Als Exorzismus (latinisiert aus griechisch ἐξορκισμός, exorkismós, „das Hinausbeschwören“) wird eine meist religiöse Praxis bezeichnet, vermeintlich besessene Menschen und Tiere oder verfluchte Orte und Gegenstände von bösen Geistern zu befreien. Exorzismen werden auch Teufels- oder Dämonenaustreibung genannt und gehören zum Bereich der seit der Antike üblichen apotropäischen Handlungen. Der Exorzist nutzt zumeist beschwörende Exorzismusformeln, um mit dem vermeintlichen Dämon in Kontakt zu treten und ihn schließlich zum Verlassen des Körpers zu bewegen. Eine Ausprägung des Exorzismus ist der geistige Dialog über das Gebet.
Typische Anzeichen für die vermeintlich dämonische Besessenheit einer Person überschneiden sich mit Symptomen psychischer Erkrankungen. So ist zuvor ärztlicherseits abzuklären, ob Trance- und Besessenheitszustände (ICD-11 6B63, ICD-10 F44.3) oder eine Dissoziative Identitätsstörung vorliegt. Läuterungsrituale, wie sie in manchen klerikalen Kreisen noch immer vertreten werden, zeigen mitunter Ähnlichkeiten zu psychotherapeutischen Verfahren.[1]
Von Seiten der modernen Bibelkritik wird die Existenz von Dämonen bestritten. Ein wörtliches Verständnis neutestamentarischer Zeugnisse wird mit der Begründung abgelehnt, dass der damaligen Zeit die heutigen Kenntnisse über psychische Krankheiten fehlten. Für Rudolf Bultmann ist ein Glaube an Dämonen und Wunder nicht mit der Gegenwart vereinbar: „Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben“.[2] Der Katechismus der katholischen Kirche unterscheidet ausdrücklich zwischen „Besessenheit“ und Geisteskrankheiten. Diese „zu behandeln, ist Sache der ärztlichen Heilkunde“.[3]
In Deutschland muss Exorzismus vom örtlichen Bischof genehmigt werden, wofür ein medizinisch-psychologisches Gutachten nötig ist.[4] Heute muss sich der Exorzist vor dem Vollzug eines Großen Exorzismus Gewissheit verschaffen, dass wirklich eine „Besessenheit“ vorliegt und kein Trauma und keine Krankheit. Da er selbst das nicht beurteilen kann, ist unbedingt das Urteil unabhängiger Psychiater und Psychotherapeuten einzuholen.[5]
Exorzismen schädlicher Geister und Dämonen gab es im Alten Orient, im Alten Ägypten[6], im Judentum, im Hellenismus[7], im Islam und im Schamanismus.
In Mesopotamien waren mašmāšu- oder ašīpu-Priester für die Austreibung böser Geister, die vermeintlich Krankheiten verursachten, und für Reinigungsrituale zuständig. Sie waren oft in Tempeln angestellt.[8] Exorzisten konnten auch in Gerichtsverfahren eingesetzt werden, wenn sich Zeugen durch „Zauber“ bedroht fühlten.[9] Das Haus des Exorzisten (713–612 v. Chr.) in Aššur[10] enthielt über 800 Keilschrifttafeln, darunter zahlreiche Texte, die zu diesem Zweck verwendet wurden, zum Beispiel die Serie „Wenn der Exorzist zu dem Haus eines kranken Menschen geht“ und die Uruk-Prophezeiung.[11] Die Bibliothek des Aššurbanipal in Niniveh enthielt ebenfalls zahlreiche exorzistische Texte.[12] Aus Assur sind namentlich die mašmāšu-Priester Anu-ikṣur, Sohn des Šamaš-iddin, und Iqiša, Sohn des Ištar-šum-ereš, bekannt.[13] Anu ist der Schutzgott der Exorzisten, einer seiner Beinamen ist mupaššir nambûrbe idāti itāti limnēti šunāte pardāte la ṭādâte, „Er, der den Exorzistismen Macht verleiht, um mit dem pašāru Ereignisse mit schlechter Vorbedeutung und die Auswirkungen verwirrter und gottloser Träume zu verhindern“ (King BMS 62 + 1. 12).[14] Auch Asalluḫi ist mit Exorzismen verbunden.
