Lars Klingbeil (* 23. Februar 1978 in Soltau) ist ein deutscher Politiker (SPD). Er ist seit Dezember 2021 einer der beiden Bundesvorsitzenden der SPD. Von Dezember 2017 bis Dezember 2021 war er Generalsekretär der SPD und von Mai 2003 bis November 2007 einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jusos. Seit Oktober 2009 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages, dem er zuvor bereits von Januar bis Oktober 2005 angehörte.
Klingbeil wuchs als Sohn eines Soldaten der Bundeswehr und einer Einzelhandelskauffrau in Munster auf. Nach dem Abitur 1998 am dortigen Gymnasium und dem Zivildienst in der Bahnhofsmission in Hannover begann er 1999 ein Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte an der Universität Hannover, das er 2004 mit dem Magister Artium abschloss. Von 2001 bis 2004 war er Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung.[1]
Seit August 2019 ist Klingbeil mit Lena-Sophie Müller verheiratet, die seit 2014 Geschäftsführerin der Initiative D21 ist.[2] In seiner Jugend war er nach eigenen Angaben in der Antifa aktiv.[3] Er spielt in seiner Freizeit Gitarre und war Sänger sowie Gitarrist der Rockband Sleeping Silence.[4] Darüber hinaus betreibt er regelmäßig Crossfit.[5]
Neben dem Studium arbeitete Klingbeil von 2001 bis 2003 im Wahlkreisbüro von Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem Bundestagsabgeordneten Heino Wiese. Er gehörte von 2001 bis 2016 dem Rat der Stadt Munster an und war von 2002 bis 2021 Vorstandsmitglied des SPD-Bezirks Nord-Niedersachsen, ab 2010 als stellvertretender Bezirksvorsitzender. Nach dem Studium arbeitete er von 2004 bis 2005 als Jugendbildungsreferent der SPD Nordrhein-Westfalen. Von 2003 bis 2007 war er einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jusos und von 2004 bis 2007 Mitglied der Internationalen Kommission des SPD-Parteivorstands.
Vom 24. Januar 2005 bis zum 18. Oktober 2005 rückte er für den im Zuge der Gehälter-Affäre zurückgetretenen SPD-Abgeordneten Jann-Peter Janssen in den Deutschen Bundestag nach. Während dieser Zeit war er Mitglied im Europaausschuss und stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss und im Verteidigungsausschuss. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 verpasste Klingbeil den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag und schied aus dem Parlament aus.
Von 2005 bis zum Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag im Jahr 2009 war er Büroleiter des SPD-Landesvorsitzenden Garrelt Duin. Er gehörte von 2006 bis 2018 dem Kreistag des Heidekreises an und war von 2006 bis 2020 Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Heidekreis.
Bei der Bundestagswahl 2009 zog er über Platz 7 der Landesliste Niedersachsen in den Deutschen Bundestag ein. Im Wahlkreis Rotenburg I – Soltau-Fallingbostel unterlag er mit 35,3 Prozent der Erststimmen Reinhard Grindel von der CDU, der 40,2 Prozent der Erststimmen erhielt. In der 17. Wahlperiode war er Mitglied im Verteidigungsausschuss, im Unterausschuss Neue Medien und in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. Außerdem war er Fraktionssprecher im Unterausschuss Neue Medien, Sprecher der Fraktionsarbeitsgruppe der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landesgruppen Niedersachsen/Bremen.
Bei der Bundestagswahl 2013 zog er über Platz 9 der Landesliste Niedersachsen in den Deutschen Bundestag ein. Im Wahlkreis Rotenburg I – Heidekreis unterlag er mit 40,6 Prozent der Erststimmen erneut Reinhard Grindel von der CDU, der 44,8 Prozent der Erststimmen erhielt.[6] In der 18. Wahlperiode war er Mitglied im Verteidigungsausschuss und im Ausschuss Digitale Agenda. Außerdem war er Sprecher der Fraktionsarbeitsgruppe Digitale Agenda und Vorsitzender der SPD-Landesgruppen Niedersachsen/Bremen.
Bei der Bundestagswahl 2017 kandidierte er auf Platz 7 der Landesliste Niedersachsen und im Wahlkreis Rotenburg I – Heidekreis, wo er sich mit 41,2 zu 36,1 Prozent der Erststimmen gegen Kathrin Rösel von der CDU durchsetzte und damit erstmals das Direktmandat gewann.[7] In der 19. Wahlperiode war er stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss, im Ausschuss Digitale Agenda und im 1. Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages. Außerdem war er stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landesgruppen Niedersachsen/Bremen.
Bei der Bundestagswahl 2021 kandidierte er auf Platz 5 der Landesliste Niedersachsen und im Wahlkreis Rotenburg I – Heidekreis, wo er sich mit 47,6 zu 26,4 Prozent der Erststimmen gegen Carsten Büttinghaus von der CDU durchsetzte und erneut das Direktmandat gewann.[8]
Am 23. Oktober 2017 nominierte das Parteipräsidium Klingbeil auf Vorschlag des Bundesvorsitzenden Martin Schulz als Nachfolger für den scheidenden Generalsekretär Hubertus Heil.[9] Auf dem Bundesparteitag am 8. Dezember 2017 wurde er mit 70,6 Prozent der Delegiertenstimmen in das Amt gewählt[10] und auf dem Bundesparteitag am 6. Dezember 2019 wurde er mit 79,9 Prozent der Delegiertenstimmen im Amt bestätigt.[11]
In seiner Funktion als Generalsekretär handelte Klingbeil im Frühjahr 2018 den Koalitionsvertrag mit den Unionsparteien mit aus und warb beim anschließenden Mitgliedervotum erfolgreich für die Zustimmung der SPD-Mitglieder. Er organisierte den Wahlkampf bei der Europawahl 2019, den Mitgliederentscheid bei der Wahl zum SPD-Vorsitz 2019 und den Wahlkampf bei der Bundestagswahl 2021. Als Generalsekretär war er Herausgeber des Vorwärts.
