Elke Erb (* 18. Februar 1938 in Scherbach) ist eine deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin.[1]
Elke Erb ist eine der drei Töchter des Literaturwissenschaftlers Ewald Erb (1903–1978). Sie ist die ältere Schwester der Schriftstellerin Ute Erb. Der Vater holte seine Familie 1949 aus dem Rheinland in die DDR nach Halle (Saale), wo die Töchter zunächst in den Franckeschen Stiftungen lebten. Von 1958 bis 1959 war Elke Erb Landarbeiterin und studierte anschließend Germanistik, Slawistik, Geschichte und Pädagogik in Halle. 1963 machte sie ihr Lehrerexamen und arbeitete bis 1965 als Lektorin beim Mitteldeutschen Verlag.
Von 1967 bis 1978 war sie mit Adolf Endler verheiratet, mit dem sie einen Sohn, Konrad Endler, hat.
Seit 1966 ist sie freie Schriftstellerin. 1969 unternahm sie eine Reise nach Georgien. Als ihre erste umfangreiche Übersetzung erschienen 1974 Texte von Marina Zwetajewa. Sie trat hervor als Verfasserin von Kurzprosa, Lyrik, prozessualen Texten, Übersetzungen (u. a. Romane von Oleg Jurjew und Gedichte von Olga Martynowa) und Nachdichtungen überwiegend aus dem Russischen (aber auch aus dem Englischen, Italienischen, Georgischen und anderen Sprachen) sowie als Herausgeberin (u. a. Jahrbuch der Lyrik).
In einem Gespräch mit der Schriftstellerin Christa Wolf, publiziert am Ende ihres Bandes „Der Faden der Geduld“, charakterisiert sich die Autorin Elke Erb im Jahr 1978 selbst als „Risiko“ und führt zu ihrem experimentellen literarischen Ansatz aus:
„Ich bin außerhalb der Form. Und das ist eine Chance und ein Risiko. Die Menschheit geht mit mir ein Risiko ein, ich diene als Risiko.“[2]
Ihre Nähe zur unabhängigen Friedensbewegung, die Mitarbeit an einer inoffiziellen Lyrik-Anthologie und ihr Protest gegen die Ausbürgerung des Bürgerrechtlers Roland Jahn führten zur Überwachung durch die Staatssicherheit. Ein vom Vorstand des Schriftstellerverbandes der DDR unter Hermann Kant betriebener Versuch, sie auszuschließen, konnte beim Bezirksverband Berlin nicht durchgesetzt werden.
„Den Sinn ihres Widerspruchs indessen hätten diese Texte nicht haben können, hätten sie nicht einen eigenen, autonomen Sinn aufgebaut. Der war es (und nicht Kampfgeist), der sich einen Weg aus Untertänigkeit, Konsumtion und unproduktiver Ausbeutung suchte.“[3]
1988 erschien ihr viel beachteter Lyrikband „Kastanienallee“, für den sie mit dem Peter-Huchel-Preis 1988 ausgezeichnet wurde. In diesem Band erweitert sie ihr prozessuales Schreiben erstmals um eine „unhierarchische, kollektiv-aktiv förderliche Textform“,[4] die Selbstkommentare mit einbezieht und ihre eigenen Produktionsbedingungen ausweist. In dem Band „Kastanienallee“ sind erstmals in der DDR-Literatur deutliche Einflüsse der konkreten Poesie und der Wiener Gruppe spürbar, vor allem von Ernst Jandl und Friederike Mayröcker. Zudem weisen Elke Erbs Texte aus dieser Zeit eine große Nähe zur jüngeren Literatur-Avantgarde in Prenzlauer Berg auf (Bert Papenfuß, Stefan Döring, Druckhaus Galrev).
Unmittelbar nach 1989 wurde Elke Erb zu einer Kritikerin der bundesrepublikanischen Verhältnisse, der neuen Medien, der Abwicklung von DDR-Betrieben und der Treuhand-Spekulationen:
„Woher soll ein Sinn für Kultur kommen in einem Land, das kulturlos wirtschaftete? Und was sinnt die Deutsche Bank? Nur gut, denke ich (erfreut über den metaphorischen Griff:), daß sie Mecklenburg (z. B.) nicht tilgen können, sollte sich herausstellen, Mecklenburg wirft nichts ab.“[5]
Elke Erbs Bücher erscheinen in kleineren Verlagen und Zeitschriften jenseits des Mainstreams. Seit 1998 publizierte sie vor allem bei dem auf Poesie spezialisierten Urs Engeler, zunächst in dessen Edition Urs Engeler Editor, dann in der Reihe „roughbooks“.
Neben ihrem Schreiben arbeitete sie an neuen Lese- und Präsentationsformen von Literatur und engagierte sich für jüngere Autorinnen und Autoren. Zu den von ihr lektorierten und geförderten Nachwuchsautoren gehörten u. a. Monika Rinck, Ulf Stolterfoht, Steffen Popp oder Christian Filips, mit dem sie ab 2006 in Berlin-Wedding in einer Wohngemeinschaft wohnte und neue Performance-Formate entwickelte (so das Format „Haushaltsfragen“ für das Prosanova-Festival 2011 in Hildesheim).[6] 1994 erhielt sie die Rahel-Varnhagen-von-Ense-Medaille, als Lyrikerin und als Persönlichkeit, die sich um das literarische Leben in Berlin verdient gemacht hat.
Viel Beachtung fand der 2008 veröffentlichte Band „Sonanz. 5-Minuten-Notate“, in dem Elke Erb an die Tradition der écriture automatique des Surrealismus anschließt und diese fortschreibt.[7]
Im Mai 2012 wurde Erb als Mitglied in die Akademie der Künste in Berlin berufen.[8] 2017 erschien eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihrem Werk in der Edition Text & Kritik. 2018 hielt sie die „Berliner Rede zur Poesie“ unter dem Titel „Das Gedicht ist, was es tut“.[9] 2019 verlieh ihr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Bundesverdienstkreuz mit der Begründung:
„Mit ihrem legendären Eigensinn, ihrem Sprachwitz und ihren originellen Wortschöpfungen ist sie auch heute gerade jungen Dichterinnen und Dichtern Inspiration. Elke Erb gehört mit ihrem umfangreichen Werk zu den bedeutendsten zeitgenössischen Lyrikerinnen deutscher Sprache, die in einem experimentellen Geist das Formenspektrum immer wieder erweitert hat.“[10]
Für 2020 wurde Erb der Georg-Büchner-Preis zuerkannt. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung begründete die Preisvergabe damit, dass es der Autorin wie keiner anderen gelinge, „die Freiheit und Wendigkeit der Gedanken in der Sprache zu verwirklichen, indem sie sie herausfordert, auslockert, präzisiert, ja korrigiert“. Für Erb sei „Poesie eine politische und höchstlebendige Erkenntnisform“. Der Preis wurde ihr am 31. Oktober 2020 in Darmstadt verliehen.[11][12]
Elke Erb ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste und lebt heute in Berlin und Wuischke in der Oberlausitz.
Personendaten | |
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NAME | Erb, Elke |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Lyrikerin und Schriftstellerin |
GEBURTSDATUM | 18. Februar 1938 |
GEBURTSORT | Scherbach |
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Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2021-06-13 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=316722