Tönnies Holding ApS & Co. KG
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Rechtsform | ApS & Co. KG |
Gründung | 1971 |
Sitz | Rheda-Wiedenbrück, Deutschland |
Leitung |
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Mitarbeiterzahl | 9007 (2018)[1] |
Umsatz | 7,05 Mrd. Euro (2020)[2] |
Branche | Nahrungsmittel, Fleischverarbeitung |
Website | toennies.de |
Stand: 31. Dezember 2018 |
Die Tönnies Holding [ˈtœnjəs] ist ein Unternehmen der Lebensmittelindustrie mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück. Das Familienunternehmen ist Deutschlands größter Schlachtbetrieb für Schweine.[3] Tönnies ist auch in der Fleischveredelung tätig sowie an zahlreichen Lebensmittelfirmen beteiligt. Gleichberechtigte Eigentümer sind Clemens Tönnies und sein Neffe Robert Tönnies.
Das Unternehmen ging aus einem kleinen handwerklichen Fleischereibetrieb in Rheda hervor. 1971 gründete Bernd Tönnies ein Unternehmen für Fleisch- und Wursthandel in Rheda-Wiedenbrück. Seine Geschäftsidee war, Tiere nicht einfach nur zu schlachten, sondern das Fleisch direkt als fertige Produkte für den Lebensmitteleinzelhandel anzubieten. Dafür wurden Schlachtung und Zerlegung mit hohem Maschineneinsatz zentral gebündelt. Wegen der raschen Expansion und der engen Standortsituation in Rheda wich das Unternehmen 1975 in das benachbarte Herzebrock aus. Mit etwa 60 Mitarbeitern wurde ab 1977 an dem neuen Standort produziert, bis sich auch hier die Notwendigkeit zu baulichen Erweiterungen ergab. Das inzwischen von den Brüdern Bernd und Clemens Tönnies geführte Unternehmen sollte nach dem Willen der beiden Brüder in ihre Heimatstadt zurückkehren. Im Laufe der 1980er Jahre konkretisierten sich die Pläne für einen großmaßstäblichen Neubau des Unternehmens auf der grünen Wiese. Die planerische Umsetzung erfolgte durch das österreichische Architekturbüro ATP Architekten und Ingenieure, Innsbruck. 1992 konnte der neue Zerlegebetrieb in Rheda-Wiedenbrück mit 400 Arbeitsplätzen in Betrieb genommen werden. 1990 erwarb Tönnies den Schlachthof in Weißenfels (Sachsen-Anhalt), der auf eine Tradition bis ins Jahr 1898 zurückblickt.
Bernd Tönnies starb am 1. Juli 1994 an den Folgen einer Lungeninfektion nach einer Nierentransplantation. Er hinterließ seinen zwei Söhnen, Robert und Clemens jun., ein Millionenvermögen und 50 % der Eigentumsrechte seines Unternehmens. Sein jüngerer Bruder Clemens, der die anderen 50 % an der Tönnies Holding besitzt, übernahm die Geschäftsführung und verantwortet seitdem die Konzernentwicklung.
