Herma Schuschnigg

Herma (von) Schuschnigg

Herma Schuschnigg, geb. Herma Masera, zeitgenössisch auch von Schuschnigg (* 25. Juni 1901 in Bozen, Österreich-Ungarn; † 13. Juli 1935 bei Ebelsberg) war die Ehefrau des österreichischen Kanzlers Kurt Schuschnigg. Als solche war sie durch karitative Arbeit um das Image ihres autoritär regierenden Gatten bemüht. Nach ihrem Unfalltod wurde sie in den Medien als beispielhafte Frau ihrer Zeit dargestellt und bis 1938 mit zahlreichen Denkmälern gewürdigt. Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich kam das Gedenken an sie jedoch zum Erliegen.

Biographie

Hochzeitsfoto des Ehepaars Schuschnigg, 1924

Herma Masera wurde als Tochter des Großkaufmannes Josef Masera in eine angesehene Südtiroler Familie geboren. Ihre Mutter Rosa (1865/66–1925) stammte aus dem Adelsgeschlecht An der Lan-Hochbrunn und war Schwester des Musikers Hartmann von An der Lan-Hochbrunn.[1] Herma Masera, die sowohl Deutsch als auch Italienisch fließend beherrschte, besuchte in Innsbruck das Lyzeum der Ursulinen (heute Ursulinenschule Innsbruck). 1922 lernte sie über die Anwaltsfamilie Fischer, in deren Kanzlei der junge Kurt Schuschnigg zu arbeiten begonnen hatte, ihren späteren Ehemann kennen. Außerdem war sie eine Couleurdame (offizieller weiblicher Gast) bei Schuschniggs katholischer Studentenverbindung AV Austria Innsbruck. Das Paar heiratete 1924,[2] 1926 kam ihr einziges Kind, Sohn Kurt († 2018[3]), zur Welt.[4][5]

Das Leben der nunmehrigen Herma Schuschnigg war vom politischen Aufstieg ihres Mannes bestimmt. Kurt Schuschnigg wurde 1927 in den Nationalrat gewählt, seine Frau folgte ihm 1930 eher unwillig nach Wien. Sie galt als zurückhaltend, vermisste Tirol und führte vorerst ein eher isoliertes Leben. Kurt Schuschnigg wurde 1932 Justizminister in der kurzlebigen (Jänner bis Mai) Bundesregierung Buresch II und blieb dies in der folgenden Bundesregierung Dollfuß I, 1933 wurde er außerdem Unterrichtsminister. Er trug damit den Wandel Österreichs von einer parlamentarischen Republik hin zum autoritären Ständestaat mit, an dessen Spitze er schließlich nach der Ermordung Engelbert Dollfuß’ im Juli 1934 überraschend selbst stand. Herma von Schuschnigg (Adelsprädikate waren seit dem Adelsaufhebungsgesetz 1919 abgeschafft, wurden aber im Ständestaat wieder zunehmend verwendet) fand sich damit in einer gesellschaftlich exponierten Position wieder. Im Bestreben, ihrem überlasteten Mann zu helfen, übernahm sie vertrauliche Post und Telefonate für ihn. Ihr Wunsch, dass er zurücktreten möge, blieb unerfüllt.[5]

Karitatives Engagement

Als „Frau Bundeskanzler“ (die Übertragung von Titeln auf den weiblichen Ehepartner ist eine österreichische Eigenart) war Herma Schuschnigg angehalten, zum Ansehen ihres autoritär regierenden Ehemannes beizutragen. Sie tat dies durch umfangreiches karitatives Engagement. 1934 stand sie der Initiative „Weihnacht der Heimat“ vor, die 5000 bedürftigen Kindern in Wien einen Satz Winterkleidung zukommen ließ. Darüber hinaus unterstützte sie die Aktion „Nehmt hungernde Kinder zum Weihnachtstisch“, die besser situierte Personen aufforderte, an den Feiertagen ein Kind zu bewirten.[6] Ab 1935 folgten weitere Initiativen: „Bekleidungsaktion“, „Muttertagsaktion“, „Firmungsaktion“ … Laut zeitgenössischen Berichten wurde so mehreren zehntausend Menschen in Schuschniggs Namen geholfen. Neben ihrer karitativen Tätigkeit nahm Herma von Schuschnigg verschiedene repräsentative Aufgaben wahr. Sie war unter anderem Fahnenmutter und Fahnenpatin der Ostmärkischen Sturmscharen. Deren Leitung organisierte nach ihrem Unfalltod einen Fonds zur Fortführung ihres Wirkens,[7] Schuschniggs persönliche Agenden gingen an Bella Pernter, Ehefrau des Ministers Hans Pernter, über.[5] Später wurden die wohltätigen Initiativen in der „Herma-von-Schuschnigg-Fürsorgeaktion“ (auch: „-Fürsorgewerk“) gebündelt.[4] Diese Stiftung unter dem Ehrenschutz Kurt Schuschniggs wurde rückblickend als Versuch gesehen, die unzureichende staatliche Sozialpolitik durch private Spendenbereitschaft zu kompensieren, gleichzeitig fungierte sie als Propagandainstrument Schuschniggs.[8]