2020 wurde in Berlin ein islamischer Wunderheiler angeklagt. Ihm wird vorgeworfen eine Frau mit einer tödlichen Salzwasserkur getötet zu haben. Die Frau sollte von ihrer Kinderlosigkeit geheilt werden.[15] 2021 wurden mehrere der Beteiligten zu Haft- und Geldstrafen verurteilt.[16]
Geister, die einem Menschen schaden, werden an einigen wenigen Stellen im Tanach von Gott ausgesandt. So kommt ein böser Geist (1 Sam 16,14 EU; 1 Sam 18,10 EU) von Gott über den sündigen König Saul, nachdem der Geist Gottes von ihm gewichen ist. In 1 Kön 22 EU sendet Gott einen Lügengeist in den Propheten Zedekia, Sohn des Kenaana, um die sündigen Könige von Israel und Juda in einen Feldzug zu locken, der im Desaster endet. Eine Besessenheit durch böse, unabhängig von einem Auftrag Gottes agierende Geister oder Dämonen kennt der Tanach nicht.
Im jüdischen Volksglauben wird ein zumeist böser Totengeist als Dibbuk bezeichnet, der einen lebenden Körper besetzt, nachdem sich die Seele nicht von ihrer irdischen Existenz trennen konnte. Den Erzählungen nach ist ein Dibbuk zumeist männlich, bewirkt irrationales Verhalten und kann in einer Zeremonie durch einen chassidischen Mystiker ausgetrieben werden.
Das Neue Testament setzt, beruhend auf dem mit dem Tanach inhaltlich übereinstimmenden Alten Testament, die Existenz von Dämonen voraus. In Eph 6,12 EU werden sie „Beherrscher dieser finsteren Welt“ genannt. Jesus Christus heilte bei seinen Exorzismen meist gleichzeitig Krankheiten, die bei den betroffenen Menschen infolge der Besessenheit aufgetreten waren. Besonders das Markusevangelium (Mk) schildert solche Austreibungen eindrücklich. Es lässt Jesu öffentliches Wirken in Mk 1,23–39 EU mit einem Exorzismus beginnen: „Und er zog durch ganz Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb die Dämonen aus.“ Weiter wird berichtet, wie Jesus einem Besessenen den Dämon bzw. die Dämonen Legion austreibt (Mk 5,1–20 EU). Auch Jesu Apostel erhalten die Macht, Dämonen auszutreiben (Mk 3,15 EU).
In der Frühzeit des Christentums war der Glaube an Dämonen und an die Notwendigkeit von Exorzismen weit verbreitet, teilweise übernommen aus heidnischer, insbesondere schamanischer, Tradition und fest verwurzelt im Volksglauben. Aber auch für die Kleriker war der Dämonenglaube selbstverständlich, und so wurde das kirchliche Amt des Exorzisten speziell für diese Aufgabe geschaffen. Die meisten größeren Gemeinden hatten zumindest einen Exorzisten. Exorzismus wurde auch an abtrünnigen Christen ausgeübt, da man die Abwendung vom christlichen Glauben als vom Teufel verursacht ansah.
Christliche Autoritäten wie Antonius, Kyrill von Jerusalem und Johannes Chrysostomos empfahlen das Kreuzzeichen als Mittel zur Austreibung von Dämonen. Auch der Kirchenvater Origenes beschrieb detailliert die Möglichkeiten der Dämonenaustreibung. Als weitere Mittel wurden und werden genannt: vor allem der Name Jesu Christi, danach das Taufsiegel, Anblasen, Ausspucken, Räuchern (auch andere Gerüche), Erz, Eisen, Feuer, Knoblauch, Zwiebeln, Glockenläuten sowie Verzicht auf Schweinefleisch.