Der Tönnies-Konzern wurde durch den 1997 fertiggestellten Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück ergänzt. Dieser bildet seitdem eine Produktionseinheit mit 3.200 Mitarbeitern (Stand 2007) und einer überdachten Produktionsfläche von 50.000 m² (Eigenangaben zum Stand 2000). Die im Jahr 2001 fertiggestellte Verkaufsabteilung (Fleisch-Börse) soll kurze Wege und Informationen auf allen Produktlinien des Unternehmens gewährleisten. 2007 nahm Tönnies ein neues Logistikzentrum (ebenfalls in Rheda-Wiedenbrück) in Betrieb, das nach Branchenmeinungen das modernste seiner Art in Europa ist. Das neue Logistikzentrum ist zentral auf die Anforderungen des sensiblen 0-bis-2-Grad-Celsius-Bereichs (Hackfleischprodukte etc.) konzipiert.[4] Im Juli 2011 wurde bekannt, dass Clemens Tönnies innerhalb von drei Jahren die Zur-Mühlen-Gruppe zu 100 Prozent übernimmt.[5]
Im Jahr 2013 begann das Unternehmen mit dem Bau einer Fabrik für Roh-Heparin, das aus der Darmschleimhaut von Schweinen gewonnen wird.[6][7] Sie ging am 4. November 2014 in Betrieb.[8]
Ab Mitte 2014 hatte das Bundeskartellamt wegen illegaler Preisabsprachen in der Fleischwarenbranche insgesamt Strafen in Höhe von 338 Millionen Euro gegen 21 Wursthersteller und 33 verantwortliche Personen verhängt, die Ermittlungen hierzu liefen seit 2009. Darunter waren auch Unternehmen von Tönnies.[9] Mitte Oktober 2016 konnte das Kartellamt eine Strafe über 128 Millionen Euro wegen erwiesener Preisabsprachen bei den Tönnies-Tochterunternehmen Böklunder Plumrose und Könecke Fleischwarenfabrik nicht eintreiben, weil die Tochtergesellschaften rechtzeitig liquidiert wurden, was als Wurstlücke bekannt wurde. Die Tönnies Holding hatte mit einem simplen und wirkungsvollen Trick die Aktivitäten der Böklunder Plumrose und Könecke Fleischwarenfabrik auf andere Gesellschaften seiner Beteiligungsgesellschaft Zur-Mühlen-Gruppe übertragen und die Tochtergesellschaften anschließend liquidiert. Da die Tönnies-Gesellschaften rechtlich nicht mehr existierten, gab es für die Bußgeldbescheide keinen Adressaten mehr und die Bußgeldverfahren wurden folglich eingestellt.[10] Clemens Tönnies selbst bestritt diese Darstellung, da der Umbau nach seiner Darstellung schon vor Erlass der Bußgeldbescheide begonnen wurde.[9]
Im November 2014 meldete Tönnies die Absicht zur Übernahme der Rindfleischsparte des niedersächsischen Fleischverarbeiters Gausepohl beim Kartellamt zur Prüfung an,[11] nahm jedoch noch im selben Monat wieder Abstand von dem Vorhaben,[12] woraufhin Gausepohl für diese Sparte Insolvenz anmeldete.[13] Mit Rückwirkung zum 1. Oktober 2015 übernahm Tönnies einen der größten dänischen Schweineschlachter, die Tican-Gruppe.[14]
Im November 2019 verurteilte das Landgericht Bielefeld drei ehemalige Mitarbeiter des Konzerns zu Haftstrafen zwischen drei und vier Jahren und Zahlung von 210.000 Euro an die Staatskasse. Seit Anfang 2016 hatten diese mit Mitarbeitern zweier polnischer Unternehmen Waagen manipuliert und 3,5 Millionen Euro für nicht gelieferte Waren erschwindelt.[15]
Die Tönnies-Gruppe mit mehreren Tochtergesellschaften ist auf verschiedene Standorte verteilt. Insgesamt ist die Unternehmensgruppe in sieben Sparten unterteilt: Meat, Convenience, Sausages, Ingredients, Logistics, International und Central Services. Es existieren deutsche Produktionsstandorte unter anderem in Rheda-Wiedenbrück, Sögel, Wilhelmshaven, Kellinghusen, Badbergen, Kempten, Weißenfels (Sachsen-Anhalt), Brandenburg an der Havel.[16] Die Betriebe in Weißenfels und Rheda-Wiedenbrück besitzen Zulassungen für den EU-Raum und für Japan. Der Betrieb in Rheda-Wiedenbrück beanspruchte für sich vor dem COVID-19-Ausbruch, die Hygienevorschriften für Exporte nach Europa, Asien, USA, Australien und Südafrika zu erfüllen. Tönnies verfügt auch über Produktionsstandorte in Dänemark, Polen, Großbritannien und Frankreich.
