Giorgia Meloni (* 15. Januar 1977 in Rom) ist eine italienische Politikerin und seit dem 22. Oktober 2022 italienische Ministerpräsidentin.
Meloni ist seit 2014 Vorsitzende der als postfaschistisch klassifizierten Partei Fratelli d’Italia (FdI) und seit 2020 Präsidentin der Europapartei Europäische Konservative und Reformer (EKR). Im vierten Kabinett von Silvio Berlusconi war sie von Mai 2008 bis November 2011 Ministerin für Jugend und Sport. Bei der Parlamentswahl in Italien 2022 trat sie als Spitzenkandidatin ihrer Partei an, die als stärkste Kraft aus der Wahl hervorging. Am 21. Oktober 2022 wurde sie von Staatspräsident Sergio Mattarella mit der Bildung der Regierung beauftragt.
Meloni wuchs mit ihrer älteren Schwester Arianna bei ihrer Mutter im römischen Viertel Garbatella (Municipio VIII) auf. Ihr Vater, Francesco Meloni, ein aus Sardinien stammender Steuerberater,[1][2] verließ die Familie, als sie ein Jahr alt war und wanderte auf die Kanarischen Inseln aus. Sie besuchte ihn dort jährlich, bis sie sich bei ihrem letzten Besuch 1989 mit ihm zerstritt daraufhin den Kontakt abbrach.[3] Meloni bezeichnete ihren Vater in einem Interview 2006 als überzeugten Kommunisten.[4] Die traumatisch empfundene Trennung von ihm, die sie erst Jahre später überwand, soll nach eigener Aussage ihren „kämpferischen“ Charakter wesentlich geprägt haben.[3]
Ihre aus Sizilien stammende Mutter, Anna Paratore, war im neofaschistischen Movimento Sociale Italiano und später in der Nachfolgepartei Alleanza Nazionale tätig.[5] Die Mutter verfasste unter dem Pseudonym Josie Bell über 140 Liebesromane.[6]
Mit 15 Jahren trat Meloni der Jugendorganisation des Movimento Sociale Italiano, der Fronte della Gioventù, bei.[7] Diese habe „mit den Gaunereien und der Korruption jener Jahre“ nichts zu tun gehabt.[8] Meloni besuchte das neusprachliche Gymnasium, das sie mit Bestnoten abschloss.[9] Als Schülerin gründete und organisierte sie die Protestbewegung Gli Antenati (deutsch: „Die Vorfahren“, aber auch der italienische Name der Zeichentrickserie Familie Feuerstein) gegen die von der christdemokratischen Unterrichtsministerin Rosa Russo Iervolino eingeleitete Schulreform. 1996 schloss sie eine Sprachenausbildung an einer Hotelfachschule ab.[10] Nach eigenen Angaben arbeitete sie zeitweilig als Kellnerin, als Barfrau in der Diskothek Piper und als Kindermädchen im Haushalt des Showmasters Fiorello.[11] Seit 2006 ist sie beim Journalistenverband von Latium registriert.[12]
Meloni spricht neben Italienisch fließend Englisch, Französisch und Spanisch.[3] Sie lebt in einer Partnerschaft mit dem Journalisten Andrea Giambruno. Die beiden haben eine Tochter.[13] Sie ist römisch-katholisch. Ihre Schwester Arianna ist mit Francesco Lollobrigida, von 2018 bis 2022 Fraktionsvorsitzender von Fratelli d’Italia in der Abgeordnetenkammer, verheiratet.[14] Ihr Schwager bekleidet seit Oktober 2022 in ihrem Kabinett das Amt des Landwirtschaftsministers.
Meloni wurde 1996 an die Spitze der Azione Studentesca, der Studentenorganisation der Partei Alleanza Nazionale, gewählt. Von 1998 bis 2002 saß sie für ihre Partei im Provinzrat von Rom. Im Jahr 2000 rückte sie an die Führungsspitze der Azione Giovane, der Jugendorganisation der Alleanza Nazionale, auf und wurde 2004 als erste Frau zur Präsidentin gewählt.[1]
Bei den italienischen Parlamentswahlen 2006 wurde sie im Wahlbezirk Latium 1 in die Abgeordnetenkammer gewählt und bekleidete in der 15. Legislaturperiode (2006–2008) als jüngste Abgeordnete das Amt einer Vizepräsidentin. Nach ihrer Wiederwahl 2008 und dem Gewinn von Berlusconis Mitte-rechts-Bündnis Popolo della Libertà (PdL) wurde sie mit 31 Jahren Jugend- und Sportministerin und damit jüngste Ressortchefin in der Geschichte der italienischen Republik.[8] Dieses Amt hatte sie bis November 2011 inne. Nachdem Alleanza Nazionale und Forza Italia 2009 zur PdL fusioniert hatten, wurde sie Vorsitzende von deren Jugendorganisation Giovane Italia, die sie bis 2012 führte.
Zusammen mit Ignazio La Russa und Guido Crosetto gründete Meloni 2012 die Partei Fratelli d’Italia (FdI) und wurde 2014 zu ihrer Vorsitzenden gewählt. Über die Gründung der FdI sagte Meloni, die Rechte habe in der Spätphase Berlusconis zu verschwinden gedroht und sie und ihre FdI-Mitgründer hätten den Gedanken nicht ertragen, als die Generation in die Geschichtsbücher einzugehen, welche die Rechte ermordet habe. Sie wolle die Rechte stärker denn je machen und der italienischen Nation wieder eine patriotische Regierung geben.