Noch zur Zeit der Reformation[17] findet sich der Exorzismus in Taufformularen, in denen er der eigentlichen Taufe vorangeht. Dies verdeutlicht den Vorgang des Herrschaftswechsels durch die Taufe vom Machtbereich des Teufels in den Machtbereich Gottes (vgl. Luthers „Taufbüchlein“ als Teil der Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche).
„Die katholische Kirche versteht unter dem Begriff ‚Exorzismus‘ die Bitte an Gott, den Menschen von der Macht des Bösen zu befreien.“ Beim Exorzismus ist „die Zusammenarbeit mit Psychiatern […] grundlegend“. Vor einem Exorzismus ist die „Konsultation von Psychiatern“ vorgeschrieben.[18]
Katholische Exorzisten unterscheiden heute zwischen Besessenheit (auch Infestation oder Umsessenheit genannt) einerseits und religiöser Hysterie und diversen Geisteskrankheiten andererseits. Der Exorzismus solle nur bei Besessenheit und deren Abstufungen zur Anwendung kommen. Es wird zugestanden, dass ein Besessener auch Anzeichen einer Geisteskrankheit zeigen kann.
Als Folge der durch das Konzil von Trient initiierten Liturgiereform erschien 1614 unter Papst Paul V. das Rituale Romanum, das neben einigen Formeln des Taufexorzismus auch einen Ritus für den Exorzismus an Besessenen („großer Exorzismus“) enthält.
Der Taufexorzismus umfasst neben einer Beschwörung des Salzes und einer Beschwörung des Öles auch Formeln zum Exorzismus am Täufling. Der Taufexorzismus hat seine Wurzeln bereits in der Alten Kirche, wonach der Täufling erst von der Macht der Dämonen befreit wird, um sich dann zur Macht Gottes zu bekennen.[19] Dieser altkirchliche Taufexorzismus, der seinen ursprünglichen Platz noch in der Taufvorbereitung erwachsener Taufbewerber hatte, wurde bis zum Mittelalter stark ausgebaut und mit dem Aufkommen der Säuglingstaufe dieser unmittelbar vorangestellt. In den nachkonziliaren liturgischen Büchern wurden diese Taufexorzismen für die Erwachsenentaufe wieder in die Vorbereitungszeit verlegt und bei der Kindertaufe wurden die imprekativen (an die Dämonen gerichteten) Formeln durch eine deprekative (an Gott gerichtete) Bitte um Schutz vor den Versuchungen des Bösen ersetzt. Ein Exorzieren des Öls oder Salzes findet nicht mehr statt.
Der Exorzismus an Besessenen kam aus der fränkischen Tradition[20] in das Rituale Romanum 1614. Das Ritual besteht aus:
Bei diesem Exorzismusritus sind also deprekative Formen (Orationen) direkt mit imprekativen Formen verbunden. In den Praenotanda wird ausdrücklich auf die Werke anderer Autoren verwiesen.[22] Mit den hier nur angedeuteten Werken sind nicht-römische Exorzismushandbücher gemeint, die sich zu dieser Zeit großer Beliebtheit erfreuten und denen gegenüber der Exorzismus des Rituale Romanum überraschend rational erscheint.
Ergänzt wurde dieser Exorzismusritus 1925 durch den Exorcismus in satanam et angelos apostaticos, den Papst Leo XIII. 1890 veröffentlicht hatte.
Im Zuge der nachkonziliaren Liturgiereform wurden die einzelnen Bücher des Rituale Romanum sukzessive überarbeitet. Die Neufassung des großen Exorzismus erschien 1999. Nach Protesten, die die Wirksamkeit und Praktikabilität dieses Formulars anzweifelten, erließ der Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Jorge Arturo Medina Estévez, eine Notifikation, wonach jeder Diözesanbischof für seine Diözese die Erlaubnis, den Exorzismus nach altem Formular zu feiern, stellen kann und diesen Anträgen bereitwillig entsprochen werde.[23]
Das aus dem Jahr 1614 stammende Ritual wurde, nachdem am 22. November 1998 ein neuer Exorzismus-Ritus mit nur wenigen Änderungen gegenüber dem Text von 1614 Rechtskraft erlangt hatte, 1999 von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung überarbeitet und mit Auflagen versehen.
