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Édith Piaf (bürgerlich Édith Giovanna Gassion; * 19. Dezember 1915 in Paris; † 10. Oktober 1963 in Plascassier) war eine französische Sängerin, deren Interpretationen von Chansons und Balladen sie weltberühmt machten. Ihr Gesangsstil schien die Tragödien ihres Lebens widerzuspiegeln.[2] Zu ihren größten Erfolgen gehören La vie en rose, Milord und Non, je ne regrette rien.
Édith Piaf wurde bereits einige Wochen nach ihrer Geburt (nach anderen Darstellungen im Alter von zwei Jahren) im östlichen Pariser Stadtteil Belleville von ihrer Mutter, Annetta Jacqueline Gassion, geborene Maillard, einer Kaffeehaus-Sängerin von halb italienischer, halb marokkanischer Abstammung,[3] verlassen und wuchs zunächst bei ihrer Großmutter mütterlicherseits auf, wo sie beinahe verhungerte. Damit seine Tochter wieder zu Kräften kommen konnte, brachte sie ihr Vater Louis Alphonse Gassion 1917 bei seiner Mutter unter, die ein Bordell in Bernay in der Normandie betrieb.[4] Édith fühlte sich dort wohler. Der Vater selbst war Akrobat und arbeitete als Schlangenmensch in einem Wanderzirkus. 1919 erkrankte Édith an einer Entzündung der Augenhornhaut. Zwei Jahre später machte ihre Großmutter mit ihr eine Wallfahrt zur Heiligen Thérèse nach Lisieux. Édith schrieb ihre anschließende Heilung dieser Wallfahrt zu. Deshalb verehrte sie die Heilige Thérèse, mit der sie weitläufig verwandt ist, ihr Leben lang und besuchte deren Grab als Erwachsene inkognito alljährlich. Sie war erst sieben, als ihr Vater sie das erste Mal mit auf Tournee nahm. Vom zehnten Lebensjahr an begleitete Édith ihren Vater, der sie als Straßensängerin schulte und sie oft verprügelte.[5] Édith Piaf wurde stark geprägt von der Gewalttätigkeit des Milieus, in dem sie aufwuchs, und vom Alkoholismus ihres Vaters. Auch sie hatte von 1933 bis 1959 ein Alkohol-Problem.[6]
Als 15-Jährige verließ sie ihren Vater und zog gemeinsam mit einer Freundin als Straßensängerin nach Paris. Kurz darauf wurde sie von dem Kabarettbesitzer Louis Leplée entdeckt, der sie als Chanteuse in sein Kabarett holte und der jungen Frau, die lediglich 1,47 Meter groß war, den Namen gab, unter dem sie bekannt wurde: la môme piaf (der kleine Spatz).[7]
Mit 16 wurde sie schwanger und am 11. Februar 1933, zwei Monate nach ihrem 17. Geburtstag, wurde ihre einzige Tochter Marcelle geboren. Diese lebte bei ihrem Vater, Édiths Geliebtem Louis Dupont. Die kleine Marcelle starb im Alter von zwei Jahren an einer Hirnhautentzündung.
1935 nahm Édith Piaf ihre erste Platte auf. Als wenig später ihr Mentor Leplée ermordet wurde, bezichtigte man sie öffentlich der Mitwisserschaft an der Tat, da die Mörder aus dem Umfeld ihrer Unterweltbekanntschaften kamen. Obwohl sie freigesprochen wurde, flüchtete sie daraufhin in die Provinz und kehrte erst 1937 wieder nach Paris zurück. Die mediale Aufmerksamkeit drohte ihren Erfolg zunächst zu gefährden.[8] Unter der Förderung ihres neuen Mentors Raymond Asso löste sie sich aber aus dem Ursprungsmilieu. Asso schrieb auch den Text zum Chanson Mon légionnaire, das durch Piaf bekannt wurde.
