Marcel Reif (* 27. November 1949 als Marc Nathan Reif[1] in Wałbrzych, Polen) ist ein Schweizer Sportjournalist und -kommentator.
Reifs Mutter war eine schlesische, deutschstämmige Katholikin, sein Vater polnischer Jude. Sein Grossvater väterlicherseits war Möbelfabrikant in der Nähe von Lemberg. Vermutlich wurde Reifs Vater von Berthold Beitz vor den Nationalsozialisten gerettet, indem Beitz ihn am Bahnhof von Boryslaw unmittelbar aus dem Zug herausholte, der ins KZ fuhr.[2] Viele Verwandte Reifs – u. a. sein Grossvater – wurden im Holocaust umgebracht. Infolge des nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufkommenden Antisemitismus in Polen[3] emigrierte seine Familie 1956 mit ihm aus Polen nach Israel. In Jaffa besuchte Reif das von belgischen Mönchen geleitete Collège des Frères de Jaffa.[4]
Als Reif acht Jahre alt war, zog seine Familie von Tel Aviv nach Kaiserslautern, da sein Vater eine Anstellung bei der Kaiserslautern Military Community der US-Streitkräfte gefunden hatte. Er begann nun, Deutsch zu lernen. Als Jugendlicher spielte er u. a. beim 1. FC Kaiserslautern Fussball (Innenverteidigung, später offensives Mittelfeld).
Nach seinem Abitur in Heidelberg begann Reif an der Universität Mainz ein Studium der Publizistik, Politikwissenschaft und Amerikanistik, das er ohne Abschluss beendete. Neben dem Studium arbeitete er ab 1972 als freier Mitarbeiter in der politischen Redaktion des ZDF und wurde bald Reporter für die Sendungen heute und heute-journal. 1981 bis 1983 war er im Londoner ZDF-Büro tätig und wechselte 1984 ins Sport-Ressort. In seinen Anfangstätigkeiten in der ZDF-Sportredaktion als Reporter und Kommentator berichtete er über Fussball und Eishockey und war zunächst als Assistent von Kommentator Dieter Kürten tätig.[5] 1991 war Reif Redaktionsleiter für den Sport-Spiegel. Seine letzte Tätigkeit für das ZDF war das Kommentieren des Finals der Fussball-Weltmeisterschaft 1994.
Ab der Saison 1994/1995 arbeitete er bei RTL. Er war Chefkommentator für Fussballspiele und kommentierte in der Sendung Anpfiff vor allem Spiele der UEFA Champions League. 1996 bis 1997 war er zudem Bereichsleiter für den Bereich Sport bei RTL, 1997 bis 1998 erneut Chefkommentator im Fussball bei RTL. Nachdem RTL 1999 die Übertragungsrechte an der Champions League überraschend an TM3 verloren hatte, wechselte Reif zum Sender Premiere, dem heutigen Sky Deutschland. Bis Ende 2013 schrieb er wöchentlich eine Kolumne für den Berliner Tagesspiegel am Sonntag.
Am 15. Januar 2016 bestätigte Reif gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass er seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag bei Sky Deutschland nicht verlängern werde.[6] Seine Karriere als Kommentator beendete er mit dem Final der UEFA Champions League 2016. Wolff-Christoph Fuss wurde sein Nachfolger.