Ein Exorzismus-Gebet (oder „Gebet um Schutz vor dem Bösen“) ist bis heute fester Bestandteil des katholischen Ritus der Kindertaufe.[24] In der Kurzform des Kindertaufritus entfällt das Gebet.
„Weil die Taufe Zeichen der Befreiung von der Sünde und deren Anstifter, dem Teufel, ist, spricht man über den Täufling einen Exorzismus (oder mehrere). Der Zelebrant salbt den Täufling oder legt ihm die Hand auf; danach widersagt der Täufling ausdrücklich dem Satan. So vorbereitet, kann er den Glauben der Kirche bekennen, dem er durch die Taufe ‚anvertraut‘ wird [Vgl. Röm 6,17].“
Bei der Eingliederung Erwachsener in die Kirche wird das Exorzismus-Gebet schon vor der Taufe im Rahmen der Stärkungsriten gesprochen.[26]
Was den „großen“ Exorzismus angeht, erregte in Deutschland in jüngerer Zeit vor allem der Fall der Anneliese Michel Aufsehen. Die junge Frau starb 1976 im Verlauf des kirchlich genehmigten Exorzismus an Unterernährung und Entkräftung, nachdem zuvor die ärztliche Behandlung abgebrochen worden war. Die Eltern Michels und die beiden Exorzisten wurden wegen fahrlässiger Tötung jeweils zu halbjährigen Bewährungsstrafen verurteilt.
Bereits einen Monat nach dem Tod begann parallel zur juristischen Aufarbeitung des Falls dessen Mystifikation. Unter dem Druck der nicht nachlassenden öffentlichen Diskussion entschied sich die Deutsche Bischofskonferenz 1979 zur Einberufung einer Kommission zur Klärung grundsätzlicher Fragen im Kontext von Besessenheit und Exorzismus.[27] In die Kommission wurden ganz bewusst neben Theologen auch Psychologen berufen; den Vorsitz hatte Prälat Josef Homeyer. Die Ergebnisse der Kommission veranlassten die Deutsche Bischofskonferenz 1984 zu einem Gesuch in Rom, den Exorzismus als „Liturgie zur Befreiung vom Bösen“ umzugestalten. Insbesondere sollte eine Zusammenarbeit von Priestern, Psychologen und Medizinern zur zwingenden Voraussetzung gemacht werden. Dennoch nimmt die Neufassung des Exorzismusrituals von 1999 den Begriff „Exorzismus“ statt „Liturgie zur Befreiung vom Bösen“ im Titel auf. Während diese für die im deutschen Sprachraum gefeierten Liturgien eine relativ geringe Bedeutung haben dürfte, war und ist der katholische Exorzismusritus in den afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern sowie Frankreich und Italien noch sehr präsent.[28]
14 Jahre nach dem Tod Anneliese Michels kam es erneut zu einem Exorzismus mit Todesfolge. Im Jahr 1990 unterzog sich ein pädophiler Priester im indischen Bundesstaat Kerala einem vom Engelwerk durchgeführten Exorzismus. Infolge des Rituals, bei dem die „Homosex-Dämonen Dragon, Varina und Selithareth“ ausgetrieben werden sollten, verübte der Priester einen Sexualmord. Seitens des Engelwerkes wurde der Mord dem Wirken des „Dragon, Götze des Meuchelmordes, der sodomitischen Sünde, der Blutrache und des Blutrausches“ zugeschrieben.[29] Zwei Jahre später untersagte die Kongregation für die Glaubenslehre dem Engelwerk die Durchführung von Exorzismen außerhalb der kirchlichen Regeln.[30] Ob ein ursächlicher Zusammenhang des Verbots mit dem Mord bestand, ist unbekannt.