In den Betrieben der Tönnies-Unternehmen wurden im Jahr 2016 weltweit 20,4 Millionen Schweine geschlachtet, davon 16,2 Millionen in Deutschland. Damit ist der Konzern bei der Schweineschlachtung Marktführer in Deutschland. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2016 betrug rund 6,35 Milliarden Euro.[17] Bei Tönnies hergestellte Fleischprodukte werden unter anderem unter dem Markennamen Tillman’s sowie unter den Eigenmarken des Handels wie Landjunker (Lidl) und Meine Metzgerei (Aldi Nord/Aldi Süd) in Discountern, aber auch über Rewe, Edeka (Gut & Günstig) oder Kaufland (K-Classic) vertrieben. Laut der Lebensmittel Zeitung gehört das Unternehmen zu den größten Lieferanten des deutschen Lebensmittelhandels. Die Tönnies Holding ist an folgenden Unternehmen beteiligt:
Seit September 2007 stand das Unternehmen unter dem Verdacht des Betruges. Die Staatsanwaltschaft ermittelte.[21] Im Zuge des Verfahrens wurde deutlich, dass dieser Vorwurf von Wettbewerbern eingefädelt wurde. Tönnies konnte nachweisen, dass ein Mitarbeiter des Eichamtes vorsätzlich Waagen manipuliert hatte, um den Vorwurf des Betruges zu festigen.[22] Der Spiegel recherchierte in diesem Zusammenhang intensiv und warf die Frage auf, inwieweit die Vorwürfe nicht Teil einer Kampagne des größten Wettbewerbers Vion N. V. seien, der offenbar mit einem Versuch einer Übernahme gescheitert war.[23] Am 15. Dezember 2010 gab das Landgericht Essen bekannt, dass es keine Anklage wegen Betrugs zulässt und die Anklage der Staatsanwaltschaft Bochum endgültig abgewiesen hat. Spiegel Online bezeichnete die Einstellung als „Herbe Niederlage für die Staatsanwaltschaft Bochum“.
Ende August 2011 wurde ein Strafverfahren gegen Clemens Tönnies und sieben leitende Mitarbeiter des Konzerns wegen Falschetikettierung vom Landgericht Essen gegen eine Auflage von 2,89 Millionen Euro eingestellt. Dem Verfahren lag der Vorwurf zu Grunde, dass das an Supermarktketten gelieferte gemischte Hackfleisch einen geringeren Anteil an Rindfleisch enthielt als auf der Verpackung angegeben.[24]
Der hohe Anteil von Niedriglohn-Beschäftigten hatte Tönnies Fleischwerk in das Rampenlicht der politischen Diskussion gerückt. Darüber hinaus hatte die Beschäftigungspolitik des Unternehmens – auch wegen der Unterbringung der Arbeiter in Sammelunterkünften – am Standort Rheda-Wiedenbrück zu bundesweiter Kritik geführt. Im Jahr 2007 nannte der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium Gerd Andres auf einer Pressekonferenz das Unternehmen Tönnies als Beispiel für unhaltbare Zustände in der Fleischindustrie. Andres betonte, das Unternehmen beschäftige in seinem Werk am Standort Rheda-Wiedenbrück 2000 osteuropäische und 250 deutsche Mitarbeiter. Andres folgte wenige Wochen nach seinen Äußerungen einer persönlichen Einladung von Tönnies, besuchte den Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück und äußerte sich danach positiv über das Unternehmen.[25]
Im April 2008 berichtete das ARD-Magazin Report Mainz, dass bei Tönnies Mitarbeiter videoüberwacht wurden. Mit flächendeckenden Kameraüberwachungen sollen laut Zeugenaussagen Betriebsangehörige selbst in Umkleidekabinen und auf Toiletten gefilmt worden sein. Die Unternehmung räumte gegenüber Report Mainz die Videoüberwachung teilweise ein und begründete sie mit Hygienekontrollen. Das Reinigen der Hände und das Anziehen der Schutzkleidung werde überwacht. Gefilmt würden „Garderobenräume, […] keinesfalls aber Dusch- oder Umkleidekabinen. In allen Fällen erfolgt die Überwachung durch sichtbare Kameras. […] Die Arbeitnehmervertreter sind ebenfalls informiert und haben diesem System ausdrücklich zugestimmt.