Margot Friedländer (auch: Margot Friedlander; geboren am 5. November 1921 in Berlin als Anni Margot Bendheim) ist eine deutsche Überlebende des Holocausts, die als Zeitzeugin auftritt.
Margot Friedländer wurde am 5. November 1921[1] als Anni Margot Bendheim in Berlin geboren. Ihre Eltern waren der Handlungsgehilfe Artur Bendheim und seine Frau Auguste, geborene Gross.[2] Die Familie war jüdischer Religionszugehörigkeit. 1937 ließen sich die Eltern scheiden.[3][2] Margot lebte mit ihrem vier Jahre jüngeren Bruder Ralph bei der Mutter in Berlin-Kreuzberg. Sie versuchten mehrmals auszuwandern. 1938 verweigerten die USA die Immigration. 1942 wurde ihr Vater in einem Vernichtungslager ermordet. Am 20. Januar 1943 planten sie ihre Flucht aus Deutschland, Ralph wurde aber von der Gestapo verhaftet. Die Mutter konnte noch eine Handtasche mit ihrem Adressbuch und einer Bernsteinkette bei Nachbarn deponieren, bevor sie sich der Polizei stellte, um ihren Sohn Ralph zu begleiten.[3] Die Nachbarn übermittelten Margot zudem die mündliche Botschaft ihrer Mutter: „Versuche, dein Leben zu machen.“ Die Mutter und der Bruder wurden im KZ Auschwitz ermordet.
Margot lebte fortan in verschiedenen Verstecken. Sie färbte sich die schwarzen Haare tizianrot und ersetzte den Judenstern durch eine Kette mit Kreuz. Sie ließ ihre Nase operieren bzw. verändern, um nicht dem Vorurteil über das Aussehen von Juden zu entsprechen und so als Jüdin erkannt zu werden. Ihre wechselnden Verstecke fand sie bei Gegnern des Nationalsozialismus, wobei ihre Notlage jedoch auch ausgenutzt wurde.[3] Im Frühjahr 1944 geriet sie in eine Kontrolle von „Greifern“ − Juden, die im Auftrag der SS andere Juden aufspüren und ausliefern sollten.[4] Sie wurde verhaftet und in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. Dort traf sie Adolf Friedländer wieder, den sie von ihrer Arbeit als Kostümschneiderin beim Jüdischen Kulturbund kannte, wo er Leiter der Verwaltung war.[5] Auch er hatte seine gesamte Familie verloren.
Gemeinsam überlebten Margot und Adolf den Holocaust, heirateten und reisten 1946 per Schiff nach New York. Dort nahmen sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an und schrieben ihren Nachnamen „Friedlander“. Die Ehe blieb kinderlos.[6]
Margot Friedländer arbeitete in New York unter anderem als Änderungsschneiderin und Reiseagentin. 1997 starb Adolf Friedländer. Nach Adolfs Tod besuchte Margot einen Seniorenkurs für biografisches Schreiben des jüdischen Kulturzentrums 92Y, in welchem ihr Mann Associate Executive Director gewesen war.[7] Eine ihrer ersten Geschichten handelt von ihrer Befreiung aus dem Konzentrationslager. Durch die Veröffentlichung ihrer Geschichten lernte Margot einen Dokumentarfilmer kennen, der mit ihr in ihrer alten Heimatstadt Berlin einen Dokumentarfilm drehte.[8] Margot Friedländer nahm 2003 eine Einladung des Berliner Senats für „verfolgte und emigrierte Bürger“ an und besuchte ihre Heimatstadt. 2008 erschien ihre Autobiografie Versuche, dein Leben zu machen. Nach weiteren Besuchen in ihrer Heimatstadt beschloss sie, ganz zurückzukehren. Seit 2010 lebt sie wieder in Berlin.[9] Sie erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft zurück. Heute besucht Margot Friedländer bis zu dreimal wöchentlich Schulen und andere Einrichtungen in ganz Deutschland, um über ihr Leben zu berichten.[3] Dabei trägt sie gelegentlich die Bernsteinkette, die sie von ihrer Mutter erhalten hatte.
2011 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen, das ihr am 9. November 2011 vom damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff im Schloss Bellevue überreicht wurde.[10] Die von ihr selbst gelesene Hörbuch-Fassung ihrer Erinnerungen wurde 2016 für den Deutschen Hörbuchpreis nominiert.[11] Am 14. Mai 2019 erhielt Margot Friedländer für ihre Verdienste um ihre Aufklärungsarbeit im Beisein von Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel den „Talisman“ der Deutschlandstiftung Integration.[12] Am 5. November 2021 vollendete Friedländer ihr 100. Lebensjahr.[13]
Am 25. Mai 2022 wurde an Margot Friedländer im Alter von über 100 Jahren die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin verliehen, mit der sie für ihre „überragenden Verdienste als Zeitzeugin“ und ihre „hervorragende wissenschaftliche Leistung“ als engagierte „Bürgerwissenschaftlerin“ geehrt wurde.[14] Als sie bei der Zeremonie gefragt wurde, ob sie ihre Arbeit fortsetzen oder sich nun zur Ruhe setzen wolle, antwortete sie: „Nö, so lang es geht, gehts“, und ergänzte lachend: „Ich hab doch keine Langeweile.“[15]
Am 23. Januar 2023 wurde die 101-jährige Friedländer mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet. In Zusammenhang mit der Verleihung wurde eine Büste Friedländers von der Künstlerin Stephanie von Dallwitz enthüllt. Die Regierende Bürgermeisterin Berlins, Franziska Giffey, teilte dazu mit: „Mit der Skulptur von Margot Friedländer im Roten Rathaus zeigen wir an prominenter Stelle, dass im Rathaus unserer Stadt auch all die Berliner Jüdinnen und Juden ihren Platz haben, die das menschenverachtende nationalsozialistische Regime vertrieben, deportiert oder ermordet hat.“[16]
Im Jahr 2023 gründete sie die Margot-Friedländer-Stiftung zur Fortführung der Zeitzeugenarbeit und der Verleihung des Margot-Friedländer-Preises.[17]
Im Jahr 2014 wurde zum ersten Mal der Margot-Friedländer-Preis durch die Schwarzkopf-Stiftung verliehen. Der Preis und der dazugehörige Wettbewerb sollen Schüler und Lehrer motivieren, sich mit dem Holocaust und heutiger Erinnerungskultur auseinanderzusetzen und sich mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen im Kampf gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und Ausgrenzung zu engagieren. Ab 2024 wird der Margot-Friedländer-Preis von der Margot Friedländer Stiftung verliehen.[18]
Seit Juni 2013 sind Margot Friedländers Erlebnisse während des Zweiten Weltkrieges in Berlin und ihre Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt in einem Audioguide aufgearbeitet. In einem interaktiven Stadtrundgang durch Berlin können Zuhörer verschiedene Stationen und Verstecke erlaufen. Die einzelnen Stationen wurden von Margot Friedländer eingesprochen und mit dem Potsdamer Unternehmen Yopegu produziert.[28]
Personendaten | |
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NAME | Friedländer, Margot |
ALTERNATIVNAMEN | Friedlander, Margot; Bendheim, Margot (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Holocaust-Überlebende und -Zeugin |
GEBURTSDATUM | 5. November 1921 |
GEBURTSORT | Berlin |
Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2023-12-16 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=6023238