Unglück am 13. Juli 1935

Der Unfallwagen mit Schaulustigen

Am 13. Juli 1935 befand sich Familie Schuschnigg auf dem Weg in den Sommerurlaub nach Sankt Gilgen. Dabei kam es um 12:26 Uhr auf der heutigen B1 zwischen den Ortschaften Asten und Ebelsberg (südöstlich von Linz) zu einem Unglück. Der Chauffeur verlor bei etwa 80 km/h die Kontrolle über die Staatslimousine, der Wagen rammte einen Birnbaum. Kurt und Herma von Schuschnigg wurden durch das offene Sonnenverdeck aus dem Auto geschleudert, der Kanzler blieb mit einer Schulterfraktur bewusstlos liegen, seine Ehefrau jedoch brach sich die obere Wirbelsäule und war sofort tot. Die anderen Insassen (Sohn Kurt, ein Kindermädchen, ein Polizist und der Chauffeur) wurden unterschiedlichen Grades verletzt. Wohl nicht zuletzt angesichts der sehr fragilen politischen Verhältnisse war die zeitgenössische Berichterstattung darum bemüht, keinen Verdacht auf Fremdverschulden aufkommen zu lassen. Laut zeitgenössischen Berichten war der Wagen infolge eines leichten technischen Mangels an der Lenkung („Flattern der Räder“) mit einem Rad in den Straßengraben geraten. Dem Fahrer gelang es nicht rechtzeitig, die schwere Limousine (einen Gräf & Stift SP 8) zurück auf festen Untergrund zu bekommen. Der Wagen überfuhr einen Randstein, wurde deshalb unkontrollierbar und rammte schließlich den Baum.[9][10] Nicht zuletzt, da der Vorfall sich fast genau ein Jahr nach der Ermordung Engelbert Dollfuß’ ereignete, stand der Verdacht auf ein Attentat im Raum, er konnte jedoch nicht erhärtet werden.[11][12] Kurt Schuschniggs Sohn erzählte noch 2018 in Interviews, dass der als zuverlässig bekannte Fahrer am Vorabend von einem Fremden ein Bier spendiert bekommen hätte, daraufhin an seinem Tisch eingeschlafen sei und die Familie am Morgen vollkommen übermüdet abgeholt habe.[13] So oder so habe nur ein kurzes Stück weiter ein Nationalsozialist mit einer Bombe auf das Auto der Kanzlerfamilie gewartet.[14][15]

Das Unglück löste enormes Echo in Österreich und dem europäischen Ausland aus, Schaulustige pilgerten zur Unfallstelle und nahmen Rinde des Birnbaums als „Souvenir“ mit nach Hause. Aus dem verbündeten Italien kondolierten König Viktor Emanuel III., Benito Mussolini sowie Papst Pius XI. (der Ständestaat war betont katholisch), ebenso äußerten fast alle europäischen Staatsoberhäupter oder deren Repräsentanten in Wien ihr Beileid. Die Institutionen des gleichgeschalteten österreichischen Staatsapparates (Einheitspartei: Vaterländische Front) überschlugen sich mit Trauerbekundungen.[5][16]