An der Päpstlichen Universität Regina Apostolorum werden seit einigen Jahren Exorzismuskurse angeboten[31] und 2004 gab es auch eine erste internationale Exorzismuskonferenz in Mexiko. Während einer Generalaudienz auf dem Petersplatz am 15. September 2005 wandte sich Papst Benedikt XVI. an die Teilnehmer des Nationalkongresses der italienischen Exorzisten und ermutigte sie dazu, „mit ihrem wertvollen Dienst an der Kirche fortzufahren“. Unter seinem Vorgänger Johannes Paul II. wurden im Jahre 2003 in Italien circa 200 Priester als Exorzisten bestellt. Im Jahr 2005 nahm erstmals eine Frau, die katholische Theologin Alexandra von Teuffenbach, an der Exorzistenausbildung teil. Die Ausbildung soll dazu dienen, das „Gebet um Befreiung“ in geordnete Bahnen zu führen und nur von psychologisch und geistlich Erfahrenen vornehmen zu lassen.
Grundsätzlich darf ein großer Exorzismus nur auf Erlaubnis des Diözesanbischofs von einem dafür bestellten Exorzisten vorgenommen werden.[32] Dieser ist dazu verpflichtet, zunächst zu prüfen, ob eine dämonische Besessenheit vorliegt oder nicht vielmehr eine psychische Krankheit,[33] und soll sich im Zweifelsfall darüber mit Medizinern und Psychiatern besprechen.[5] Sind die Voraussetzungen erfüllt, findet ein Exorzismus unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einer Kapelle oder einem Andachtsraum[34] statt. Der Ritus wird nach einem bestimmten Schema gegliedert:
An der Gliederung wird deutlich sichtbar, dass die Evangelienlesung im Zentrum steht. Ein imprekativer Exorzismus muss nicht gesprochen werden, ein deprekativer Exorzismus hingegen ist verpflichtend. Der Ritus endet mit einem Dankgebet und einem Segen.
Gabriele Amorth war Schüler von Pater Candido Amantini vom Passionistenorden (CP), der von 1961 bis zu seinem Tod 1992 Exorzist der Diözese Rom war. Amorth berief sich auf biblische Texte wie Lk 9,1 EU, um die reale und nicht nur sinnbildliche Existenz von Dämonen und den Auftrag der Christen, dieselben auszutreiben, zu belegen.[35] Er betonte dabei den Unterschied zwischen christlichen Exorzisten oder Befreiungsgebeten und magischen oder heidnischen Praktiken.[36] Als oftmalige Ursache von Besessenheit nannte er die Beschäftigung mit Okkultismus durch Pendeln, Totenbeschwörung oder Kartenlegen sowie das Aufsuchen von Wahrsagern und Magiern, wobei er ausdrücklich nicht zwischen „weißer“ und „schwarzer“ Magie unterschied, sondern beides als gefährlich, da nicht göttlichen Ursprungs, betrachtete.
José Antonio Fortea Cucurull ist ein römisch-katholischer Priester und Exorzist. Er veröffentlichte mehrere Bücher über Dämonologie, Besessenheit und Exorzismus.
