Ulrike Beate Guérot (geborene Hammelstein; * 1964 in Grevenbroich)[1] ist eine deutsche Politikwissenschaftlerin und Publizistin. Seit 2021 hat sie die Professur für Europapolitik an der Universität Bonn inne. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist die Entwicklung von Konzepten zur Zukunft des europäischen Integrationsprozesses.
Guérot wuchs als eines von zwei Kindern in einem konservativ geprägten Familienhaushalt am Niederrhein auf.[2] Ihr Vater Hans Hammelstein stammte aus einer Arbeiterfamilie und war von 1964 bis zu seinem Parteiaustritt 2020 Mitglied der CDU sowie für diese bis 1989 Stadtrat für die Grevenbroicher Stadtteile Orken und Elsen.[3][4][5] Guérot selbst war ebenfalls seit ihren Jugendjahren Mitglied der CDU, bis sie die Partei 2015 verließ.[6]
Nach dem Abitur am Grevenbroicher Pascal-Gymnasium studierte Guérot zunächst in Frankreich am Institut d’études politiques de Paris. Dort lernte sie ihren späteren Mann kennen.[2] Bis 1989 studierte sie zudem Politikwissenschaft an der Universität Bonn.[7] Während dieser Zeit engagierte sie sich im Ring Christlich-Demokratischer Studenten.[2] 1995 wurde sie an der Universität Münster mit einer Arbeit über „Europapolitische Programmatik der französischen Sozialisten“ promoviert.[8]
1992 bis 1995 war Guérot parlamentarische Assistentin im Abgeordnetenbüro des außenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers, und wirkte an dem Schäuble-Lamers-Papier von 1994 zur Vertiefung der Europäischen Union mit. 1995 bis 1996 war sie Direktorin für Kommunikation der Association for the Monetary Union of Europe. 1996 bis 1998 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Delors, bei der Organisation Notre Europe in Paris.
1998 bis 2000 war sie Juniorprofessorin an der Paul H. Nitze School for Advanced International Studies der Johns Hopkins University in Washington. 2000 bis 2003 leitete sie die Programmgruppe Europa bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.[9] Zudem unterrichtete sie 2003 an der INSEAD Business School in Singapur. 2004 bis 2007 arbeitete sie als Direktorin Foreign Policy & Senior Transatlantic Fellow beim German Marshall Fund. 2007 bis 2013 leitete Guérot wiederum das Berliner Büro des European Council on Foreign Relations.[10] Von dort wechselte sie im Oktober 2013 als Seniorpartner Deutschland (Senior Associate Germany) zur Stiftung Open Society Initiative for Europe.[11]
Im Frühjahr 2012 war Guérot Gastwissenschaftlerin am Deutschen Haus der New York University (NYU).[12] Im Herbst 2014 hatte sie einen Gastaufenthalt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). 2013 bis 2014 unterrichtete sie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) sowie der Bucerius Law School in Hamburg.[13] Im März 2014 gründete sie die Denkfabrik European Democracy Lab (EuDemLab), einen in Berlin ansässigen Think Tank an der European School of Governance (EUSG).[14]
Von April 2016 bis August 2021 war Guérot Professorin an der Universität für Weiterbildung Krems und leitete dort das Departement Europapolitik und Demokratieforschung (DED).[15][16][17] Bei ihrer Ernennung erkannte die Universität Krems ihre kumulierten Publikationen als eine der Habilitation gleichwertige Leistung an.[18] Für das Wintersemester 2017/18 erhielt sie die Alfred-Grosser-Gastprofessur der Goethe-Universität Frankfurt.[19] Seit September 2021 hat sie die Professur für Europapolitik an der Universität Bonn inne und ist Co-Leiterin des Centre Ernst Robert Curtius (CERC) an dieser Universität.[20]
Guérot publiziert umfangreich in deutschen und europäischen Zeitschriften und Zeitungen vor allem zu europäischen und zu transatlantischen Themen. Sie wird regelmäßig eingeladen, in europäischen Medien und Begegnungen aktuelle Themen zu kommentieren und ihre Thesen zu präsentieren – „Von der Autorin zur Aktivistin“ meinte Hannes Koch in der taz.[21]
2009 sah sie in der NATO ein Hindernis für die von ihr gewünschte tiefere Integration der EU, da diese den USA, nicht aber der EU, faktisch die Möglichkeit gäbe „die Akzente für die künftige geostrategische Gestaltung des europäischen Kontinents“ zu setzen. Die Struktur der NATO mit den USA als bedeutendster Macht verunmögliche es der EU, zwischen Russland und den USA gleichberechtigt zu vermitteln. Es komme darauf an, das gute Verhältnis Deutschlands zu Russland nicht für deutsche Vorteile zu monopolisieren, sondern zu europäisieren, und einen verbundenen europäischen Gasmarkt zu schaffen, Deutschland müsse aus Nordstream ein „europäisches Projekt“ machen. Die USA seien aus Konkurrenzgründen keine uneingeschränkten Unterstützer der EU-Integration, Russland zwar ein „schwieriger Partner“, jedoch kein „Feind“. Frankreich und Deutschland müssten gemeinsam die Bedenken der Osteuropäer gegenüber Russland dadurch aufheben, dass sie diesen glaubhaft versicherten, sie militärisch zu verteidigen. Die USA sollten aufhören Russland zu provozieren, und Russland müsste dazu gebracht werden, „internationale Spielregeln“ zu beachten. Eine Mitgliedschaft der Ukraine oder Georgiens in der EU sei für Russland „wahrscheinlich“ kein Problem, anders als eine Aufnahme in die NATO.[22]
Im April 2013 veröffentlichte Guérot mit Robert Menasse ein Manifest zur „Gründung einer Europäischen Republik“. Darin plädierten sie für die Schaffung eines nachnationalen Europas.