Begräbnis und Gedenken

Herma Schuschniggs Grab am Hietzinger Friedhof

Herma von Schuschniggs Leichnam wurde am 14. Juli mit dem Zug nach Wien überstellt und erst in einer improvisierten Halle am Bahnhof Wien Penzing, danach in der Hietzinger Pfarrkirche aufgebahrt. Dort fand am 16. Juli der Trauergottesdienst im Beisein von Erzbischof Theodor Innitzer, Bundespräsident Wilhelm Miklas und weiteren Vertretern der Staatsspitze statt, anschließend wurde der Sarg in einem pompösen Trauerzug zum Hietzinger Friedhof gebracht.[17]

Bereits wenige Stunden nach Herma von Schuschniggs Tod verlas Radio Wien folgenden Nachruf:

„Wir trauern um eine wahrhaft edle, gütige Frau, die an der Seite ihres Mannes ihre Aufgabe vor allem darin erblickt hat, die Not der Ärmsten zu lindern, armen Kindern zu helfen und Tränen zu stillen. In die tiefe Trauer über das tragische Ende dieser vorbildlichen Frau, Gattin und Mutter klingt aber ein Gefühl heißen Dankes an die Vorsehung, daß uns der Bundeskanzler selbst erhalten blieb. Millionen Österreicherinnen und Österreicher nehmen innigsten Anteil an dem Leid, das er nun zu tragen hat.“

Walter Adam, Chef des Bundespressedienstes, Generalsekretär der Vaterländischen Front[18]

Herma von Schuschnigg wurde in dieser und zahlreichen weiteren Gedenkschriften zum Idealbild einer Frau im Ständestaat stilisiert: Die aufopferungsvolle, moralisch integre Gattin und Mutter, die, christlichen Idealen folgend, (unentgeltlich) Gutes für die Gemeinschaft tut. Kanzler Schuschnigg trug den Verlust nach außen hin mit der Gefasstheit, die von ihm erwartet wurde. Persönlich traf ihn der Verlust schwer,[5] dennoch hatte er seit längerer Zeit ein außereheliches Verhältnis mit Anna Mahler gehabt, das er infolge des Unfalls, den er angeblich als göttliche Strafe dafür empfand, abbrach.[14]

Denkmäler

Monumente im Gedenken an Herma von Schuschnigg wurden an verschiedenen Orten Österreichs errichtet. Direkt an der Unfallstelle entstand zuerst ein Holzkreuz, dann ein Marterl, das noch heute besteht, allerdings in den 1960er-Jahren überarbeitet wurde.[19] Am Sonnwendstein entstand eine Gedenkkapelle (Josefskapelle), die 1955 vom Österreichischen Cartellverband erworben wurde und seither als Gedenkort für seine Gefallenen genutzt wird.[20] In St. Veit in Defereggen erinnert seit 1937 eine kleine Kapelle an einen Besuch der Kanzlersgattin, sie wurde 2007 restauriert. Ebenfalls 1937 wurden in der Wolfgangskirche in Kirchberg am Wechsel Glasfenster zu ihrem Gedenken gestiftet. Im Wiener Bezirk Wieden trägt ein Wohnblock Schuschniggs Namen, er wurde nach Kriegszerstörungen 1954/55 neu aufgebaut.[21] Neben diesen (und eventuellen weiteren) noch bestehenden Denkmälern gab es eine Reihe von Monumenten, die ab 1938, als mit dem Anschluss Österreichs die Ideologie des Ständestaates jener des Dritten Reiches wich, aus politischen Gründen verschwanden, etwa eine Porträtbüste in Klosterneuburg.[22] Andere, etwa eine Herma-von-Schuschnigg-Orgel in der Pfarrkirche Steinach am Brenner,[23] fielen im Lauf der Jahrzehnte verschiedenen Erneuerungen zum Opfer.

Literatur

  • Bernhard Birk: Herma von Schuschnigg. Tyrolia, Innsbruck 1935 (zeitgenössische, panegyrische Biographie).
  • Christine Schaunig: Frauen im Austrofaschismus – Rückschritt, Stillstand, Fortschritt? Eine Suche in der Stadt und auf dem Land. Wien 2010, doi:10.25365/thesis.10784 (Diplomarbeit an der Universität Wien).