In den folgenden Jahren gelang ihr der große Durchbruch. Bühnenauftritte in ganz Europa und unzählige Schallplatten waren die Folge. Ihre Karriere schritt auch während des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzungszeit weiter voran. Das von Michel Emer geschriebene Chanson L’Accordéoniste beschreibt die Liebe einer Prostituierten vor dem Hintergrund des Krieges. 1940 wurde Piaf Patin des Kriegsgefangenen-Stammlagers Stalag III D in Berlin-Lichterfelde. 1942 wohnte Piaf in einer luxuriösen Etage eines Hauses im reichen 16. Arrondissement (heute rue Paul-Valéry)[9] oberhalb des L’Étoile de Kléber, eines edlen Nachtclubs und Bordells im Umfeld des Gestapohauptquartiers in Paris.[10] 1943 war sie auf einer von deutscher Seite unterstützten Konzertreise in Berlin mit weiteren Künstlern wie Loulou Gasté, Raymond Souplex, Viviane Romance und Albert Préjean und posierte dabei unter anderem vor dem Brandenburger Tor.[11] Im Frühjahr 1944 kam es zur ersten Zusammenarbeit im Moulin Rouge und einem Liebesverhältnis mit dem aufstrebenden Sänger und Produzenten Yves Montand; sie stellte ihm unter anderem Joseph Kosma, Henri Crolla, Loulou Gasté, Jean Guigo, Henri Contet, Bob Castella und Francis Lemarque vor. Ihre Liebe zum sechs Jahre jüngeren griechischen Schauspieler Dimitris Horn blieb unerwidert.[12]
Piaf galt damals als Kollaborateurin, entkam zum Kriegsende Sanktionen und wurde nicht mit einem Auftrittsverbot belegt, weil ihre Sekretärin Andrée Bigard sich als Mitglied der Résistance bekannte und für sie aussagte.[13][10] Bilder mit Piaf bei Konzerten im Auftrag der Deutschen für kriegsgefangene französische Soldaten seien demnach genutzt worden, um gefälschte Arbeitserlaubnisse zu erstellen und einigen die Flucht zu ermöglichen.[14] Piaf musste mehrfach vor dem französischen Säuberungsausschuss aussagen, zuletzt am 30. November 1945. Sie wurde zwar offiziell vom Kollaborationsvorwurf freigesprochen, doch hing ihr der Ruf der Nazikollaborateurin in gewissen Kreisen nach. Im Zusammenhang mit diesem Ruf als Kollaborationsverdächtige wurde etwa ein Konzert Piafs im französisch besetzten Saarbrücken am 11. April 1946 mitten im Vortrag durch den jüdischstämmigen Militärgouverneur im Saarland, Gilbert Grandval, der während der deutschen Besatzung Frankreichs als Widerstandskämpfer tätig gewesen war, unterbrochen und endete in einem lautstarken Disput zwischen Piaf und Grandval vor dem anwesenden Publikum. Die Berichterstattung zu diesem Konzert wurde behördlich unterbunden. Bereits im März 1946 waren bei der französischen Militärverwaltung Bedenken laut geworden, ob die Piaf mit ihrer Vergangenheit die Kultur der Grande Nation noch glaubwürdig im Ausland vertreten könnte.[15][16]
Sie geriet in eine schwere Krise, als ihr langjähriger Lebensgefährte, der Boxweltmeister Marcel Cerdan, im Oktober 1949 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.