Im Februar 2016 stellte sie zusammen mit Menasse in der Le Monde Diplomatique die auf Integration zielende Flüchtlingspolitik infrage und sprach sich dafür aus, Flüchtlingen Bauland zuzuweisen, wo sie eigene Städte gründen könnten. Europa sei groß und demnächst leer genug, um ein Dutzend Städte und mehr für Neuankömmlinge aufzubauen. So entstünden beispielsweise Neu-Damaskus und Neu-Aleppo für Syrer oder Neu-Kandahar und Neu-Kundus für die afghanischen Flüchtlinge. Eine Schließung der Grenzen sei nicht machbar, die EU müsse ihren Raum mit den Menschen teilen, die nach Europa wollten.[23]
Im April 2016 erschienenen Sachbuch Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie[24] beschreibt sie eine europäische Republik, die auf der Gleichheit aller Bürger jenseits nationaler Grenzen beruht. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) lobte den „originellen, klugen und radikalen Beitrag“.[25]
Im Mai 2017 wurde ihr Buch Der neue Bürgerkrieg. Das offene Europa und seine Feinde[26] veröffentlicht. Der NDR wählte es zum besten Sachbuch des Monats.[27]
Guérot ist Mitinitiatorin des Balcony Project (2018), an dem sich Intellektuelle und rund hundert europäische Kulturinstitutionen beteiligen, die zur Gründung einer „Europäischen Republik auf dem Grundsatz der allgemeinen politischen Gleichheit jenseits von Nationalität und Herkunft“ aufrufen.[28] Ab November 2019 zusammen mit Milo Rau als European Balcony Project – auf möglichst vielen Theaterbühnen Europas soll das mit Menasse geschriebene „Manifest für die europäische Republik“ verlesen werden.[29]
Auch in einem Video für die Deutsche Bank forderte Guérot im März 2018, die europäischen Nationalstaaten abzuschaffen. Guérot vertrat die Meinung, die Nation sei kein Identitätsträger; die Deutschen, vormals nur Rheinländer, Sachsen, Hessen und Pfälzer, seien erst durch die allgemeine deutsche Krankenversicherung zu Deutschen gemacht worden. Die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung würde zu einer europäischen Nationenbildung führen.[30]
Ihr im April 2019 erschienener Essay Wie hältst du’s mit Europa? wurde von der Welt, WDR 5, Neue Zürcher Zeitung und Österreich 1 auf Platz 3 der besten Sachbücher im Dezember gewählt.[31]
Mit historischem Bezug greift sie die Idee des Europas der Regionen auf – Europa bestehe erst seit relativ kurzer Zeit aus Nationalstaaten, viel länger dagegen aus „etwa fünfzig bis sechzig alten, historischen Regionen: Savoyen, Flandern, Venetien, Bayern, Brabant, Emilia-Romagna, Bretagne, Tirol, Katalonien – alle mit etwa sieben bis fünfzehn Millionen Einwohnern“, die Identität stiften. Was auch für „traditionsreiche Städte wie Augsburg, Hamburg, Köln oder Düsseldorf“ gelte. Die Identität der Bürger wurzele hier stärker als in den „nationalstaatlichen Konstrukten wie Deutschland, Italien, Frankreich, Niederlande, Belgien“.
