Audre Lorde

Audre Lorde, Fotografin: Elsa Dorfman
Audre Lorde (1980)

Audre Geraldine Lorde (* 18. Februar 1934 in Harlem, New York City; † 17. November 1992 in Christiansted, Saint Croix, Amerikanische Jungferninseln) war eine US-amerikanische Schriftstellerin und Aktivistin. Sie bezeichnete sich selbst als black, lesbian, feminist, mother, poet, warrior (Schwarze, Lesbe, Feministin, Mutter, Dichterin, Kriegerin).[1]

Leben und Leistungen

Kindheit und Jugend

Lorde wurde in New York City als jüngste von drei Töchtern des Arbeiters Fredie Byron Lorde und dessen Frau Linda Gertrude Belmar Lorde geboren; beide Elternteile stammten von den Grenadinen. Lorde war stark kurzsichtig und im juristischen Sinne blind. Sie wuchs in Harlem auf während der Great Depression. Lordes Mutter erzählte ihr Geschichten von den Westindischen Inseln. Im Alter von vier Jahren lernte sie lesen. Die Mutter brachte ihr das Schreiben bei. Ihr erstes Gedicht schrieb sie, als sie in der achten Klasse war. Lorde besuchte die Hunter College Highschool für Hochbegabte und machte dort 1951 ihren Abschluss.

Ausbildung

1954 verbrachte sie ein Jahr an der Universität von Mexiko, eine Zeit, die sie als bedeutend beschrieb für ihre Selbstbestätigung als Lesbe und Dichterin. Zurück in New York absolvierte Lorde das Hunter College und schloss 1959 mit dem Bachelor ab. Während ihres Studiums der Bibliothekswissenschaft sicherte sie sich ihren Lebensunterhalt durch verschiedene Jobs: Sie arbeitete in der Fabrik, als Ghostwriterin, als Sozialarbeiterin, als Röntgentechnikerin, als medizinische Bürokraft und als Lehrerin für kunsthandwerkliche Arbeiten.[2]

Berufliche Laufbahn

Lorde arbeitete als Bibliothekarin, schrieb weiter und wurde ein aktiver Teil der homosexuellen Subkultur im Greenwich Village.[2] Sie besuchte die Columbia University und erwarb 1961 den Master in Bibliothekswissenschaft. In dieser Zeit arbeitete sie als Bibliothekarin an der öffentlichen Bibliothek in Mount Vernon (New York). 1966 wurde Lorde leitende Bibliothekarin an der Town School Library in New York City, wo sie bis 1968 blieb. Ihre Gedichte wurden in den 1960er Jahren bereits regelmäßig veröffentlicht. Ein Wendepunkt war das Jahr 1968, als der National Endowment for the Arts ihr einen Zuschuss verlieh und das Tougaloo College sie zur poet in residence ernannte.

Zwischen 1984 und 1992 hielt sich Lorde öfter in Berlin auf und half maßgeblich bei der Entstehung der afro-deutschen Bewegung mit.[3] Sie hatte zeitweise eine Gastprofessur am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der FU Berlin.[4] Diese Berlin-Aufenthalte wurden von der Soziologin Dagmar Schultz im Dokumentarfilm Audre Lorde – The Berlin Years, 1984–1992 festgehalten. Der Film erschien 2012.

Lyrik

Lordes Gedichte wurden in den sechziger Jahren regelmäßig publiziert: in Langston Hughes’ 1962 New Negro Poets, USA, in mehreren ausländischen Anthologien und in schwarzen Literaturzeitschriften. In dieser Zeit war sie in der Bürgerrechtsbewegung, der Antikriegsbewegung und der Frauenbewegung aktiv. Ihr erster Gedichtband The First Cities (1968) wurde von der Poet’s Press herausgebracht und von Diane DiPrima, einer Freundin und früheren Klassenkameradin, lektoriert.