Im US-Staat Wisconsin wurde der 47-jährige Geistliche Ray Hemphill aus Milwaukee angeklagt, weil er einen achtjährigen Autisten während einer „Teufelsaustreibung“ getötet haben soll. Der Exorzist hatte sich der Anklageschrift zufolge in einer Kirche zwei Stunden lang quer über die Brust des Jungen gelegt. Der Junge sei dadurch erstickt.[37]
Die römisch-katholische Kirche erkannte unter Papst Franziskus Anfang Juli 2014 die in etwa 30 Ländern vertretene internationale Vereinigung der Exorzisten (AIE) offiziell als private rechtsfähige Gesellschaft an. Axel Seegers, Theologe bei der Beratungsstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Erzdiözese München, sagte in einem Interview: „Prinzipiell ist das weltweit in der Katholischen Kirche kein umstrittenes Thema. Ob in Italien oder Spanien, in Südamerika oder Asien: Überall gibt es ganz selbstverständlich Priester, die Exorzismus durchführen.“ Die römisch-katholische Kirche habe „mehr als eine Milliarde Mitglieder in sehr unterschiedlichen Kulturräumen. Was für uns ausgeschlossen sei, werde in anderen Ländern als vollkommen normal betrachtet.“ Seit dem Fall Anneliese Michel habe es in Deutschland keinen offiziellen Exorzismusfall gegeben, jedoch würden zahlreiche inoffizielle „Teufelsaustreibungen“ teils auch von Priestern vorgenommen. Zudem sei seit der Überarbeitung des Rituale Romanum 1999 vorgeschrieben, dass Priester bei der Begutachtung auch Mediziner und Psychiater hinzuziehen sollen. Der katholische Theologe und Psychotherapeut Jörg Müller berichtet ebenso von einem Bedürfnis vieler Patienten, von „dämonischer Besessenheit und bösen Flüchen geheilt“ zu werden. Die Mehrheit sei „traumatisiert aus der Kindheit aufgrund von Missbrauch sexueller, physischer oder emotionaler Art. Das ist meistens verdrängt und kann dann später Symptome erzeugen, die man irgendeiner Besessenheit zuordnet.“ Heute sei aber bekannt, „dass das eine Form der Abspaltung von Empfindungen und Gefühlen ist, um sich zu schützen“. Eine Abspaltung „führe später zu den bekannten Symptomen wie Stimmen hören, Fratzen sehen oder sich von etwas Fremdem berührt fühlen.“ Trance- und Besessenheitszustände wurden gleichwohl im ICD-10 als seelische Erkrankungen anerkannt und unter F44.3 kodiert.
Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater, hält exorzistische Rituale für reine Suggestion, da durch sie die Vorstellung von Besessenheit erst geschaffen und das Leid der Betroffenen unter Umständen noch verstärkt werde. „Manifeste seelische Erkrankungen können nicht durch Exorzismus gelöst oder geheilt werden. Es kann aber zu Verschlimmerungen kommen, wenn medizinische Hilfe“ unterbleibe.[38]
Die orthodoxe Kirche hat eine eigene Tradition des Exorzismus. Aufsehen erregte der Fall der 23-jährigen Nonne Maricica Cornici, die im Juni 2005 im rumänischen Kloster Tanacu im Rahmen eines exorzistischen Rituals an ein Kreuz gebunden wurde und an den Folgen starb.
In einigen wenigen evangelisch-lutherischen Kirchen wird weiterhin der sogenannte „Kleine Exorzismus“ oder „Große Exorzismus“ vor der Taufe praktiziert (vgl. Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, dort: Anhänge zum Kleinen Katechismus: Taufbüchlein).
Die meisten älteren protestantischen Kirchen üben Exorzismus nicht oder nicht mehr aus. Wegen der fortschreitenden Erforschung von Traumata, Missbrauch und Geisteskrankheiten ist der Große Exorzismus in den Großkirchen Europas obsolet.
In der charismatischen und der pfingstkirchlichen Bewegung gibt es den sogenannten Befreiungsdienst, bei dem es auch um das Vertreiben von Dämonen geht, allerdings handelt es sich in vielen Fällen um relativ unspektakuläre Ursachen, hinter denen ein dämonischer Einfluss vermutet wird (Rauchen, Pornografie, Horoskope lesen), und das Verfahren besteht üblicherweise aus einem kurzen Gebet mit Handauflegen. Einzelne pfingstkirchliche Theologen leiten aus gewissen Bibelstellen auch die Existenz sogenannter „Territorialmächte“ ab, die angeblich ihren Einfluss auf ein Haus, einen Ortsteil oder eine ganze Stadt geltend machen können, und praktizieren bzw. empfehlen eine Art „Freibeten“ (vgl. „Geistliche Kriegsführung“) solcher Plätze oder Räume.