Guérot postuliert, die Europäischen Regionen sollten jeweils zwei Senatoren in eine Kammer des Europäischen Parlamentes schicken. Die Abgeordneten der zweiten Kammer würden die europäischen Bürger direkt wählen – „im Gegensatz zu heute aber nach gleichem Wahlrecht für alle“. Zwischen den Regionen und der demokratisch kontrollierten Regierung in Brüssel bräuchte man keine Bundesregierung mehr.[21]
Heinrich August Winkler kritisierte die regional orientierten Annahmen Guérots und ihrer Mitstreiter Robert Menasse und Jakob Augstein scharf. Die Idealisierung der Regionen übersehe vollständig, dass auch Regionalbewegungen militant und sogar terroristisch sein könnten, Winkler verwies auf die Beispiele der IRA und baskischen ETA. Innerhalb Europas seien gerade reiche Regionen wie Flandern durch unsolidarischen Wohlstandschauvinismus gegenüber ärmeren Regionen aufgefallen. Regionalbewegungen könnten sogar gleichzeitig regional und nationalistisch sein, das sei - wie im Falle Kataloniens etwa - kein Widerspruch, aber „die Gegenüberstellung von friedlicher Region und kriegerischer Nation ist ein Produkt ahistorischen Wunschdenkens.“ Die Auflösung der Nationalstaaten - die Guérot bis 2045 abgeschlossen haben wolle - habe in Europa überwiegend nur sehr geringe Unterstützung, Sezessionsbewegungen seien eher selten. Das störe sie und ihre Mitstreiter aber anscheinend nicht.[32]
Im März 2021 veröffentlichte Guérot gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern, Intellektuellen und Künstlern das Manifest der offenen Gesellschaft in den Zeitungen Die Welt[33] und Der Freitag,[34] das sich kritisch mit der Politik zur Eindämmung der Corona-Pandemie auseinandersetzt. Mit Blick auf den Verlauf der öffentlichen Debatte über die Corona-Politik in Deutschland beklagte sie im April 2021, dass den Kritikern der Corona-Maßnahmen „ein bisschen der Boden entzogen worden“ sei, indem ihre legitime Kritik stigmatisiert werde.[35] Den sehr rasch herbeigeführten Beschluss der Bundesregierung zu dem neu eingeführten Corona-Lockdown, der unter gesetzlich bestimmten Voraussetzungen innerhalb von 72 Stunden in Kraft treten soll, bezeichnete sie gegenüber dem Deutschlandfunk als wörtlich: „Ich sag mal, semi-autoritär“.[36] Sie schloss sich im Mai 2021 einer Initiative von Wissenschaftlern an, welche die maßnahmenkritische Aktion #allesdichtmachen befürworteten.[37] In einer Sendung des ORF am 30. Mai 2021 lehnte sie die Nutzung von FFP2-Masken zur Epidemiebekämpfung und auch die Durchimpfung der Bevölkerung zur Erlangung von Herdenimmunität ab.[38]
Guérot sprach im September 2021 davon, dass sie sich angesichts vieler Menschen, die wegen der politischen Maßnahmen „durch das Raster gefallen“ seien, „radikalisiert“ habe. Es habe große Unterstützung für sie aus der Bevölkerung gegeben, weiter vernünftige Kritik dagegen zu äußern. Insbesondere nach der Veröffentlichung von zwei kritischen Videos auf einem YouTube-Kanal[39] sei es aber auch zu Beschimpfungen bis hin zu anonymen Morddrohungen gekommen.[40] Guérot kündigte an, sich aus den sozialen Medien zurückzuziehen und sich wieder stärker der Arbeit am neuen Lehrstuhl und dem Thema Europa zuzuwenden.[40] Gegen Ende September 2021 bekräftigte Guérot ihre zuvor verlautbarten Positionen durch eine Teilnahme an der Social-Media-Kampagne #allesaufdentisch.[41] Seit Ende März 2022 ist sie wieder regelmäßig auf Twitter aktiv.[42]
Am 8. März 2022 veröffentlichte Guérot im Onlinemagazin Rubikon einen Auszug aus ihrem gerade erschienenen Buch „Wer schweigt, stimmt zu“, in dem sie im Hinblick auf die Corona-Pandemie unter anderem schreibt:
„Zuerst räumen wir auf, jeder in seinem Land. Wir überantworten die Verantwortlichen dem Internationalen Strafgerichtshof, sollte sich herausstellen, dass es nicht die Fledermaus war, sondern doch ein Labor, das uns das Virus beschert hat, wie der dänische Sonderbeauftragte der UNO kürzlich leakte. Wir bitten die USA, sich um Anthony Fauci und Bill Gates zu kümmern. Wir schließen die Weltgesundheitsorganisation WHO und durchforsten ihre finanziellen Verstrickungen mit der Pharmaindustrie. Wir lassen die dunklen Gestalten von Pfizer und Co nicht entkommen, wie wir damals, vor zehn Jahren, die Banker haben entkommen lassen. Wir setzen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein. Wir wählen einen neuen Kanzler, der wieder rote Linien kennt.