Dudley Randall, ein Dichter und Kritiker, schrieb in einer Besprechung: „Lorde schwenkt keine schwarze Fahne, aber ihr Schwarzsein ist spürbar und gegenwärtig, es ist im Mark.“ Lordes zweiter Band Cables to Rage (1970), den sie überwiegend schrieb, als sie am Tougaloo College in Mississippi unterrichtete, handelte von Themen wie Liebe, Verrat, Geburt und der Komplexität der Kindererziehung. In dem Gedicht „Martha“ bejaht Lorde ihre Homosexualität: „we shall love each other here if ever at all.“ In späteren Büchern engagiert sie sich weiter für die Rechte von Lesben und Schwulen und für den Feminismus.

Krankheit und Tod

1980 veröffentlichte Lorde in den Krebs-Tagebüchern ihre Erfahrung mit einer Mastektomie und den Folgen. Sechs Jahre danach wurde bei ihr Leberkrebs diagnostiziert. Lorde starb am 17. November 1992 in St. Croix an den Folgen von Brustkrebs, nachdem sie 14 Jahre mit ihrer Krankheit gelebt hatte. Sie verarbeitete dies auch literarisch in ihren Krebstagebüchern. In ihren eigenen Worten war sie eine „schwarze Lesbe, Mutter, Kriegerin“. Bevor sie starb, nahm Lorde in einer afrikanischen Namenszeremonie den Namen Gambda Adisa an, der „She Who Makes Her Meaning Known“ bedeutet.

Persönliches

Audre Lorde heiratete den Anwalt Edward Ashley Rollins; sie hatten zwei Kinder, Elizabeth und Jonathan, und ließen sich 1970 scheiden.

Zur Zeit des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen 1992 hielt Lorde sich gerade in Deutschland auf. Gemeinsam mit Gloria Joseph verfasste sie einen offenen Protestbrief an den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, der in der Presse erschien.[5][6]

Bibliographie

Deutsche Ausgaben

  • Auf Leben und Tod: Krebstagebuch, 1. Aufl., Berlin: sub rosa Frauenverlag, 1984.
  • Lichtflut, Berlin: Orlanda-Frauenbuchverlag, 1988.
  • Macht und Sinnlichkeit: ausgewählte Texte von Audre Lorde und Adrienne Rich. Dagmar Schultz (Hg.), Berlin: Orlanda-Frauenverlag, 1991.
  • Zami. Eine Mythobiographie, Berlin: Orlanda-Frauenverlag, 1992 und Münster: Unrast Verlag, 2012 ISBN 978-3-89771-603-2
  • Die Quelle unserer Macht. Gedichte, hg. v. Marion Kraft, Berlin: Orlanda-Frauenverlag, 1994.
  • Auf Leben und Tod: Krebstagebuch, Berlin: Orlanda-Frauenbuchverlag, 1994 ISBN 3-92982309-8 und Fischer, 2000.
  • Vertrauen, Kraft & Widerstand: Kurze Texte und Reden von Audre Lorde (deutsche Erstübersetzung, AnouchK Ibacka Valiente Hg.), Berlin: w_orten & meer, 2015, ISBN 9783945644034
  • Sister Outsider. Essays. Übersetzung Eva Bonné, Marion Kraft. Nachwort Nikita Dhawan, Marion Kraft. Berlin: Hanser, 2021

Englische Ausgaben

  • The First Cities (1968)
  • Cables to Rage (1970)
  • From a Land Where Other People Live (1973)
  • New York Head Shop and Museum (1974)
  • Coal (1976)
  • Between Our Selves (1976)
  • The Black Unicorn (1978)
  • The Cancer Journals (1980)
  • Chosen Poems: Old and New (1982)
  • Zami: A New Spelling of My Name (1983)
  • Sister Outsider: Essays and Speeches (1984)
  • Our Dead Behind Us (1986)
  • A Burst of Light (1988)
  • The Marvelous Arithmetics of Distance (1993)

Preise und Auszeichnungen

Das Werk von Lorde wurde vielfach gewürdigt[7]:

  • 1968: Nationalstiftung für Kunststipendien
  • 1972: Stipendien für kreative Künstler
  • 1974: Nationaler Buchpreis für Poesie, Nominierung für From a Land Where Other People Live
  • 1975: Broadside Poets Award, Detroit
  • 1975: Frau des Jahres, Staten Island Community College
  • 1976: Stipendien für kreative Künstler
  • 1981: Nationalstiftung für Kunststipendien
  • 1981: Gay Caucus Book of the Year Award der American Library Association für The Cancer Journals
  • 1987: Preis des Präsidenten der Gemeinde Manhattan für literarische Exzellenz
  • 1991: Walt Whitman Citation of Merit, Dichterpreisträgerin von New York
  • 1992: Bill Whitehead Award für das Lebenswerk
  • 1993: Lambda Literary Award für Undersong
  • 1994: Lambda Literary Award postum für The Marvelous Arithmetics of Distance

Ehrungen

Audre Lorde wurde in die Anthologie Daughters of Africa aufgenommen, die 1992 von Margaret Busby in London und New York herausgegeben wurde.

Der von Dagmar Schultz produzierte Dokumentarfilm Audre Lorde – The Berlin Years 1984 to 1992 (2012) bietet einen Einblick in die Zeit ihres Aufenthaltes in Berlin und ihren Einfluss auf die Gründung der Initiative "Adefra – Schwarze Frauen in Deutschland".[8] Er wurde auf zahlreichen Festivals gezeigt.[9]

2016 entstand die „Audre Lorde City Tour“ im Rahmen eines Webauftritts, in der die politische und persönliche Welt Lordes in Berlin gezeigt werden.[10]

Eine Straße oder ein Straßenteilstück in Berlin-Kreuzberg soll nach Audre Lorde umbenannt werden.[11][12]

2021 wurde sie zu ihrem 87. Geburtstag von der Suchmaschine Google mit einem interaktiven Doodle geehrt.[13]

Zitate

“Your silence will not protect you.”

„The Transformation of Silence into Language and Action“ in Sister Outsider

“Wherever the bird with no feet flew, she found trees with no limbs”

“Art is not living. It is the use of living.”

Weblinks

Commons: Audre Lorde – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Audre Lorde. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten).
  2. a b Beverly Threatt Kulii, in: The Oxford Companion to African American Literature, Oxford University Press, 1997.
  3. Katharina Gerund: Sisterly (Inter)Actions: Audre Lorde and the Development of Afro-German Women's Communities, in: Gender Forum. An Internet Journal for Gender Studies, 22, 2008, Gender Studies
  4. Einleitung zum Audre-Lorde-Archiv FU Berlin
  5. Dagmar Schultz: Audre Lorde - ihr Kampf und ihre Visionen, in: Audre Lorde: Auf Leben und Tod. Krebstagebuch, Berlin: Orlanda Frauenverlag, 1994, S. 172
  6. Offener Brief von Audre Lorde und Gloria Joseph an den Bundeskanzler Helmut Kohl: Der Tagesspiegel, 19. September 1992
  7. Lorde, Audre – Postcolonial Studies. Abgerufen am 23. Juni 2018 (amerikanisches Englisch).
  8. Generation Adefra. Abgerufen am 23. Juni 2018 (britisches Englisch).
  9. Audre Lorde - The Berlin Years. Abgerufen am 23. Juni 2018.
  10. Audre Lorde in Berlin – Audre Lorde in Berlin. Abgerufen am 23. Juni 2018 (deutsch).
  11. Drucksache - DS/0678/V - Benennung einer Straße nach Audre Lorde. Abgerufen am 17. März 2020.
  12. Anwohner*innenbeteiligung zur Umbenennung einer Straße nach Audre Lorde, berlin.de, 15. März 2021, abgerufen am 18. März 2021.
  13. Audre Lorde: Ein interaktives Google-Doodle zum 87. Geburtstag der Schriftstellerin - mit Besonderheiten (Galerie & Video) - GWB. In: GoogleWatchBlog. 18. Februar 2021, abgerufen am 18. Februar 2021 (deutsch).

Information

Der Artikel Audre Lorde in der deutschen Wikipedia belegte im lokalen Ranking der Popularität folgende Plätze:

Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2021-06-13 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=1079464