“ Allerdings gibt es bei Tönnies laut Gewerkschaft weder einen Betriebsrat noch eine andere gesetzlich legitimierte Arbeitnehmervertretung. Das Unternehmen beobachtete seine Mitarbeiter mit über 200 Kameras in allen betrieblichen Einrichtungen, auch im Dusch- und Umkleidebereich. Die Beweislage war eindeutig; Tönnies stimmte einem Bußgeld von 80.000 € zu.[26]
Im Sommer 2013 berichtete der Sender ARD in der Reportage Deutschlands neue Slums – Das Geschäft mit den Armutseinwanderern, dass im Tönnies Fleischwerk in Rheda-Wiedenbrück über Subunternehmen Kolonnen von südosteuropäischen Fleischzerlegern arbeiten würden. In dem Beitrag wurde über konkrete Fälle berichtet, in denen Bezahlung unterhalb des Mindestlohns, Überstunden, fehlende Krankenversicherung, Kündigungsandrohung, Kündigung im Falle von Krankheit sowie gefährliche Arbeitsbekleidung Kennzeichen bei der Beschäftigung der Arbeiter waren.[27] Laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten wurde dies zwei Jahrzehnte lang bis 2020 praktiziert. Auch hätten die Subunternehmen, meist von osteuropäischen Chefs geführte GmbHs, als Unterbringungsorganisatoren der Angestellten fungiert; sie hätten den Beschäftigten nicht Wohnungen oder Zimmer, sondern nur Betten für teilweise 300 Euro monatlich vermietet.[28] Laut der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hatte Tönnies beim Tochterbetrieb Zur-Mühlen-Gruppe versucht, alle gewerkschaftlichen Strukturen zu zerschlagen.[28]
2020 berichtete die Zeitschrift Emma, dass von den ca. 7.000 Arbeitern ein Drittel Frauen seien, die ebenfalls schwere Arbeit am Band leisteten und zusätzlich sexuellen Belästigungen und Übergriffen, etwa durch Vorarbeiter, ausgesetzt seien. Dabei komme es auch zu ungewollten Schwangerschaften, die aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes verheimlicht würden.[29]
Im Juni 2020 ergaben behördlich angeordnete Massentests auf das SARS-CoV-2-Virus, dass sich im Tönnies-Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück von 6.139 getesteten Tönnies-Werksmitarbeitern 1.413 Arbeitnehmer infiziert hatten, ebenso wie weitere 353 Personen im Umfeld dieser Beschäftigten, insgesamt also 1.766. Außerdem gebe es weitere Infizierte im zweistelligen Bereich (Stand 24. Juni 2020 / Ministerpräsident Armin Laschet bei seiner Rede im Düsseldorfer Landtag).
Anfang Mai war es zu einem ähnlichen Vorfall mit zahlreichen Infektionen durch das Virus SARS-CoV-2 in einem Schlachtbetrieb von Westfleisch in Coesfeld gekommen. In dem Zusammenhang sagte ein Sprecher von Tönnies: „Wir wurden in der Ernährungsindustrie vor acht Wochen aufgefordert, während des Lockdowns weiter zu arbeiten, so wie Krankenhäuser, Pflegeheime und die Energieversorgung … bei dem Wissen, dass wir dadurch ein erhöhtes Infektionsrisiko haben.“ Man sei diesem Auftrag nachgekommen, trotz erheblicher Maßnahmen, die Tönnies umsetze, bleibe – wie in Krankenhäusern oder Pflegeheimen – ein Restrisiko. „Im Lichte dieses bekannten Zielkonflikts darf nicht eine ganze Branche nun unter Generalverdacht gestellt werden“, teilte der Sprecher mit.[30] Damals gab es kein erhöhtes Infektionsgeschehen im Kreis Gütersloh, Mitte Mai gab der Kreis bekannt, dass von 784 zu dem Zeitpunkt ausgewerteten Tests bei Tönnies keiner positiv gewesen sei.
Seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie in der Tönnies-Fleischfabrik ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz. Laut Oberstaatsanwalt Martin Temmen liegen fünf Strafanzeigen vor, die Anlass für das Ermittlungsverfahren geben. Unter anderen erstattete die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion der Grünen, Britta Haßelmann, Strafanzeige gegen den Tönnies-Konzern.[31][32][33]
CDU-Landrat Sven-Georg Adenauer ordnete einen Produktionsstopp an. Die Schlachtungen waren zwar eingestellt, aber das Fleisch von bereits geschlachteten Tieren durfte noch verarbeitet werden.[34] Außerdem wurde eine mindestens 14-tägige Quarantäne für alle 7000 Mitarbeiter inklusive der Führungsetage samt Clemens Tönnies angeordnet,[35] für einige der nicht positiv getesteten Tönnies-Mitarbeiter galt eine Arbeitsquarantäne; das heißt, sie durften sich nur zwischen ihrem Wohnort und der Arbeitsstätte bewegen. Schulen und Kindertagesstätten wurden im Kreis Gütersloh bis zu den Sommerferien 2020 geschlossen. Betroffen waren auch der Nachbarkreis Warendorf und die Stadt Bielefeld, die Kinder von Tönnies-Mitarbeitern vom Schulbesuch ausgeschlossen hatten.[36] Nach Angaben Adenauers fehlten dem deutschen Markt durch die Einstellung der Produktion 20 Prozent der Fleischprodukte. Als mögliche Gründe für die zahlreichen Infektionen nannte ein Sprecher von Tönnies die Rückkehr von Arbeitern nach Heimaturlauben in Bulgarien und Rumänien und die notwendige Kühlung in Bereichen des Unternehmens.[37] Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet übernahm zunächst, ohne dafür Belege zu haben, die Behauptung von Tönnies zum Ausbruch und sagte „… weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt“. Diese Aussage löste in der Öffentlichkeit Kritik aus, teilweise auch Empörung. Außenminister Heiko Maas und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierten Laschets Behauptung.[38] Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe Emerging Viruses in der Abteilung für Infektionskrankheiten der Universität Genf, hielt dagegen aufgrund der relativ langen Inkubationszeit Heimaturlaube über verlängerte Wochenenden als Ursache für unwahrscheinlich. Die hohe Anzahl betroffener Mitarbeiter weise auf ein unbemerktes, schon länger vorsichgehendes „Superspreading-Event“ in dem Betrieb hin.[39] Nach eigenen Angaben habe sich die Tönnies-Gruppe bemüht, die Produktion an anderen Standorten zu steigern, um Ausfälle zu kompensieren.[40][41]
Laschet schloss am 22. Juni einen Lockdown für den ganzen Kreis Gütersloh nicht aus; notwendig sei das aber nicht, weil der Ausbruchsherd lokal eingrenzbar sei. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte Laschets Haltung gegen einen Lockdown in der Region scharf und warnte vor einem freien Reiseverkehr aus der Region Gütersloh („Ich bin sicher, dass deutlich mehr Menschen außerhalb der Mitarbeiterschaft inzwischen infiziert sind“). Das Virus könne sich – so sahen das Epidemiologen im Juni 2020 – sehr weit verteilen.[42][43] Am 23. Juni 2020 wurden von Ministerpräsident Laschet erneute Kontaktbeschränkungen (Lockdown) für den Kreis Gütersloh vorläufig bis zum 30. Juni 2020 verkündet. Im Kreis Gütersloh handele es sich um das bisher "größte Infektionsgeschehen" in Deutschland.[44][45] Im Kreis Warendorf, in dem zahlreiche Tönnies-Mitarbeiter wohnen, wurden in der Folge ebenfalls die im Kreis Gütersloh geltenden Kontaktbeschränkungen in Kraft gesetzt. Zudem würden Sport in geschlossenen Räumen und zahlreiche Kulturveranstaltungen verboten, sagte der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen Karl-Josef Laumann. Ab dem 25. Juni würden zudem Schulen und Kitas im Kreis Warendorf geschlossen.