Schlagzeilen machte in Frankreich auch Édith Piafs anschließende Affäre mit dem populären Radrennfahrer Louis Gérardin. „Toto“ Gérardin verließ wegen Édith Piaf seine Frau, die das Paar von einem Privatdetektiv beschatten ließ. Nach Beendigung der Affäre, die zwei Jahre dauerte, schrieb Gérardin: „Zwei Tage und zwei Nächte mit der Piaf sind anstrengender als eine Etappe der Tour de France.“[17] 54 Liebesbriefe, die Piaf 1951 und 1952 an Gérardin schrieb, wurden im Mai 2009 für 67.000 Euro bei Christie’s an einen unbekannten Bieter versteigert.[18]
1952 heiratete Piaf den französischen Sänger Jacques Pills (bürgerlicher Name: René Ducos), von dem sie sich 1956 wieder scheiden ließ. Trauzeugin war Marlene Dietrich. Die beiden Sängerinnen verband eine jahrzehntelange Freundschaft. In den 1950er Jahren hatte Piaf eine kurze Liebesaffäre mit dem wesentlich jüngeren Chansonsänger Georges Moustaki. Er war es auch, der 1959 für Piaf das bekannte Chanson Milord zur Komposition von Marguerite Monnot textete, das später (veröffentlicht 1960) ihr größter Hit wurde. Bereits zu Lebzeiten große Bedeutung erhielt Non, je ne regrette rien, das von Charles Dumont und Michel Vaucaire geschrieben und 1960 veröffentlicht wurde und Piafs Leben passend zusammenfasst.[19] Sie widmete es, wie schon frühere Lieder, der französischen Fremdenlegion, die im damals laufenden Algerienkrieg eine zentrale Rolle spielte und deren Fallschirmjäger unter anderem an einem Putsch gegen Charles de Gaulle 1961 teilnehmen sollten.[20]
Piaf war am 20. September 1959 auf der Bühne des New Yorker Waldorf Astoria zusammengebrochen und musste wegen eines Krebsleidens zunächst alle schon für 1960 geplanten Auftritte absagen. Sie nutzte Auftritte mit Non, je ne regrette rien am Jahresende 1960, um das vor dem finanziellen Ruin stehende Olympia-Theater zu retten.[21] Im Jahr 1961 gelang Piaf ein vielbeachtetes Comeback.[19]
Im Oktober 1962, wenige Jahre nach ihrer Affäre mit Moustaki, heiratete sie den zwanzig Jahre jüngeren Sänger Théo Sarapo.
Im September 1958 verlor ihr damaliger Geliebter Georges Moustaki auf einer Spritztour die Kontrolle über das Auto und raste in einen LKW.[22] Piaf musste daraufhin während eines monatelangen Krankenhausaufenthaltes mehrfach operiert werden und bekam Morphium gegen die Schmerzen, was zu einer Abhängigkeit bis zu ihrem Tod führte. Sie wurde zur trockenen Alkoholikerin[6] und litt an chronischer rheumatoider Arthritis.[23] Während eines Konzertes in Stockholm am Ende der 1950er Jahre brach sie auf der Bühne zusammen – es wurde eine unheilbare Krebserkrankung diagnostiziert. Piaf ließ sich jedoch nicht davon beeindrucken und trat weiter auf. Auf ihren Tourneen wurde sie fortan von einer Krankenschwester begleitet, die ihr im Bedarfsfall Morphium gegen die Schmerzen verabreichte.
Édith Piaf förderte aktiv den musikalischen Nachwuchs Frankreichs. Sie hatte unter anderem großen Einfluss auf die Karrieren von Charles Aznavour, Gilbert Bécaud, Eddie Constantine, Yves Montand, Georges Moustaki, Jacques Pills und Francis Lai.
Anfang August 1963 brachten Sarapo und der Impresario Louis Barrier die bereits schwerkranke Piaf in ein abgelegenes Haus in Plascassier, in der Nähe von Grasse. Dort verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand weiter. An Piafs Seite waren ihre letzte Sekretärin, Danielle Bonel, und eine Krankenschwester; Sarapo befand sich auf Tournee. Bonel ließ ihn vom nahenden Tod seiner Frau verständigen; er traf sie jedoch nicht mehr lebend an. Piaf starb am 10. Oktober 1963. Bonel erwähnte in einer Fernsehdokumentation,[24] Piaf sei gegen 12:45 Uhr gestorben; an den genauen Zeitpunkt könne sie sich nicht mehr erinnern.
Der mittlerweile eingetroffene Sarapo beschloss zusammen mit Bonel und Barrier, über Piafs Ableben zunächst Stillschweigen zu bewahren und den Leichnam unbemerkt nach Paris zu überführen. Bonel besorgte einen Krankenwagen, in dem man gegen 20 Uhr die Abreise nach Paris antrat. Über den illegalen Transport erzählte Bonel: „Die Krankenschwester und Théo waren im Krankenwagen. Wären wir angehalten worden, hätten wir gesagt, sie sei gerade gestorben – unterwegs. Sie musste einfach in Paris sterben. Für sie gab es keine andere Möglichkeit. Sie hätte es mit Sicherheit so gewollt.“ Noch in derselben Nacht wurde Piafs Arzt geweckt. Er erklärte sich bereit, einen falschen Totenschein auszustellen. Offiziell für tot erklärt wurde Piaf am 11. Oktober 1963 um 8 Uhr morgens.[25] Als Sterbeort gab der Arzt Paris an.