Im Juni 2016 war er auf Sat.1 an der Seite von Moderator Frank Buschmann als Experte für die Europameisterschaft 2016 zu sehen.[7] Reif kommentierte von 2018 bis 2021 beim Schweizer Pay-TV-Sender Blue + von Swisscom (ehemals Teleclub) die Spiele der Champions League und blieb dem Sender anschliessend als Experte erhalten.[8]
Von 2016 bis 2021 war Reif einer der Experten in der Sport1-Fussball-Talkshow Doppelpass.[9][10] Für die Bild-Zeitung betreibt er seit Februar 2020 den zweimal wöchentlich erscheinenden Podcast Reif ist live[11] und kommentiert an der Seite von Sportchefredaktor Matthias Brügelmann einzelne Fussballspielübertragungen auf Bild live.[12]
Bekannt und legendär ist seine Moderation mit Günther Jauch vom «Torfall von Madrid» im Champions-League-Halbfinal-Spiel Real Madrid gegen Borussia Dortmund am 1. April 1998 in Madrid. Der Spielbeginn verzögerte sich um 76 Minuten, da ein Aluminium-Tor abgebrochen und umgefallen war und im Ganzen ersetzt werden musste. Die völlig überraschende und in ihrer Dauer unabsehbare Wartezeit überbrückten die beiden mit Anekdoten und bildhaften Beschreibungen. Zitat: «Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan wie heute.» und «Für all diejenigen, die erst später eingeschaltet haben: Das erste Tor ist schon gefallen.» Reif und Jauch wurden 1998 für diese improvisierte Moderation mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet.[13]
Von 1995 bis 2002 war er Lehrbeauftragter an den Instituten für Publizistik der Deutschen Sporthochschule Köln und der Technischen Universität München. Reif bekam 2002 den Deutschen Fernsehpreis, 2003 den Adolf-Grimme-Preis für seine Berichterstattung von der Fussball-Weltmeisterschaft 2002 für den Fernsehsender Premiere, 2014 den Radio Regenbogen Award als Medienmann sowie 2015 den Kaiser-Augustus-Orden der Arbeitsgemeinschaft Trierer Karneval (ATK) für sein soziales Engagement in Afrika.[14]
Im Januar 2021 warfen ihm Kritiker in den sozialen Netzwerken einen Aufruf zu Gewalt vor. Bezüglich möglicher Konsequenzen für den Schweizer Fussballspieler Breel Embolo, der zuvor gegen landesweit geltende Corona-Bestimmungen verstossen hatte, vermutete Reif, dass er in der Kabine von seinen Mitspielern zum Beispiel eine «kleine Abreibung», auch in Form von «nonverbalen Mitteln», erhalten könnte. Reif wies Kritik an seinen Aussagen zurück.[15][16][17]
Reif, der 1997 in die Schweiz zog, wohnt in Rüschlikon in der Nähe von Zürich. 2013 hat er die Schweizer Staatsbürgerschaft erhalten,[18][19] seine deutsche Staatsangehörigkeit hat er freiwillig aufgegeben: «Für mich war schnell klar: Wenn ich Schweizer werde, dann richtig. Hier ist mein Lebensmittelpunkt, von hier will ich nie mehr weg.»[20]
Mit seiner ersten Frau Ria hat er einen Sohn. In zweiter Ehe war Reif von 1999 bis 2006 mit der 21 Jahre jüngeren Schweizer Sportredaktorin Sandra Weder verheiratet und hat mit ihr zwei Söhne.[21] Seit April 2010 ist er in dritter Ehe mit der Münchner Medizinprofessorin Marion Kiechle verheiratet,[22] die 2018 kurzzeitig Bayerische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst war.[23][24][25]
Reif begegnete Berthold Beitz, dem Retter seines Vaters, einige Jahre vor dessen Tod ein einziges Mal, nachdem er zuvor schriftlich Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Als Beitz im Juli 2013 – kurz vor seinem 100. Geburtstag – auf Sylt starb, urlaubte Reif zufällig in einem Nachbarhaus. Reif schrieb einen Nachruf auf Beitz im Spiegel.[26]
Seit 2012 tritt Reif in der ZDF-Quizsendung Der Quiz-Champion als Experte für die Kategorie Sport an.[27]
2019 hatte er einen Gastauftritt in der Comedy-Fernsehserie jerks., wo er sich selbst spielte.[28]
2016 wurde Reif Mitglied des «Teufelsrats», eines Beratergremiums[29] des 1. FC Kaiserslautern.[30] Seit 2017 ist er Mitglied des Kuratoriums der DFL Stiftung.[31] 2019 wurde er zum Vorsitzenden des Kuratoriums ernannt.[32][33]
Am 31. Januar 2024 hielt Reif, anlässlich der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, eine Rede im Deutschen Bundestag. Dabei zitierte er einen Ausspruch seines Vaters: „Sej a Mensch!“.[34]
Personendaten | |
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NAME | Reif, Marcel |
ALTERNATIVNAMEN | Reif, Marc Nathan (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Fernsehjournalist und Sportkommentator |
GEBURTSDATUM | 27. November 1949 |
GEBURTSORT | Wałbrzych, Woiwodschaft Niederschlesien, Polen |
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