Weblinks

Commons: Herma Schuschnigg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Todesfälle. In: Innsbrucker Nachrichten, 14. April 1925, S. 3 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/ibn
  2. Schuschnigg, Kurt Alois Josef Johann (Edler von) in der Deutschen Biographie
  3. Schuschnigg-Sohn in New York gestorben. In: kurier.at. 30. Oktober 2018, abgerufen am 9. November 2022.
  4. a b Herma v. Schuschnigg zum Gedenken. In: Allgemeiner Tiroler Anzeiger / Tiroler Anzeiger / Tiroler Anzeiger. Mit der Beilage: „Die Deutsche Familie“ Monatsschrift mit Bildern / Tiroler Anzeiger. Mit den illustrierten Beilagen: „Der Welt-Guck“ und „Unser Blatt“ / Tiroler Anzeiger. Mit der Abendausgabe: „IZ-Innsbrucker Zeitung“ und der illustrierten Wochenbeilage: „Weltguck“ / Tiroler Anzeiger. Tagblatt mit der illustrierten Wochenbeilage Weltguck, 13. Juli 1936, S. 7 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/tan
  5. a b c d e Christine Schaunig: Frauen im Austrofaschismus – Rückschritt, Stillstand, Fortschritt? Eine Suche in der Stadt und auf dem Land. Wien 2010, S. 60–64 (Diplomarbeit an der Universität Wien).
  6. Frohe Weihnacht für arme Kinder. In: Oesterreichische Kronen-Zeitung. Illustrirtes Tagblatt / Illustrierte Kronen-Zeitung / Wiener Kronen-Zeitung, 14. Dezember 1934, S. 4 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/krz
  7. Schaffung eines Herma-Schuschnigg-Fonds. In: Der Tag / Der Wiener Tag, 23. Juli 1935, S. 7 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/tag
  8. Alfred Höck: Die St. Gilgener Hochzeit. Ein Fest unter dem Kruckenkreuz als politisches Manifest. In: brauch.at. Abgerufen am 9. November 2022 (Digitale Neuausgabe von Luidold, Lucia; Kammerhofer-Aggermann, Ulrike (Hg.): In Familie und Gesellschaft. Bräuche im Salzburger Land).
  9. Wie die Katastrophe wirklich geschah. In: Der Morgen. Wiener Montagblatt, 15. Juli 1935, S. 1 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/dmo
  10. Herma Schuschnigg kam 1935 bei Autounfall nähe Asten ums Leben. In: meinbezirk.at. 22. Oktober 2018, abgerufen am 9. November 2022.
  11. Herma Schuschnigg - die Ehefrau des Kanzlers stirbt bei Autounfall. In: sn.at. 3. März 2018, abgerufen am 9. November 2022.
  12. Tödlicher Unfall mit Kanzlerlimousine. In: nachrichten.at. 14. Juli 2015, abgerufen am 9. November 2022.
  13. Kurt Schuschnigg jun.: „Was hätte mein Vater denn anderes tun sollen?“ In: kurier.at. 11. März 2018, abgerufen am 9. November 2022.
  14. a b Manfred Flügge: Stadt ohne Seele: Wien 1938. Aufbau Digital, Berlin 2018, ISBN 978-3-8412-1512-3, S. 61.
  15. „Ich habe lange mit Gott gehadert“. In: erzdioezese-wien.at/. 4. Oktober 2018, abgerufen am 10. November 2022.
  16. Exemplarische Auswahl, mit Verweisen auf die ausländische Berichterstattung:
  17. Herma von Schuschniggs letzte Fahrt. In: Wiener Bilder, 21. Juli 1935, S. 1–3 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/wrb
  18. Oesterreich fühlt mit seinem Kanzler. In: Neues Wiener Journal, 14. Juli 1935, S. 3 (Online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwj
  19. Herma-von-Schuschnigg. In: stadtgeschichte.linz.at, Denkmäler in Linz.
  20. BK a.D. Dr. Kurt von Schuschnigg. In: oecv.at. Abgerufen am 10. November 2022.
  21. Schuschnigghof im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  22. Herma von Schuschnigg Bildstock. In: kultur-klosterneuburg.at/. Abgerufen am 10. November 2022.
  23. Orgellandschaft Tirol: Steinach am Brenner, Pfarrkirche St. Erasmus. In: orgeln.musikland-tirol. Abgerufen am 10. November 2022.

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Der präsentierte Inhalt des Wikipedia-Artikels wurde im 2022-11-30 basierend auf extrahiert https://de.wikipedia.org/?curid=12439290