Am 8. November 2021 nominierte das Parteipräsidium Klingbeil als Nachfolger für den scheidenden Bundesvorsitzenden Norbert Walter-Borjans.[12] Auf dem Bundesparteitag am 11. Dezember 2021 wurde er mit 86,3 Prozent der Delegiertenstimmen zum Bundesvorsitzenden gewählt. Die bisherige Bundesvorsitzende Saskia Esken wurde mit 76,7 Prozent der Delegiertenstimmen wiedergewählt. Nachfolger von Klingbeil als Generalsekretär wurde Kevin Kühnert, der 77,8 Prozent der Delegiertenstimmen erhielt.[13]
Klingbeil gehört dem Seeheimer Kreis an, in dem sich der konservative Flügel der SPD-Bundestagsfraktion zusammengeschlossen hat.[14] Bis 2015 war er Mitglied der Parlamentarischen Linken.[15]
Obwohl sein Vater Soldat bei der Bundeswehr war, verweigerte Klingbeil den Wehrdienst. Seine kritische Haltung zur Bundeswehr änderte er nach eigenen Angaben im Zuge der Terroranschläge am 11. September 2001.[16]
Er gehörte bis 2017 den Präsidien der Lobbyvereine Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik und Förderkreis Deutsches Heer an.[17][18][19] Politisch setzt er sich für eine Anhebung des Wehretats ein.[20] Trotzdem hat er sich für einen Stopp von Waffenexporten für am Jemen-Krieg beteiligte Länder eingesetzt.[21] Als ein möglicher Grund für seinen engen Kontakt zur deutschen Rüstungsindustrie gilt, dass der Rheinmetall-Standort Unterlüß, der in der Region viele Menschen beschäftigt, an seinen Wahlkreis grenzt.[22]
In einem mit Martin Oetting und Mathias Richel verfassten Beitrag entwickelte Klingbeil im Juli 2011 anhand von sechs Aufgaben an die Sozialdemokratie sein Bild einer „echten sozialdemokratischen Netzpolitik“. Folgende Faktoren hielt er in diesem Zusammenhang für essenziell:[23]
Die Anschläge in Norwegen vom Juli 2011 nahm Klingbeil zum Anlass, um stärkere Überwachung des Internets durch deutsche Sicherheitsbehörden zu fordern.[24] Er erklärte in diesem Zusammenhang im Deutschlandfunk, es gebe zu wenige Experten in den deutschen Sicherheitsbehörden, um beispielsweise Seiten mit rechtsextremen Inhalten zu beobachten. Da diese Server weltweit zu finden seien, müsse verstärkt auch auf eine internationale Zusammenarbeit der Ermittler gesetzt werden, weiterhin seien mehr Beamte in den Strafverfolgungsbehörden nötig. Insbesondere ein Vorgehen gegen Rechtsextreme sei nötig. Er unterstützt die Forderung der Polizeigewerkschaft Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), eine Art Alarmknopf zur Meldung rechtsextremer Seiten zu fördern.[25]
Klingbeil fordert eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität.[26]
Klingbeil verteidigt die Sanktionen von Hartz-IV, also Kürzungen unter das Existenzminimum, und möchte diese nicht abschaffen. Allerdings hält er es für falsch, dass davon auch Mietzuschüsse betroffen sind und fordert hier Korrekturen.[27]
Klingbeil äußerte sich Anfang 2021 zur Klimapolitik seiner Partei: „Der Ansatz, den wir in unserem Programm wählen, geht ganz bewusst nach vorne. Der sagt: Lasst uns doch auch die Chancen der neuen Technologie nutzen, lasst uns radikal auf Wasserstoff setzen, erneuerbare Energien ausbauen, lasst uns einen Jobmotor in Deutschland daraus machen.“[28] Er bezeichnet im selben Jahr die klimaneutrale Transformation als „Jahrhundertaufgabe“, die nicht nur über einen CO2-Preis, sondern auch über weitere Instrumente gelöst werden müsse, wozu der Ausbau erneuerbarer Energien, die Abschaffung der EEG-Umlage, der Aufbau eines modernen Mobilitätssystems und die Verpflichtung der öffentlichen Hand, ausschließlich klimaneutrale Grundstoffe zu nutzen, gehöre.[29] Klingbeil plädierte 2021 in der Debatte um eine konkrete Festschreibung eines CO2-Preises für Zurückhaltung und sprach sich dabei gegen einen Preis von 60 Euro pro Tonne CO2 aus, um Eigenheimbesitzer und Pendler vor Belastungen zu schützen.[30]
Im Jahr 2013 wurde eine Sitzungswoche Klingbeils im Rahmen der NDR-Serie 7 Tage porträtiert. Die Episode wurde am 1. September 2013 ausgestrahlt und kurz darauf wegen einer Beschwerde seines Wahlkreiskontrahenten Reinhard Grindel von der CDU bis zur Bundestagswahl 2013 aus der Mediathek und YouTube entfernt.[31]
Personendaten | |
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NAME | Klingbeil, Lars |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD), MdB |
GEBURTSDATUM | 23. Februar 1978 |
GEBURTSORT | Soltau |
Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2021-12-23 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=517256