[46] Am 29. Juni 2020 wurde der Lockdown für den Kreis Warendorf ab dem 1. Juli 2020 aufgehoben und für den Kreis Gütersloh bis zum 7. Juli verlängert.[47] Das Oberverwaltungsgericht Münster hob die verlängerten Corona-Einschränkungen für den Kreis Gütersloh am 6. Juli 2020 auf. Das Land Nordrhein-Westfalen hätte, so das Gericht, nach dem Corona-Ausbruch unter den Mitarbeitern des Fleischverarbeiter Tönnies zwischenzeitlich eine differenziertere Regelung erlassen müssen. Ein Lockdown für den ganzen Kreis sei deswegen nicht mehr verhältnismäßig.[48] Eine ähnliche Entscheidung der Landesregierung wurde nach Ansicht des Landrates des Kreises Gütersloh Sven-Georg Adenauer damit vorweggenommen. Die meisten Neuinfektionen traten laut dem Kreis Gütersloh bis auf wenige Ausnahmen Anfang Juli 2020 bei Menschen mit Bezug zum Fleischereibetrieb Tönnies auf.[49] Österreich nahm am 29. Juni 2020 nach mehreren Gesprächen zwischen dem NRW-Ministerpräsidenten Laschet und dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz die nach dem schweren Coronavirus-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies ausgesprochene generelle Reisewarnung für ganz Nordrhein-Westfalen zurück und beschränkte sie auf die vom Infektionsgeschehen betroffenen Landkreise.[50]
Am 4. Juli gab es eine Kundgebung des Bündnis „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ dem Konzern. Zuvor waren in Nacht Aktivisten auf das Gebäude geklettert und hatten dort ein Banner mit der Aufschrift „Shut down Tierindustrie“ befestigt.[51]
Die Stadtverwaltung Rheda-Wiedenbrück hob am 15. Juli 2020 den angeordneten Produktionsstopp für die Schlachtung (nicht für die Zerteilung) der Tiere mit sofortiger Wirkung auf. Martin Exner, Professor am Lehrstuhl für Hygiene an der Uni Bonn, sah die vorgenommenen Maßnahmen als Vorbild für andere Unternehmen: „Wir haben jetzt ein sehr abgewogenes Hygienekonzept, das kann eine Blaupause für andere Betriebe in ganz Deutschland werden.“ Unter anderem wurden Hochleistungsfilter und UV-Strahlen bei der Luftumwälzung eingesetzt, der Mindestabstand zwischen den Arbeitern vergrößert und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vorgeschrieben.[52]
Am 17. Juli, kurz nach der Wiedereröffnung gab es vor dem Tönnies-Konzern eine Kundgebung gegen die dortigen Produktionsbedingungen mit ca. 600 Teilnehmern. 250 Landwirte taten dagegen kund, dass sie die Wiedereröffnung des Unternehmens begrüßen[53].
Den Mitarbeitern wurde im Vorfeld empfohlen, bei Erkrankung ihren Wohnort aufzusuchen. Ihnen wurde nahegelegt, über die Situation zu schweigen und keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Subunternehmen drohten ihnen mit Kündigung.[54] Der Kreis Gütersloh warf der Tönnies Holding vor, bei der Weitergabe der Wohnadressen der betroffenen Arbeitnehmer nicht kooperiert zu haben. Unternehmenschef Clemens Tönnies bestritt das und verwies auf datenschutzrechtliche Probleme, da die betroffenen Arbeitnehmer über Werkvertrag von Subunternehmern bei Tönnies eingesetzt werden. Nach schriftlicher behördlicher Anforderung erhielt Tönnies von den Dienstleistern die notwendigen Daten.[55]