Bei der Europawahl 2014 erhielt Meloni 348.000 Stimmen, ihre Partei scheiterte jedoch an der Sperrklausel von 4 %.[1] Bei der Kommunalwahl in Rom 2016 trat sie als Kandidatin für das Amt der Bürgermeisterin an und kam mit 20,7 Prozent auf den dritten Platz. Seit September 2020 ist Meloni Präsidentin der Europapartei Europäische Konservative und Reformer (EKR).[15] Bei der Parlamentswahl 2022 führte Meloni ihre Partei als Spitzenkandidatin an. Die Partei wurde mit etwa 26 % der Stimmen mit Abstand stärkste Kraft.[16][17]
Staatspräsident Sergio Mattarella begann am 20. Oktober, mit den Parteien Gespräche über die zukünftige Regierung zu führen. Am folgenden Tag lud er Meloni in den Quirinalspalast ein und bat sie, eine neue Regierung zu bilden.[18] Sie nahm die Aufgabe an und gab am selben Tag die Zusammensetzung ihres Kabinetts bekannt, welches am 22. Oktober offiziell vereidigt wurde. Sie ist die erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung. Als solche verwendet sie weiterhin die Amtsbezeichnung il presidente del consiglio (wörtlich "der Präsident des Ministerrates") und will ausdrücklich nicht la Presidente genannt werden, obschon das nach Auskunft der Sprachgesellschaft Accademia della Crusca möglich wäre, was vor allem aus Linkskreisen Kritik bezüglich der Nichtverwendung Gendergerechter Sprache nach sich zog.[19][20] Laut Frankfurter Allgemeine Zeitung ist dies ein mit Bedacht gewählter symbolischer Akt, der das Amt mit all seinem historischen Gewicht und nicht die Person und deren Geschlecht, die es temporär bekleidet, in den Vordergrund stellen soll.[20] In ihrer Regierungsansprache vor der Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments zum Amtsantritt distanzierte Meloni sich vom Faschismus und nannte die italienischen Rassengesetze von 1938 den „tiefsten Punkt in der italienischen Geschichte, eine Schande, die das italienische Volk für immer zu tragen habe.“[21][22] Weiters kündigte sie darin an, die Wiederherstellung der Autonomiestandards Südtirols anzustreben, welche zur Streitbeilegung mit Österreich vor den Vereinten Nationen im Jahr 1992 geführt hatten. Politische Beobachter sahen darin das Bestreben die Parlamentarier der nicht-italienischen Minderheiten in der SVP zu einer Enthaltung in der Vertrauensabstimmung zu bewegen. Der Außenminister des Kabinett Meloni, Antonio Tajani, stellte in einem Tweet an seinen österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg eine Zusammenarbeit diesbezüglich in Aussicht.[23]
In einem Interview 1996 mit dem französischen Nachrichtensender Soir 3 erklärte die damals 19-jährige Meloni, dass „Mussolini ein guter Politiker gewesen sei, der beste der letzten 50 Jahre“.[5] Zehn Jahre später gab sie in einem Interview mit Claudio Sabelli Fioretti an, dass sie zum Faschismus ein „unbeschwertes“ Verhältnis habe und diesen als Teil der italienischen Geschichte ansehe. Meloni zufolge habe Mussolini „einige Fehler gemacht, wie die Rassengesetze, den Kriegseintritt und die Errichtung eines autoritären Systems. Historisch habe er aber auch viel geschaffen, was ihn aber nicht rette(n)“ würde. Es gebe „Werte wie Freiheit und Bürgerrechte, die mehr wert seien als die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe“.[4]
Meloni spricht sich für eine konservative Gesellschaftspolitik aus und ist gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, toleriert aber eingetragene Partnerschaften.[24] Sie hat sich dafür ausgesprochen, gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption per Verfassungsänderung zu verbieten. Da Homosexuelle nicht diskriminiert würden, brauche es auch keine vorbeugenden Maßnahmen zur Bekämpfung von Homophobie und Transphobie.[25] Eigenen Angaben zufolge habe sie sich nie rassistisch und homophob geäußert.[8] Sie spricht sich für die Beibehaltung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch aus, obwohl sie Abtreibungen grundsätzlich ablehnt.[26]
Außenpolitisch vertritt Meloni transatlantische Positionen.[27] Seit Februar 2021 ist sie Mitglied des Aspen Institute, einer internationalen Denkfabrik mit Hauptsitz in Washington, der viele Geschäftsleute und Politiker angehören.[28] Sie unterstützt die Ukraine im Krieg gegen Russland und hat sich für weitere Waffenlieferungen durch Italien ausgesprochen.[29] Der Europäischen Union steht Meloni kritisch gegenüber. Zwar strebt sie keinen Austritt Italiens mehr an, lehnt aber den Vertrag von Lissabon ab; europäische Gesetze sollen den nationalen wieder unterstellt werden. Sie kritisierte wiederholt Mario Draghi, da dieser Italien zu einer „Sklavin Europas“ gemacht habe.[30][31] Ebenso kritisierte sie wiederholt die „internationale Finanzwelt“ und lehnt den Europäischen Fiskalpakt ab. Ihre frühere Ablehnung zum europäischen Corona-Wiederaufbauprogramm, aus dem Italien 191 Milliarden Euro bekommen soll, revidierte sie im Wahlkampf zur Parlamentswahl 2022.[32][33]
Eine Zusammenarbeit mit der gemäßigt linken Demokratischen Partei und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung lehnt sie kategorisch ab.
Personendaten | |
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NAME | Meloni, Giorgia |
KURZBESCHREIBUNG | italienische Politikerin (Fratelli d’Italia) und Journalistin |
GEBURTSDATUM | 15. Januar 1977 |
GEBURTSORT | Rom |
Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2022-10-30 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=3572272