegen eingelegte Beschwerde Bergers hat das Bundesstrafgericht mit Entscheid vom 20. Dezember 2021 abgewiesen. Berger hat diese Entscheidung vor dem Bundesgericht angefochten.[28] Am 22. Februar 2022 wurde bekannt, dass das Verfahren abgeschlossen und eine Auslieferung an die deutsche Justiz bewilligt wurde.[29][30] Am 4. April 2022 begann mit der Anklageverlesung in Anwesenheit von Berger die Hauptverhandlung des Strafverfahrens vor dem Landgericht Bonn.[31]
Berger ist verheiratet und hat eine Tochter. Er lebte nach seiner Flucht aus Deutschland im November 2012 mit seiner Frau in Zuoz in der Schweiz.[3] Anlass der Flucht war eine Razzia in seiner Frankfurter Kanzlei.[25][6]
Personendaten | |
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NAME | Berger, Hanno |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Anwalt für Steuerprodukte und Finanzprodukte |
GEBURTSDATUM | 13. November 1950 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |
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