In Afrika gibt es im Umfeld der Pfingstbewegung das Phänomen der „Hexenkinder“, an welchen oft gewaltsame Exorzismusrituale vorgenommen werden. Um angebliche Dämonen auszutreiben, werden Kinder unter anderem mit Säure übergossen, in Brand gesetzt oder verstümmelt. Vor allem in ungebildeten Bevölkerungsteilen haben fundamentalistische Pfingstsekten wie Combat Spirituel Zulauf.[39][40]
Der letzte bekannte Todesfall ereignete sich am 5. Dezember 2015 in Frankfurt am Main (Exorzismus-Todesfall in Frankfurt am Main 2015);[41] Opfer war eine 41-jährige Südkoreanerin, die einer christlichen Mischreligion anhing.[42] Am 16. Juni 2016 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt Anklage gegen fünf tatverdächtige Verwandte der Getöteten. Bei diesen soll es sich laut Staatsanwaltschaft um voll schuldfähige Personen im christlichen, buddhistischen und schamanistischen Umfeld gehandelt haben, unter ihnen ihr Sohn und zwei weitere Jugendliche sowie zwei Frauen. Welcher Kirche oder Sekte die Angeklagten angehörten, konnte nach Angaben der Oberstaatsanwältin Nadja Niesen nicht festgestellt werden.[43] Wegen Körperverletzung mit Todesfolge wurde die Hauptangeklagte, die 44 Jahre alte Cousine des Opfers, im Februar 2017 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Die vier Mitangeklagten wurden zu Bewährungsstrafen zwischen eineinhalb und zwei Jahren verurteilt.[44] Nach Auffassung der Jugendstrafkammer des Landgerichts trug vor allem die 44 Jahre alte Hauptangeklagte die Verantwortung für die Tat. Die Getötete hatte nach Feststellung des Gerichts in der Tatnacht begonnen, Selbstgespräche zu führen und um sich zu schlagen. Daraufhin hatte die Hauptangeklagte mit ihren Angehörigen beschlossen, ein Exorzismus-Ritual zu praktizieren. Dabei hatten sie die Frau auf den Boden gedrückt, geschlagen und getreten und ihr ein Handtuch sowie einen mit Stoff bezogenen Kleiderbügel in den Mund geschoben – woran die Frau erstickte.[45]
Angestoßen durch ein Buch Herbert Haags 1969[46] und eine Rede Papst Pauls VI.,[47] waren die Themen Teufelsglaube und Okkultismus Anfang der 1970er-Jahre in Deutschland auch medial sehr präsent.[48] Mit dem Erscheinen des Films Der Exorzist in den amerikanischen Kinos 1973, der bei den Zuschauern Massenhysterien, Übelkeitsanfälle, Herzanfälle und sogar eine Fehlgeburt auslöste,[49] wurde außerdem das Thema Exorzismus wieder in die öffentliche Debatte gebracht. In den USA hatte dieser Film einen signifikanten Anstieg von geleisteten Exorzismen zur Folge.[50] Etwa zeitgleich zum Kinostart in Deutschland verteidigte der Vatikan in einer ausführlichen zweiteiligen Studie im Osservatore Romano[51] die Lehre vom Teufel, so dass die katholischen Geistlichen angehalten waren, auf die nun im deutschen Sprachraum signifikant ansteigenden Exorzismusanfragen nicht abweisend zu reagieren. Der prominenteste dieser Exorzismusfälle ist der Fall der Theologiestudentin Anneliese Michel, die 1975 bereits Verhaltensauffälligkeiten zeigte,[52] woraufhin mehrere Exorzismen an ihr vorgenommen wurden, bevor sie 1976 an den Folgen ihrer Mangelernährung verstarb.[53] Anneliese Michels Geschichte ist 2006 von Hans-Christian Schmid in dem Film Requiem filmisch umgesetzt worden.