Wir ernennen neue Verfassungsrichter, die wieder das Recht und die Freiheit verteidigen, anstatt uns zu sagen, dass Not kein Gebot kennt. Wir entlassen alle Mitglieder des Ethikrates, die permanent Ethik und Politik verwechselt und sich dem biopolitischen System angebiedert haben, anstatt Menschlichkeit und Würde zu verteidigen. (…)
Wir machen die Krankenhäuser wieder zu Anstalten des öffentlichen Rechts, um das Gesundheitssystem dem Effizienz- und Kostendruck zu entziehen. Wir bezahlen unser Krankenhaus- und Pflegepersonal wie Manager. Wir bringen die zum Schweigen, die uns sagen wollen, dass das nicht geht, denn wir haben in der Krise gelernt, das alles geht, wenn man nur will. Wir sperren die Kinos wieder auf und zeigen den großartigen Film von Carmen Losmann Oeconomica zusätzlich an allen Schulen, damit unsere Kinder, die wir gequält haben, sehen, dass nicht einmal die Direktoren der Zentralbank wissen, was Geld eigentlich ist. (…)“[43]
Der Soziologe Armin Nassehi misst diesen Äußerungen einen „autoritär-faschistoiden Sound“ bei, während Guérot in ihrem Buch ein „Diskussionsangebot“ sieht.[44] In der Wochenzeitung Der Freitag kritisiert Jörg Phil Friedrich ebenfalls, dass Guérot sich „oftmals eines provozierenden Vokabulars bedient“, findet im Buch dennoch „erhellende Interpretationsansätze für das Zustandekommen des Umgangs mit dem Pandemie-Geschehen“.[45]
In einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Juni 2022 nannte der Politikwissenschaftler Markus Linden Guérot eine „Ikone der Querdenkerszene“, die in Talk-Shows wiederholt halbwahre bis falsche und dort nicht sofort überprüfbare Behauptungen aufstelle. So habe sie im österreichischen Puls 24 behauptet, am Vortag habe das Europäische Parlament einen Fond für Impfopfer aufgelegt, während in der Realität lediglich eine rechtspopulistische Abgeordnete diesen einige Wochen vorher gefordert hatte. Im selben Sender hatte sie behauptet, Impfgegner seien laut einer bestimmten Studie besser informiert als Impfbefürworter; die Studie hatte das genaue Gegenteil ausgesagt. Guérot habe die Politik gegen die Coronavirus-Pandemie in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt und fälschlich behauptet, dass zwei Drittel der deutschen Schüler „inzwischen“ an Depressionen litten, eine Zahl, die in Studien überhaupt nicht auftauche und die offenbar erfunden sei.[46]
Im Zuge des Russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 wurde Guérot vorgeworfen, eine Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben. Es sei die Ukraine, die „dokumentiert“ Russland provoziert habe, gab der Politikwissenschaftler Markus Linden in seinem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung Guérots Aussagen bei Markus Lanz wieder, Putin wolle lediglich Sicherheitsgarantien. Bei Bild TV hätte sie gesagt: „Wenn wir sagen, wir wollen den Frieden, dann machen wir den morgen, dann sagen wir ‚Verhandlungen‘, dann hört das Geschlachte auf in Butscha, und dann hört es auf in Mariupol.“ Linden nannte „die Postfaktizität in der öffentlichkeitswirksamen Tätigkeit von Ulrike Guérot ein wirkliches Problem“.[46]
Nach dem Auftritt bei Bild TV vom 3. Mai 2022 zum Ukraine-Krieg forderte das Studierendenparlament der Universität Bonn Guérot einstimmig auf, sich nicht mehr zum Thema so zu äußern, wie sie es getan habe. Sie beschädige dabei das Ansehen der Universität durch „unfundierte“ Aussagen, die einer Professorin für Europapolitik unwürdig seien. Sie habe fälschlich und entgegen der expliziten Darlegung Bonner Völkerrechtler behauptet, Waffenlieferungen machten Deutschland juristisch zur Kriegspartei, und sie habe insgesamt der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen. Laut Einschätzung des Bonner General-Anzeigers sei dies keine ganz korrekte Wiedergabe ihrer Aussagen. Guérot habe sich nicht auf Waffenlieferungen bezogen, sondern auf die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland an den Waffen.