Im Jahr 2011 kam es zu einem Streit zwischen Robert Tönnies und seinem Onkel Clemens Tönnies um die Leitung des Unternehmens. Beide besitzen jeweils die Hälfte der Anteile am Unternehmen. Robert Tönnies fordert 5 Prozent der Unternehmensanteile zurück, die er seinem Onkel im Jahr 2009 geschenkt hatte. Mit diesem Anteil hätte Robert Tönnies die Stimmenmehrheit.[56] Die Mitarbeiter haben sich in dem Streit eindeutig auf die Seite von Clemens Tönnies gestellt.[57][58] Robert Tönnies wird von dem Rechtsanwalt Mark Binz und von einer Kommunikationsagentur namens CNC begleitet.[59] Clemens Tönnies wird in dem Streit von Rechtsanwalt Michael Hoffmann-Becking vertreten.[56] Im Mai 2015 berichteten Medien, Clemens und Robert Tönnies stünden vor einer streitbeilegenden Einigung,[60] die im April 2017 erfolgte.[61] Ende 2019 flammte der Streit wegen eines umstrittenen China-Projektes für einen Betrag von 500 Mio. Euro, über das Robert Tönnies nicht informiert wurde, wieder auf.[62] Im November 2020 wurde bekannt, dass die Vertragsverhandlungen für den Bau des Schlacht- und Zerlegebetriebs für Schweine in der chinesischen Provinz Sichuan abgeschlossen seien.[63]
Nachdem sich während der COVID-19-Pandemie in Deutschland zahlreiche Mitarbeiter im Tönnies-Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück im Juni 2020 mit SARS-CoV-2 angesteckt hatten, forderte Robert Tönnies in einem Brief den Rücktritt von Clemens Tönnies aus der Geschäftsleitung. In dem Brief wirft Robert Tönnies der Geschäftsleitung und dem Beirat des Konzerns unverantwortliches Handeln sowie die Gefährdung des Unternehmens und der Bevölkerung vor. Die seit 2017 geltenden Unternehmensleitsätze zur Abschaffung von Werkverträgen seien nie umgesetzt worden.[64]
Seit 1994 engagierte sich Unternehmensgründer Bernd Tönnies für den Bundesliga-Traditionsverein FC Schalke 04. Am 7. Februar 1994 wurde Bernd Tönnies bei einer außerordentlichen Vollversammlung zum neuen Präsidenten gewählt. Vor der Wahl musste die Vereinssatzung geändert werden, weil Bernd Tönnies noch kein ganzes Jahr Mitglied des Vereins war. Kurze Zeit später, am 1. Juli 1994, verstarb Bernd Tönnies im Alter von 42 Jahren an den Folgen einer Nierentransplantation. Clemens Tönnies war seit 1994 Mitglied des Aufsichtsrates des FC Schalke 04 und seit 2001 dessen Vorsitzender. Am 30. Juni 2020 trat Tönnies als Aufsichtsratsvorsitzender zurück.[65][66]
Der 2004 gegründete Verein Fleisch zur Freude der Kinder e. V. führt jährlich die Deutsche Zerlegemeisterschaft durch und sammelt auch darüber hinaus Spendengelder für notleidende Kinder. Im Jahr 2007 wurde der Verein in Aktion Kinderträume – Verein der deutschen Fleischwirtschaft e. V. umbenannt.
Mit dem Bernd-Tönnies-Preis werden Publikationen sowie wissenschaftliche oder journalistische Arbeiten gewürdigt, die sich mit Aspekten der tierschutzgerechten oder -relevanten Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren befassen. Der Preis wird in unregelmäßigen Abständen von der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Förderung der Forschung über die Zukunft des Tierschutzes in der Nutztierhaltung, kurz Tönnies-Forschung, ausgelobt.[67] Der mit 10.000 € dotierte Preis wurde am 3. November 2011 erstmals vergeben und ging an die Redakteurin im Ressort Natur und Wissenschaft der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Christina Hucklenbroich.[68]
Nach dem Aufstieg des FSV Gütersloh 2009 in die Fußball-Bundesliga der Frauen stieg Tönnies als Hauptsponsor des Vereins ein.[69] Seitdem trägt der Verein seine Heimspiele in der 2012 erbauten Tönnies-Arena aus.
Aufgrund der Ereignisse rund um den Coronavirus-Ausbruch beschloss der DSC Arminia Bielefeld, die seit Juli 2019 bestehende werbliche Partnerschaft mit Tönnies am Saisonende nicht zu verlängern, sondern auslaufen zu lassen.[70]
Koordinaten: 51° 51′ 48″ N, 8° 19′ 20″ O
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Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2021-06-13 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=1144566