Viele filmische Auseinandersetzungen mit dem Exorzismus knüpfen entweder an den Film Der Exorzist oder an ebendiesen prominenten deutschen Exorzismusfall an: Zu dem Film Der Exorzist erschienen zwei Fortsetzungen, zunächst 1977 Exorzist II – Der Ketzer mit der gleichen Besetzung wie der erste Film und 1990 dann Der Exorzist III, der ebenso wie der erste Film aus der Feder William Peter Blattys stammt.[54] Darauf folgten die Prequels Exorzist: Der Anfang (2004) und Dominion: Exorzist – Der Anfang des Bösen (2005),[55] die aber jeweils die gleiche Vorgeschichte von der ersten Begegnung des Exorzisten mit dem Dämon erzählen. Zwischen den Fortsetzungen und Prequels kam im Jahr 2001 der „Director’s Cut“ zu Der Exorzist in die Kinos, der zehn Minuten länger als das Original ist und digital überarbeitet wurde. Etwa zeitgleich hatten zwei Exorzismusfilme ihren Kinostart, die den Fall der Anneliese Michel aufgreifen. Dies sind zum einen die amerikanische Produktion Der Exorzismus von Emily Rose (2005) und zum anderen der deutsche Film Requiem (2006), die beide auf jeweils eigene Art die historische Vorlage verarbeiten. Im Fantasy-Film Constantine von 2005 spielt Keanu Reeves einen Exorzisten mit goldenem Maschinengewehr. In dem Mysterythriller Stigmata von 1999 wird eine Teufelsaustreibung an einer 23-jährigen Frau durchgeführt, verkörpert von Schauspielerin Patricia Arquette, die befürchtet, schwanger zu sein.
Unabhängig von diesem Erzählmuster sind die jüngeren Produktionen, darunter der Film Der letzte Exorzismus (2010), in dem der Befreiungsdienst eines amerikanischen evangelikalen Reverends im Stil einer Mockumentary thematisiert wird. Ein Jahr später wurde der Film The Rite – Das Ritual (2011) gezeigt, der die römisch-katholische Exorzistenschule thematisiert. Der Film Devil Inside (2012) verbindet diese beiden Ansätze zu einer Mockumentary über auszubildende Exorzisten in Rom und ihr Wirken in einem konkreten Fall.
In all diesen breiten-populären Exorzismus-Filmen sind es ausnahmslos junge Frauen und Mädchen, an denen ein Exorzismus durchgeführt wird. Die Figuren in den Exorzismus-Filmen werden in Krisensituationen, wie dem Erwachsenwerden, einem Ortswechsel, einer neuen Lebenssituation und auch dem Gewahrwerden der eigenen Sexualität, von der „bösen Macht“ besessen. Im Bereich der kritischen Rezeption des Horror-Genres Horrorfilm gibt es häufig zwei ambivalente Analyseschemata, zum einen die Subversion und dem gegenüber die reaktionäre Lesart.[56] Am Beispiel des ersten Teils der Der Exorzist-Reihe gibt es deutliche Schlüsselmomente, in denen eine althergebrachte Ordnung – hier das Patriarchat – durch den Besessenheitsvorfall in Frage gestellt, wieder hergestellt wird.[57] Der Vater des (später besessenen) Mädchens Regan taucht während des gesamten Filmes Der Exorzist nicht auf, wird aber institutionell erhöht durch die beiden Exorzisten Pater Damien Karras und Pater Lancaster Merrin ersetzt.[58] Subversion bedeutet dagegen, eine Zersetzung althergebrachter Deutungs- und Verständnisschemata, die im nicht avantgardistisch geprägten Horrorfilm regulär mit der filmischen Umsetzung des Abjekten einhergehen.[59] In Der Exorzist schlägt die besessene Regan mehrmals mit einer übermenschlichen Kraft ihrem Gegenüber in das Gesicht und erbricht kontinuierlich grünen Schleim.[60] Diese Szenen führten bei den Kinobesuchern in den 1970er Jahren zu körperlichen Reaktionen. Im Film Der Exorzismus von Emily Rose verschärft sich in einer Szene die Herausforderung an den Zuschauer. Nachts wird die Figur Emily Rose von einer unsichtbaren Kraft auf ihr Bett gedrückt und ihr Nachthemd hochgezogen. In einer kurzen Einstellung sieht man nur den Kopf von Emily Rose bis zum Schlüsselbein, der Rest des Körpers ist dabei also nicht zu sehen. Sven Großhans spricht hier von einem „Ghost Rape“.[61]
Der Artikel Exorzismus in der deutschen Wikipedia belegte im lokalen Ranking der Popularität folgende Plätze:
Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2022-10-14 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=76586