[47] Am 3. Juni 2022 äußerte sich Guérot dennoch erneut im Fernsehen kontrovers zum Ukraine-Krieg. In der Talk-Show Markus Lanz nannte sie vier Ebenen des Konflikts, eine davon sei ein Bürgerkrieg, darüber hinaus legte sie der ukrainischen Führung nahe, einen sofortigen Waffenstillstand mit anschließenden Verhandlungen anzustreben. Guérot verlangte ein Ende westlicher Waffenlieferungen. Sie sei die „einzige im Studio, die gesagt hat: Ich will sofort einen Waffenstillstand“.[48] In einem Gastbeitrag für das Magazin Cicero warf Mathias Brodkorb Guérot daraufhin „westlich-behagliche Selbstgefälligkeit“ vor.[49]
Nachdem Heinrich August Winkler bereits 2017 Guérots Umgang mit angeblichen Zitaten Walter Hallsteins moniert hatte, gestand diese 2018 ein, dass von ihr und Robert Menasse geschriebene Artikel (wie der in der FAZ veröffentlichte Artikel Es lebe die europäische Republik[50]) erfundene Zitate enthielten. Sie habe davon nichts gewusst, auf die Genauigkeit Menasses vertraut und „nicht genug Autorität oder Souveränität gehabt, um dies[e] anzumahnen“. Im Nachhinein sei es „dumm gewesen, das nicht zu überprüfen“.[51]
Gegenüber der taz gab sie an, die Zitatfehler seien Robert Menasse anzulasten. Sie selbst „habe die Quellen nie überprüft.“ Sie schreibe sehr viele Artikel, arbeite mit einer Art „Zettelkasten“ und habe wohl auch für ihren Beitrag zum Buch Europa jetzt ein falsches Hallstein-Zitat von Menasse übernommen, ohne dessen Quelle zu kontrollieren. Auch ein mutmaßlich falsches Zitat von Jean Monnet habe sie so übernommen, weil es „plausibel“ gewesen sei.[52]
Der Politikwissenschaftler Markus Linden macht in ihrem Buch Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie weitere ungekennzeichnete oder zu allgemein referierte Zitate aus und sieht darin methodische Plagiate. Sie habe bei verschiedenen Autoren wortwörtlich abgeschrieben und Gedanken übernommen, aber darauf in Fußnoten nur sehr allgemein oder auch gar nicht verwiesen. Ungewöhnlicherweise habe sie in einer Fußnote den Autor Mathias Greffrath unter einer Textstelle für die ungenaue Art ihrer Zitierung um Entschuldigung gebeten, ein weiteres Zitat von ihm auf einer anderen Seite sei aber unkenntlich. Den gleichfalls herangezogenen Albrecht von Lucke habe sie nachträglich in einer im E-Book eingefügten neuen Fußnote als Quelle angegeben. Oskar Negt sei zwar als Quelle genannt, „aber ohne Bezug zur Plagiatsstelle“. Das Vorgehen erinnere im Ausmaß an Guttenberg. Für die Darstellung der Historikerin Annette Kuhn habe sie bei Wikipedia abgeschrieben. Der Autor Bernhard Perchinig, bei dem sie eine längere Stelle abgeschrieben habe, sei von ihr gar nicht genannt worden.[53] In ihrem Buch über die Coronavirus-Pandemie [Wer schweigt stimmt zu] habe sie – ohne das kenntlich zu machen – aus einem Buch Paul Watzlawicks wortwörtlich eine lange Passage abgeschrieben, aber einige Worte verändert, was für Plagiate typisch sei. Das spreche gegen die vom Verlag erfolgte Erklärung, es handele sich um Flüchtigkeitsfehler. Auch bei Marina Garcés habe sie für das Buch abgeschrieben.[46]
Ulrike Guérot war mit dem französischen Diplomaten Olivier Guérot verheiratet und ist Mutter zweier erwachsener Söhne.
Guérot ist Mitglied im Scientific Committee des Institute of European Democrats (IED),[54] sie arbeitete als Senior Policy Fellow für den European Council on Foreign Relations (ECFR),[10] ist Mitglied im Sydney Democracy Network (SDN) sowie Gesellschafterin des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) in Köln.[55]
Personendaten | |
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NAME | Guérot, Ulrike |
ALTERNATIVNAMEN | Guérot, Ulrike Beate (vollständiger Name); Ulrike Hammelstein (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Politikwissenschaftlerin und Autorin |
GEBURTSDATUM | 1964 |
GEBURTSORT | Grevenbroich |
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