An diesem 11. Oktober 1963 – ein halbes Jahr nach einem Herzinfarkt – starb auch ihr Freund Jean Cocteau, der für sie 1940 extra den höchst erfolgreichen Einakter Le Bel Indifférent geschrieben hatte (welcher ihr einziges Theaterengagement blieb) und der für sie angeblich mehr als nur freundschaftliche Gefühle hegte. Vielfach wurde kolportiert, dass sein Herz versagte, als er die Nachricht von Piafs Tod erhielt, zum Teil wurden die beiden in Schlagzeilen sogar als „Brautpaar des Todes“ bezeichnet. Der schwer kranke Cocteau starb aber viele Stunden nach der Todesnachricht.[26]
40.000 Menschen nahmen an ihrem Begräbnis auf dem Friedhof Père Lachaise (Division 97, Nummer 71)[27] teil. Noch heute wird ihr Grab, in dem auch ihr 1970 bei einem Autounfall ums Leben gekommener Ehemann Théo Sarapo und ihre Tochter liegen, ständig mit frischen Blumen geschmückt.[28]
Das kleine Édith-Piaf-Museum in Paris (Rue Crespin du Gast) stellt persönliche Souvenirs, ein Kleid und die Porzellansammlung der Künstlerin aus. Die Pariser Place Édith Piaf wurde nach ihr benannt.
Die englische Dramatikerin Pam Gems (1925–2011) schrieb 1978 ein Theaterstück über Édith Piafs Leben mit dem Titel Piaf. Die Schauspielerin Maria Bill aus der Schweiz, seit 1978 in Wien, trat im Jahr 1982 bei einer deutschsprachigen Inszenierung des Stücks von Gems als Piaf am Volkstheater auf.[29] Für ihre Darbietung wurde sie mit der Kainz-Medaille ausgezeichnet, es folgte eine Tournee in die Schweiz und nach Deutschland. Seither gibt es bis in die Gegenwart (2018) Konzertabende mit Maria Bill singt Piaf in Wien und anderen Städten. In den Jahren von 2016 bis 2019 wurde das Stück von Gems mit Vasiliki Roussi als Piaf im Alten Schauspielhaus der Schauspielbühnen Stuttgart[30] sowie dem Theater Trier aufgeführt.[31]
Die deutsche Dramatikerin Juliane Kann schrieb ein Stück mit dem Titel Piaf! Keine Tränen, das am 13. Dezember 2008 am Schauspielhaus Düsseldorf durch Daniela Löffler mit Susanne Tremper als Piaf uraufgeführt wurde.[32] Einen Durchbruch gab es für Juliane Kanns Theaterstück jedoch erst mit einer Inszenierung von Nikolaos Boitsos am Theater Paderborn mit Anne Bontemps als Édith Piaf.[33][34]
Das britische Avantgarde-Trio The Tiger Lillies widmete sein Bühnenprogramm 2016 der Künstlerin und veröffentlichte im gleichen Jahr ein Konzeptalbum unter dem Titel Madame Piaf.
Piaf nahm über 200 Lieder auf Schallplatte auf, darunter (in Klammern das Aufnahmedatum):
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Land/RegionAuszeichnungen für Musikverkäufe (Land/Region, Auszeichnungen, Verkäufe, Quellen) |
Silber | Gold | Platin | Verkäufe | Quellen |
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Frankreich (SNEP) | — | 11× Gold11 | 8× Platin8 | 2.545.000 | infodisc.fr snepmusique.com |
Vereinigtes Königreich (BPI) | Silber1 | Gold1 | — | 160.000 | bpi.co.uk |
Insgesamt | Silber1 | 12× Gold12 | 8× Platin8 |
Personendaten | |
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NAME | Piaf, Édith |
ALTERNATIVNAMEN | Gassion, Édith Giovanna |
KURZBESCHREIBUNG | französische Chansonsängerin |
GEBURTSDATUM | 19. Dezember 1915 |
GEBURTSORT | Paris |
STERBEDATUM | 10. Oktober 1963 |
STERBEORT | Plascassier |
Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2022-10-23 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=89574